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Rechtsterroristinnen

Einleitung

Zschäpes Vorgängerinnen1

Beate Zschäpe soll in der Haft gegenüber einem Vernehmungsspezialisten des Bundeskriminalamts (BKA) die Bemerkung herausgerutscht sein: „So einen Fall wie mich hat’s doch noch nie gegeben.“ Dies zeigt nicht nur die Eitelkeit des mutmaßlichen NSU-Mitglieds — Zschäpe lag mit ihrer Einschätzung auch falsch. Denn es gab Vorläufer des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und Beate Zschäpe ist nicht die erste am deutschen Rechtsterrorismus beteiligte Frau. Zu Beginn der 1980er Jahre gab es in der alten Bundesrepublik eine Welle rechtsterroristischer Anschläge mit bis zu 20 Todesopfern bis 1982.2  Bei den für diese Taten verantwortlichen Organisationen wirkten auch neonazistische Frauen mit.

Bild: Ausschnitt aus die tat Nr.6/1982

Opfer des Mordanschlages der Deutschen Aktionsgruppen vom 22. August 1980 in Hamburg wurden Ngoc Chau Nguyên und Anh Lân Dô. .

Frauen bei den „Deutschen Aktionsgruppen“ (DA)

Die „Deutschen Aktionsgruppen“ (DA) verübten im Jahr 1980 sieben Brand- und Sprengstoffanschläge, die zumeist antisemitisch oder rassistisch motiviert waren. Ihr Anführer war der Anwalt Manfred Roeder, der einen Kreis Gleichgesinnter um sich versammeln konnte. Am 1. September 1980 gelang der Polizei in einer Großaktion die Zerschlagung der Organisation und die Festnahme ihrer Mitglieder. Die meisten Taten der DA wurden unter wesentlicher Beteiligung von Sibylle Vorderbrügge verübt, die eine zentrale Rolle in der Gruppierung einnahm. Dies gilt auch für den schwerwiegendsten Anschlag der DA, eine Brandstiftung auf ein Wohnheim in Hamburg am 22. August 1980, bei dem die Viet­namesen Ngoc Chau Nguyên und Anh Lân Dô ermordet wurden. Erklärtes Ziel der Gruppierung war es, „Deutschland von den Ausländern zu befreien“. Sibylle Vorderbrügge arbeitete in einem Krankenhaus in Hamburg und kam über ihre Arbeitskollegin Gabriele C. in Kontakt mit neonazistischer Ideologie. Auch Gabriele C., Tochter von Heinz Colditz, ebenfalls ein DA-Mitglied, beteiligte sich an den Vorbereitungen zu einem Sprengstoffanschlag der DA auf eine Schule in Hamburg, bei dem zwei zufällig vorbeikommende Krankenschwestern verletzt wurden. Gertraud R., die Ehefrau Roeders, nahm zwar nicht an terroristischen Aktivitäten teil, verwaltete jedoch einen Verein und — hiermit verbunden — ein Spendenaufkommen, auf das die DA zurückgreifen konnte. Sie tat dies vor allem während der Zeit, in der ihr Ehemann sich im Ausland aufhielt, um sich dem Zugriff der Polizei zu entziehen und während seiner Zeit in Haft.

Wegen der Gründung einer terroristischen Vereinigung wurde Manfred Roeder im Jahr 1982 zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt, jedoch bereits am 15. Februar 1990 wegen einer günstigen Sozialprognose entlassen. Sibylle Vorderbrügge wurde wie weitere Mitglieder der DA zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Nachdem sie acht Jahre ihrer Strafe in Stuttgart-Stammheim verbüßt hatte, wurde sie schon 1988 auf freien Fuß gesetzt. In der Anklageschrift wurde Sibylle Vorderbrügge als Roeder gegenüber „geistig und sexuell hörig“ beschrieben und gab selbst vor Gericht an, diesem „verfallen“ gewesen zu sein und daher die Taten begangen zu haben. Ein Bekenntnis, das die verbüßte Strafe nicht gesteigert haben dürfte.

Eine Frau im bewaffneten Kampf von Mitgliedern der „Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands“ (VSBD)

Die mit vollständigem Titel „Volkssozialistische Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit“ (VSBD/PdA) genannte neonazistische Organisation wurde am 17. Juni 1971 von dem mittlerweile verstorbenen Neonazi Friedhelm Busse gegründet und am 24. Januar 1982 als verfassungsfeindliche Organisation verboten. Am 24. Dezember 1980 hatte ein VSBD-Mitglied bei einem illegalen Grenzübertritt zwei Beamte des Schweizer Grenzschutzes getötet und danach Selbstmord begangen. Im Vorfeld eines geplanten Banküberfalls kam es am 20. Oktober 1981 in München zu einer Schießerei zwischen fünf VSBD-Mitgliedern und der Polizei. Hierbei wurden zwei der Neonazis getötet und ein Polizist lebensgefährlich verletzt. Im Rahmen der anschließenden Fahndung wurde mit Christine Hewicker noch im selben Jahr auch eine 23-jährige Frau von einer Antiterroreinheit in Belgien festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert. Eine Anklage als „terroristische Vereinigung“ (nach §129a StGB) wurde fallen gelassen, obwohl hierfür einige Anhaltspunkte vorlagen. Die bereits wegen Volksverhetzung und Sachbeschädigung vorbestrafte Hewicker erhielt letztlich eine sechsjährige Gefängnisstrafe — unter anderem für ihre Beteiligung an einem weiteren Banküberfall, bei dem sie den Fluchtwagen fuhr. Die 1959 in Lüneburg geborene Rechtsterroristin distanzierte sich in der Haft vom Neonazismus.

