Skip to main content

"Hooligans gegen Salafisten" in Köln

Jana Westermann und Oliver Dehn
Einleitung

„Hier sind nicht nur Nazis!“ - über die rechtsradikalen Hooligan-Ausschreitungen in Köln

Es deutete sich bereits im Vorfeld an, dass die Demonstration der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa), einem losen, vereinsüberschreitenden Zusammenschluss von Hooligans und Fußballfans sowie verschiedenen rechten Akteur_innen, nicht einfach nur eine Veranstaltung „gegen Salafismus“ werden sollte. Auf Facebook kündigten über 7000 Personen ihr Kommen an, rund 5000 waren es dann tatsächlich – was wohl etwas mehr als erwartet, aber dann doch nicht vom Himmel gefallen war. Die Polizei hingegen ging von etwa 1500 Personen aus und richtete ihr Konzept, wie auch immer das aussah, nach dieser Personenzahl aus. Dass diese Demonstration in offener Gewalt und der wohl größten Machtdemonstration der extremen Rechten der letzten Jahre endete, war zumindest ein Stück weit vorhersehbar.

Foto: Faszination Fankurve

Am Kölner Hauptbahnhof kommt es nach Auflösung der Demonstration zu Auschreitungen zwischen rechten Hooligans und der Polizei

Bereits Stunden vor Veranstaltungsbeginn zeichnete sich ein erschreckendes Bild: große Gruppen von aggressiven und aufgedrehten Hooligans und Neonazis liefen ohne sichtbare Polizeipräsenz ungestört im Bahnhofsgebäude herum. Reisende, darunter viele Migrant_innen oder als links Identifizierte, wurden beleidigt, bedroht und bedrängt. Dass es nicht bereits hier zu schlimmeren Vorfällen kam, scheint purer Zufall zu sein.

Gegen 15.00 Uhr war dann der Breslauer Platz derart gefüllt, dass die Polizei den Kundgebungsbereich auf die umliegenden Straßen ausweiten musste. Dicht an dicht drängten sich Demonstrant_innen aus den unterschiedlichsten rechten Milieus. Das Spektrum reichte von extrem rechten Hooligan-Gruppen, etwa der „Borussenfront“ und rechtsradikalen Parteien wie der NPD oder „Der 3. Weg“, über neurechte Gruppierungen, wie der Bewegung der „Identitären“ bis hin zu organisierten Neonazis, wie z.B. Mitgliedern der Gruppe „Freies Netz Hessen“. Auch zu sehen waren migrantische Rechte, Zugehörige der Partei „Die Rechte“, wie der unter dem Namen „SS-Siggi“ bekannt gewordene Siegfried Borchhardt, und Mitglieder von Pro-Gruppen. Diese krude Zusammensetzung ignorierend, fühlte sich dennoch jemand berufen von der Bühne verlautbaren zu lassen, dass „hier nicht nur Nazis“ seien.

Es folgten einige wahllose Redebeiträge in denen die Sorge vor einer Scharia in Deutschland und Enthauptungen in Europa kundgetan wurden. Dann betrat unter lautstarkem Jubel mit der Rechtsrockband „Kategorie C“ der langersehnte Special Guest die Bühne und gab den eigens für den Anlass gedichteten Song „Hooligans gegen Salafisten“ sowie andere Klassiker, wie „So sind wir“ und „HaHoHe“, inklusive der Zeile „Fußball ist Fußball und Politik bleibt Politik“, zum Besten. Das Letzteres nicht so ganz stimmt wurde dann im weiteren Verlauf deutlich. Einträchtig unter wehenden „Klaget nicht, kämpft“- und Deutschlandfahnen gröhlte das Publikum neben den etwas einfältigen Liedtexten rassistische Parolen und zeigte hier und da auch mal einen Hitlergruß. Hier wird noch einmal die Bedeutung der Band „Kategorie C“ deutlich, welche als Bindeglied zwischen rechten Fußballfans, Hooligans und der extremen Rechten fungiert.

Auf die Anweisung der Polizeikräfte hin wurde der Presse ein Platz in der Nähe des Polizeilautsprecherwagens zugewiesen. An dieser Informationsstelle standen etwa 20 Pressevertreter_innen teilweise mit Kameras in der Hand in Mitten der Demonstrationsteilnehmer, die laut „Lügenpresse halt die Fresse“, „Die Presse lügt“ und „Wir kriegen euch alle“ schrie und vereinzelt Journalist_innen attackierte und verletzte. Einen gesicherten Bereich, ob für Passant_innen, Reisende oder Journalist_innen, gab es nicht. Die Auftaktkundgebung lief mit loser Absperrung und ohne gesicherte Trennung von rechten Hooligans und vereinzelten Antifaschist_innen ab.

