Flüchtlingsunterkünfte in Tostedt
Als im Jahr 2010 organisierte Neonazis in die Wohnungen von Antifaschist_innen eindrangen und mehrere Menschen zum Teil schwer verletzten, stellte dies keinen Einzelfall rechter Gewalt dar, sondern reihte sich ein in den Alltag des niedersächsischen Tostedt. Die Tostedter Neonazi-Szene gilt als eine der gewaltbereitesten in Deutschland. Zwar nahmen rechte Aktivitäten in und um den Ort in den letzten zwei Jahren ab, trotzdem bestehen noch immer ein hohes Mobilisierungspotenzial und eine uneingeschränkte Gewaltbereitschaft seitens der Neonazis. Zudem sind Neonazis, wie der wegen Totschlags verurteilte Stefan Winkler (ehem. Silar), fest in die 13.000 Einwohner_innengemeinde integriert und in Schützen- und Sportvereinen oder der Feuerwehr vertreten.
Im Zuge der Hochphase rechter Angriffe auf alternative Jugendliche, die letztendlich zu den Adressat_innen staatlicher Repression wurden, formulierte der ehemalige Polizeisprecher der Samtgemeinde eine Position, die viele Ortsansässige teilten: „Tostedt ist bunt und Braun ist auch eine Farbe“. In genau dieser Gemeinde sollen nun insgesamt 161 Asylbewerber_innen in zwei Containerdörfern untergebracht werden. Dieses, sich aktuell realisierende Vorhaben, stieß ab der ersten Stunde auf Protest. Im Februar 2014 erschienen der rechte Nachwuchskader Kevin A. und weitere Mitglieder der Kameradschaft „NW Tostedt“ auf einer internen Informationsveranstaltung zu den Unterkünften und äußerten ihren rassistisch motivierten Unmut. Vierzig weitere Neonazis warteten vor dem Veranstaltungsgebäude. Es folgten eine Onlinepetition gegen die Unterkünfte, die mittlerweile mit 242 Stimmen beendet ist, und die Gründung einer „Bürgerinitiative Tostedt“, die rassistische Texte im Internet verbreitet. In sozialen Netzwerken ist diesbezüglich von „kriminellen Negern“ und „Zigeunern“ die Rede, gegen die es sich „illegal zu bewaffnen“ gilt. Erfahrungsgemäß ist zu befürchten, dass zukünftige Übergriffe von Neonazis auf die Geflüchteten von der Gemeinde bzw. der Polizei entpolitisiert werden, oder Vorfälle absichtlich nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Ein Grund mag die mangelhafte Auseinandersetzung mit der immer noch vorhandenen Neonazi-Problematik sein, ein anderer der rassistische Hegemonie in der Dorfgemeinschaft (Vgl. AIB Nr. 99).