Frauen im Umfeld der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ (WSG Hoffmann)

Auch die nach ihrem Anführer Karl-Heinz Hoffmann benannte „Wehrsportgruppe Hoffmann“ (Vgl. S.16) wurde nie juristisch als „terroristische Vereinigung“ eingestuft. Von ihren (ehemaligen) Mitgliedern und aus ihrem Umfeld heraus wurden jedoch in den frühen 1980er Jahren mehrere Mordtaten von terroristischer Qualität verübt, die von der Justiz letztlich nur verschiedenen — ausnahmslos männlichen — „Einzeltätern“ angelastet wurden. So ermordete mutmaßlich Uwe Behrendt am 19. Dezember 1980 aus antisemitischen Motiven den Verleger und ehemaligen Vorsitzenden der israelitischen Kultusgemeinde in Nürnberg Shlomo Levin und dessen Lebensgefährtin Frieda Poeschke in deren Haus in Erlangen. Levin hatte mehrfach vor der Gefährlichkeit der WSG Hoffmann gewarnt. Behrendt, der Mitglied der WSG Hoffmann war, beging am 16. September 1981 im Libanon Selbstmord.

Die 400-600 Personen umfassende WSG Hoffmann wurde ab 1974 zunächst wegen ihrer paramilitärischen Wehrsportübungen zunehmend in der Öffentlichkeit bekannt. Am 30. Januar 1980 erfolgte das Verbot der Vereinigung, die bis zu diesem Zeitpunkt den bewaffneten Kampf übte und eine „Vorstufe“ zum Terrorismus wohl bereits erreicht hatte. In die WSG Hoffmann wurden vor ihrem Verbot sowohl in ihren Anfangsjahren, als auch wieder ab 1979 Frauen als Mitglieder aufgenommen. Um die weibliche neonazistische Zielgruppe wurde von der WSG Hoffmann in ihrer Publikation „Kommando“ phasenweise sogar regelrecht geworben. In einer Gruppe von 58 AnhängerInnen und Mitgliedern der ehemaligen WSG Hoffmann, gegen die nach dem Attentat auf das Münchner Oktoberfest am 26. September 1980 polizeilich ermittelt wurde, befanden sich fünf Frauen.

Nach dem Verbot seiner Organisation baute Hoffmann mit Unterstützung der palästinensischen Fatah im Libanon die etwa 15-köpfige paramilitärische Gruppe „WSG Ausland“ auf, die vorwiegend aus ehemaligen Mitgliedern der WSG Hoffmann bestand und bereits Anschläge auf Personen und Einrichtungen in der Bundesrepublik und im Nahen Osten geplant haben soll. Nach der Rückkehr aus dem Libanon wurden Hoffmann und seine damals 35-jährige Lebensgefährtin und spätere Ehefrau Franziska Birkmann jedoch sofort festgenommen. Sie war offenbar als eine Art Statthalterin in der BRD verblieben und nahm nach Aussagen von geständigen Mitgliedern der Gruppe vor Gericht und auch nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Nürnberg eine organisatorische Führungsrolle ein.

Beim erwähnten Doppelmord des WSG Hoffmann- und WSG Ausland-Mitglieds Uwe Behrendt in Erlangen wurde die Sonnenbrille von Birkmann am Tatort zurückgelassen. Aufgrund einer Eingravierung des Optikers ließ sich die Brille im Nachhinein leicht zuordnen. Nach Angabe von Hoffmann im gegen ihn wegen Anstiftung zum Mord geführten Prozess habe der Einzeltäter Behrendt diese bei der Tat getragen. Zudem habe Behrendt die Tatwaffe, die aus Hoffmanns Besitz stammt, ihm ohne sein Wissen entwendet. Damals wohnte Behrendt gemeinsam mit Hoffmann bei Birkmann im Schloss Ermreuth. Noch heute berichtet Hoffmann auf seiner Homepage über den Erwerb des „Hauptquartieres“ der WSG durch seine spätere Ehefrau Franziska Birkmann/Hoffmann. Am Ende entscheidet sich das Gericht trotz anderweitiger Indizien für die These, der drei Wochen vor Prozessbeginn gestorbene Behrendt habe alleine gehandelt.
Die Polizei hatte im Übrigen im Fall des Erlanger Doppelmords über Monate hinweg den Täter nicht im rechten Spektrum gesucht, sondern unter den angeblich kriminellen Angehörigen der jüdischen Gemeinde — die Parallelen zu dem NSU-Mordermittlungen sind auffällig. Franziska Birkmann wurde erst fünf Wochen nach der Tat überhaupt zu ihrer Sonnenbrille am Tatort befragt. Sie wurde wegen Beihilfe zum Mord angeklagt, jedoch wie Hoffmann nicht dafür verurteilt.