Einige Zeit später setzte sich dann der Demonstrationszug unter „Wir wollen keine Salafistenschweine“-Rufen und klassischen Naziparolen, wie „Frei, sozial und national“ in Bewegung. Er kam jedoch nur wenige hundert Meter weit, da eskalierte der Aufzug bereits. Die Demonstrationsteilnehmer_innen griffen ein asiatisches Restaurant an, zerstörten Autos, und attackierten Journalist_innen. Die Polizei, von der Situation zunehmend überfordert, ging mit Pfefferspray, Schlagstöcken und Wasserwerfern gegen den rassistischen Mob vor; es kam zu zahlreichen Verletzten. Die Polizei erklärte die Demonstration von da an für aufgelöst, entschied jedoch dann die Menge gesichert zum Hauptbahnhof zurück zu begleiten. Angesichts der aggressiven Stimmung entlud sich am Breslauer Platz erneut das gewalttätige Potential der Menge. Ein Polizeiwagen wurde umgestoßen, Scheiben des Bahnhofes zerstört, es folgte ein erneuter Einsatz mit Wasserwerfern und es wurden bis zu 800 Personen in einem Kessel festgehalten. Gegen halb sieben entließ die Polizei die letzten Rechten ohne jegliche Identitätsfeststellung in alle Richtungen, was zu weiteren Bedrohungsszenarien gegen Journalist_innen oder Antifaschist_innen im Kölner Hauptbahnhof und Umgebung führte. Bis in die Abendstunden zogen aggressive Gruppen durch das gesamte Stadtgebiet um Passant_innen anzupöblen oder Jagd auf vermeintlich Andersdenkende zu machen.

Erklärungsversuche die Aktivist_innen der Demonstration lediglich als stark alkoholisierte Hooligans einzuordnen greifen jedoch völlig zu kurz. Ein Tweet merkte hierzu treffend an: „Es reicht ja aus zu erwähnen das die Nazis betrunken waren, morgen sind sie nüchtern und immer noch Nazis. #Qualitätsjournalismus #nohogesa“ (https://twitter.com/drkrausmeister/status/526480348742684674)

Die Zusammensetzung der Demonstration war keineswegs homogen und durch einfache Klischeevorstellungen eines glatzköpfigen Neonazis zu erklären, wie es derzeit in einigen Presse-Artikeln vorgegeben wird. Zwar dominierte das Bild des Neonazi-Hooligans mit Neonazi-Marken und -Codes, jedoch fanden sich auch Personen, die optisch eher dem rechtsoffenen Fußballfan ähnelten oder sogar gar keine Verbindung zu Fußball- oder Neonazi-Spektren aufzuweisen schienen. Dies unterstrichen auch die (zugegebenerweise sehr wenigen) kritischen Stimmen während der Veranstaltung, die die Angriffe auf Journalist_innen oder Migrant_innen als taktisch falsch bezeichneten und sich sogar von der Demo entfernten. Die Demoleitung versuchte mehrfach beschwichtigend auf die Versammlung einzuwirken und begründete dies per Lautsprecher damit, dass die Hooligans lediglich „etwa 2500 Mann“ ausmachen würden, während politische Erfolge nur „mit den ganz normalen Bürgern“ und „deren Spielregeln“ zu erreichen wären.

Der Text des Songs „Hooligans gegen Salafisten“ von „Kategorie C“ steht beispielhaft für das einfache, rassistische Weltbild, das sich bereits im Vorlauf der Veranstaltung in den Facebook-Gruppen und bei der Demonstration selbst herausstellte: in typisch rassistischer Manier wird vor der Gefahr des Islam und „der Muslime“, einem islamischen „Gottestaat“ in Deutschland und der „Kreuzigung“ von Andersdenkenden gewarnt. Ob die Zeile, dass „die Schattenwelt in der BRD“ „von Allahs bärtigen Männern regiert“ würde eine krude Verbindung von antisemitischen Verschwörungstheorien und antimuslimischen Rassismus darstellt, oder die rassistsche Vorstellung einer migrantischen „Parallelwelt“ aufgreift, bleibt offen. Die Lösung der vermeintlichen Probleme mit „dem Islam“, Muslim_innen und dem Salafismus wird gleich mitgeliefert: nur die Hooligans können gemeinsam das Schweigen der Medien und der untätigen Regierung brechen. Als Avantgarde schreiten sie voran, sodass die Massen dann einfach nur hinterherlaufen müssen, um gemeinsam „unsere Familie“, „unser Volk“ oder „unsere Kinder“ zu retten.

