Neonazi-Laden in Tostedt vor dem Aus?
Seit mehr als einem Jahr rückt die antifaschistische Kampagne »Landfriedensbruch« die Tostedter Neonazi-Szene und insbesondere den von Stefan Silar betriebenen Szene-Laden »Streetwear Tostedt« verstärkt in den Fokus. Nach einigem juristischen Tauziehen sollte der größte Neonazi-Laden in Norddeutschland nun eigentlich schließen, tatsächlich ist aber auch diese Entscheidung noch nicht endgültig.
Pfingsten 2010 kam es im Rahmen einer antifaschistischen Spontandemonstration zu Auseinandersetzungen mit Tostedter Neonazis. Nachdem eine kleinere Gruppe Neonazis die Polizeikette vor dem Laden durchbrochen hatte, ging Stefan Silar mit einem gezogenem Messer auf Antifaschist_innen los. Als die Spontandemonstration zum Bahnhof zurückging, folgten die Neonazis. Der Betreiber des rechten Szene-Ladens, immer noch bewaffnet, konnte von der Polizei erst mit vorgehaltener Pistole gestoppt und festgesetzt werden. Für diese Aktion wurde er im September diesen Jahres vom Amtsgericht Tostedt wegen »gefährlichen Landfriedensbruch« zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten ohne Bewährung verurteilt.
Doch einem erneuten Gefängnisaufenthalt wollte der u.a. wegen Totschlags verurteilte Silar wohl unbedingt entgehen und auch die Justiz schien schnell das Interesse zu verlieren. Nach dem Berufungsprozess vor dem Landgericht Stade stand fest, dass Silar die Haftstrafe nicht antreten muss. Grund hierfür – ein Angebot des Verteidigers. Der Angeklagte legt ein umfangreiches Geständnis ab und ist bereit den Neonazi-Laden binnen drei Monaten zu schließen. Nicht nur, dass der vorsitzende Richter sich darauf einließ, er senkte auch gleich das gesamte Strafmaß mit einer absurden Begründung. Während Staatsanwaltschaft und Amtsgericht das mitgeführte Messer als Grund für den Vorwurf eines schweren Landfriedensbruchs werteten, verwies das Gericht darauf, dass Silar das Messer erst nach Überwindung der Polizeikette zog und keine Polizist_innen, sondern Antifaschist_innen damit bedrohte. Silar konnte das Gericht mit einem Urteil von neun Monaten auf fünf Jahre Bewährung verlassen.
Dass sich das Gericht in diesem Falle wieder einmal verrechnet hat, zeigt u.a. die Tatsache, dass er gegen das Urteil bereits Rechtsmittel eingelegt hat. Die lokale Antifa-Szene sieht sich zudem seit einigen Wochen wieder vermehrten Angriffen ausgesetzt. Doch hat die Kampagne »Landfriedensbruch« schon kurz nach dem Urteil klargestellt, dass es sich im Umgang mit Neonazis um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt, das nicht weggesperrt werden kann, sondern der aktiven Auseinandersetzung bedarf. In diesem Sinne soll der Aufbau einer antifaschistischen Jugendkultur unterstützt und sich Räume angeeignet werden.