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Solidarität gegen Repression, Sexismus und Verrat

Anti Sexismus
(Foto: Kai Schwerdt; CC BY-NC 2.0)

Haftstrafen gegen Antifas

Es ist inzwischen traurige Realität in Deutschland, dass Antifaschist_innen aufgrund ihres politischen Engagements gegen rechts hinter Gittern landen. Ob die Stuttgarter Antifaschisten Findus, Dy und Jo oder die Leipziger Antifaschistin Lina, die Untersuchungshaftzeiten werden weit über die zulässigen sechs Monate hinaus ausgedehnt und Haftstrafen über zwei Jahre verhängt, damit eine Bewährung erst gar nicht mehr in Frage kommt. Findus verbüßt seine Haftstrafe bereits seit dem 19. Juli 2021 in der JVA Heimsheim, nachdem er am 19. Oktober 2020 vom Amtsgericht Stuttgart zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden war. Lina und Dy wurden im November 2020 in Untersuchungshaft genommen. Dy wurde am 10. August 2022 in den Normalvollzug nach Bruchsal verlegt, nachdem er und sein Mitangeklagter Jo am 13. Oktober 2021 vom Stuttgarter Oberlandesgericht zu 5,5 und 4,5 Jahren Haft verurteilt wurden und die Revision im „Wasen-Verfahren“ vom Bundesgerichtshof am 21. Juli 2022 abgelehnt worden war. Jo musste am 22. August 2022 seine Reststrafe von vier Jahren in der JVA Ravensburg antreten. Der Prozess gegen Lina und drei weitere Antifaschist_innen läuft seit September 2021 vor dem Oberlandesgericht Dresden, nachdem der Generalbundesanwalt das Verfahren wegen angeblicher Nähe zum Terrorismus an sich gezogen hatte. Es ist davon auszugehen, dass es auch hier im „Antifa Ost-Verfahren“ zu Verurteilungen kommen wird und damit ein Präzedenzfall für den mittlerweile verschärften § 129 StGB geschaffen werden soll.

Schwierige Solidaritätsarbeit

Die staatliche Repressionswelle gegen linken Aktivismus trifft die antifaschistische Bewegung an einem schwachen Punkt. Neben der prozessbegleitenden Solidaritätsarbeit, die viele Ressourcen verschlingt, lassen sich darüberhinausgehende politische Kampagnen und Aktionen weitestgehend vermissen. Zu groß scheinen die nicht aufgearbeiteten Missstände im Umgang mit Vorfällen von sexualisierter Gewalt, Täterschutz sowie sexistischen und patriarchalen Verhaltensweisen. Erschwerend hinzu kommen die Aussagen des Vergewaltigers und politischen Verräters Johannes Domhöver im „Antifa-Ost-Verfahren“, der versucht, sich auf Kosten seiner ehemaligen Genoss_innen Strafrabatt im Zeugenschutzprogramm zu erkaufen.

Auch wir in der Redaktion beobachten diese Entwicklungen und fragen uns, was aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt werden muss und wie ein konsequenter Antifaschismus mit feministischem Anspruch und antisexistischer Praxis in Zukunft gemeinsam entwickelt werden kann. Die Vielfalt der gleichzeitig zu diskutierenden Problemfelder (Repression, Täterschutz, Misogynie, Sexismus, Patriarchat, Männlichkeit, Militanz, Gewalt, Solidaritätsarbeit, Betroffenenschutz, Supportarbeit, politischer Verrat etc.) stellt uns vor eine enorme Herausforderung, deren Aufarbeitung sicher noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Das Überwinden der Repressionsstarre durch eine bloße Fokussierung auf die Notwenigkeit konsequenter antifaschistischer Intervention im Kampf gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck an sich erscheint uns dabei als unzureichend, ohne die sexistischen und patriarchalen Mechanismen und ihre Auswirkungen näher zu beleuchten.

(Militanter) Antifaschismus ohne gelebten Antisexismus stellt offensichtlich ein Problem dar. Natürlich sollten alle Menschen die Möglichkeit bekommen Fehler zu erkennen, zu reflektieren und sich zu verändern. Personen in einer Bezugsgruppe müssen hierbei von der Ernsthaftigkeit der Aufarbeitung und Veränderung überzeugt sein. Denn vom bewussten Verrat an zwischenmenschlichen und politischen Mindeststandards im Bereich Antisexismus ist es kein großer Schritt mehr zum egoistischen Verrat im Bereich Repression. Wenn eine Person in dem einen Feld rücksichtslos agiert kann im Fall ernster Repression kaum Solidarität als Grundwert vorausgesetzt werden.

Umso mehr freuen wir uns über einen ersten Diskussionsbeitrag zur „Aufarbeitung des patriarchalen Ist-Zustands“, der erste wichtige Vorschläge darüber liefert, wie eine pro-feministische Aufarbeitungspraxis für Fälle von sexueller Diskriminierung und Gewalt aussehen kann und wie antipatriarchale Ansprüche zukünftig in der politischen Arbeit umgesetzt werden können, um patriarchale Gewalt in linken Strukturen zu verhindern.

Ein zweiter Beitrag beschäftigt sich mit den negativen Folgen von politischem Verrat, der sich für die Verräter, anders als vom Staat versprochen, am Ende doch nicht zu lohnen scheint. Gerne möchten wir dazu anregen, weitere Beiträge zu den aufgeworfenen Diskussionsfeldern an uns zu senden.