Vom ursprünglichen Anmelder Dominik Roeseler, seines Zeichens Ratsherr für ProNRW in Mönchengladbach und für seine Rolle als stellvertretener Regionalleiter West von HoGeSa sowie Teilnehmer und Demoanmelder vergangener HoGeSa-Demos bereits bundesweit in die Kritik geraten, distanzierte sich die Gruppe etwa eine Woche vor dem Treffen noch halbherzig. Denn trotz Distanzierung von ihm als Parteifunktionär ließ die HoGeSa es sich nicht nehmen, Roeselers Verdienste für die Gruppe und die grundsätzliche Kameradschaft mit ihm als Person zu betonen. Die Kritik kam jedoch nicht nur aus den Medien: auch das „Präsidium“ der islamfeindlichen, extrem rechten „Bürgerbewegung ProNRW“ verkündete, man distanziere sich von jeglicher „Zusammenarbeit mit Hooligans und anderen gewaltbereiten oder extremistischen Gruppierungen“ und habe mit deren Versammlungen nichts zu tun. Im Nachhinein distanzierte sich ProNRW noch schärfer und bezeichnete den Sonntag in Köln als „Traurigen Tag für die seriöse Islamkritik“, was trotzdem nichts an der Tatsache ändert, dass einige ihrer Mitglieder in Köln mitmarschierten.
Als einer der Organisatoren der Demonstration trat letztendlich der Neonazi Andreas „Kalle“ Kraul aus Herne in Erscheinung, der auf Facebook keinen Hehl aus seiner neonazistischen Gesinnung macht.

Trotz des Bezugs der „HoGeSa“ auf „christlich-abendländische Werte“ und "dem deutschen Vol"k gegenüber "dem unaufgeklärten, barbarischen Islam", der in der bürgerlichen Mitte genau so artikuliert wird, ist offensichtlich, dass die Sympathien für diesen Zusammenschluss gegen null gehen, selbst bei vermeintlich „islamkritischen“ Akteur_innen, wie der „Alternative für Deutschland“ oder bürgerlich-konservativen Medien. Hier gilt die Hooligankultur weithin als „primitiv“ und wird gesellschaftlich ausgegrenzt. Zwar sind hier wohl eher keine offenen Bündnisse zu erwarten, inhaltlich begünstigt der aktuelle Hooligan-Vorstoß die bürgerlichen Rassist_innen jedoch umso mehr. Die Verschärfung des antimuslimischen Rassismus wird also nicht nur durch das Aufkommen des Salafismus begünstigt, sondern gerade auch durch extrem-rechte Erscheinungen.

So wird der Kampf gegen den Islam unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Salafismus zum einenden Band zwischen sich gemäßigt gebenden Rassist_innen, der extremen Rechten und sich sonst möglichst unpolitisch gebenden Fußballfans. Daraus wird vor allem die extreme Rechte deutlich gestärkter hervorgehen, als derzeit vorstellbar ist – genauso wenig, wie die Auswirkungen, die das auf für sie als minderwertig empfundenes Leben haben wird. Wie es mit der HoGeSa weitergeht, ist dahingehend derzeit unklar. Eine Demoankündigung für Hamburg und Berlin, im Rahmen der rechten „Friedensmahnwache“, hat bereits über 3000 Zusagen auf Facebook.

Was bereits seit einigen Wochen immer offensichtlicher wurde bestätigte sich in Köln: die „Hooligans gegen Salafisten“ stehen für eine eine stramm rechte, rassistische und antimuslimische Mobilisierung, die Neonazis und Hooligans im Kampf um das „deutsche Volk“ vereint. Dass sie damit ein Ergebnis einer durchweg rassistischen Gesellschaft ist, die nicht müde wird ihre Feindschaft mit dem Islam hervorzuheben und muslimische Menschen ausgrenzt, macht die Empörung der bürgerlichen Parteien und Gesellschaft nur noch absurder. Letztendlich ist der Antrieb der „HoGeSa“ kaum ein anderer als derjenige, der durch rassistische Mobilisierung gegen Geflüchtete, gegen den Bau einer Moschee oder den Wahlerfolgen der „Alternative für Deutschland“ seinen Ausdruck findet: Rassismus und Nationalismus.

Als am späten Abend ein junger Mann schrecklich klischeehaft mit Glatze, Böhse Onkelz-Bomberjacke und Springerstiefeln Deutschlandflaggen-schwenkend über die Domplatte stolzierte und „Oh, wie ist das schön, sowas hat man lange nicht gesehn“ sang, war es ganz deutlich zu sehen: der Stiernackennazi artikuliert seine Hetze wieder ganz offen und selbstbewusst auf der Straße. Dies ist der Vorarbeit einer reaktionären, rassistischeren Gesellschaft zu verdanken. Die Tatsache, dass es an diesem Tag nicht zu Pogromen kam, ist lediglich dem glücklichen Zufall geschuldet, dass um den Hauptbahnhof kein passendes Ziel ausfindig gemacht werden konnte.

Bereits im Vorfeld von "HoGeSa" in Köln und Dortmund hat das Antifschistische Infoblatt in dem Artikel „Patriotisches Menschenmaterial“ die Entstehung dieses rechten Hooligan-Netzwerkes analysiert.