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Hamburgs Polizei als politischer Akteur

Einleitung

Hamburgs Polizei präsentiert sich als moderne Großstadtpolizei, die als Dienstleister des demokratischen Gemeinwesens die Sicherheit aller Bürger_innen im Blick hat. Der steigende Anteil migrantischer Polizist_innen bzw. Frauen in Führungspositionen werden medial als Zeichen progressiver Personalpolitik präsentiert, mit Twitterkampagnen gibt man sich fortschrittlich und weltoffen.

Bild: Screenshot twitter; zecko

Gegen den rechtswidrigen Einsatz von verdeckten ErmittlerInnen richtete sich ein Plakat an der Roten Flora in Hamburg bis es von Polizeikräften unkenntlich gemacht wurde.

Hinter dieser PR-Fassade existiert ein institutionelles Handeln, das in ungebrochener Tradition eines jahrzehntelangen reaktionären und von Ressentiments geleiteten Denken steht, wie die nachfolgend schlaglichtartigen Episoden zeigen: Wie auch andere Dienststellen verkannte die Hamburger Polizei den rassistischen Hintergrund des NSU-Mordes an Süleyman Tasköprü und ermittelte nur im persönlichen und sozialen Umfeld des Opfers. Tasköprü wurde in den polizeilichen Akten des Hamburger LKA in Ermittlungsvermerken gar als „Schmarotzer“ diffamiert. In der späteren bundesweiten Ermittlungsgruppe „Bosporus“ widersprachen die Hamburger Ermittler ausdrücklich einer Fallanalyse, die ein rassistisches Motiv für möglich hielt.

Der ehemalige Chef des LKA Drogendezernats, Thomas Menzel, war maßgeblicher Befürworter der Brechmitteleinsätze in Hamburg Anfang der 2000er Jahre mit der Vergabe von Ipecacuanha-Sirup an verdächtige Dealer als polizeiliche Maßnahme. Ohne Brechmittel hätte eine offene Drogenszene nicht aufgebrochen werden können, begründete Menzel in einem Interview gegenüber der Tageszeitung WELT seine robuste Einsatzphilosophie. Obwohl dann 2002 der 19-jährige Nigerianer Achidi John bei einem Brechmitteleinsatz um Leben kam und 2006 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Brechmittelvergabe als Folter deklarierte, zeigt sich Menzel noch heute unbelehrbar. Wegen des Verbots der Brechmitteleinsätze habe man wieder Probleme mit der Drogenszene und Menzel erklärt: „Mit dem Saft wären wir heute deutlich weiter.

Einer solchen Polizeiarbeit sieht sich offensichtlich auch Polizeidirektor Enno Treumann verpflichtet, der zwar ohne Brechmitteleinsätze, aber mit anderen brachialen Methoden die „öffentlich wahrnehmbare Drogenkriminalität“ bekämpft. Die Stürmung von alternativen Wohnprojekten wie im Juli 2016 in diesem Zusammenhang sind da fast noch die geringsten Auswüchse. Wenn ein Herkunftsdeutscher mit geringfügigen Mengen von Marihuana erwischt wird, bleibt dies wegen der Unterstellung von „Eigenbedarf“ strafrechtlich weitestgehend folgenlos. Für einen Schwarz­afrikaner bedeutet der gleiche Tatbestand meist eine unverhältnismäßige mehrmonatige Untersuchungshaft, an deren Ende lediglich eine Geldstrafe oder eine kurze Freiheitsstrafe auf Bewährung steht. Solch ein struktureller und institutionalisierter Rassismus bestimmte im Sommer 2013 in Hamburg-Altona Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und im Stadtteil lebenden Jugendlichen. Die Polizei hatte massive Präsenz gezeigt und junge Bewohner, denen die Beamten einen „Migrationshintergrund“ zuschrieben, dort exzessiv kontrolliert. Im Nachgang behauptete sie, dass es im Stadtteil zu Straftaten einer Jugendgang gekommen sei und zeichnete ein unzutreffendes Bild der dortigen Situation. Die Lokalpresse sekundierte mit Berichten über Krawalle und bezeichnete den Stadtteil als „Stolperviertel“. Dieser bis dahin unbekannte Begriff erwies sich als Versuch, das Bild eines von Migranten beherrschten gefährlichen Raumes zu etablieren. Aufklärung über die Motive der Polizei lieferte Gerhard Kirsch von der Gewerkschaft der Polizei, der erklärte „Meine Kolleginnen und Kollegen haben das auszubaden, was eine verfehlte Integrationspolitik angerichtet hat.“ Proteste sorgten dafür, dass die Polizei ihre Maßnahmen zurückfahren musste, da die Politik das Vorgehen auch nachträglich nicht legitimierten wollte.

Diese polizeiliche Selbstermächtigung zur autoritären Disziplinierung von gesellschaftlichen Grup­pen oder politischer Proteste funktioniert in Hamburg sonst unhinterfragt. Regelmäßig wird das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit für linke Gruppen beschnitten und im Dezember 2013 sogar für zehntausend Demonstrierende suspendiert, indem die Polizei durch eine Vorort-Verfügung alternativlos die Versammlung zum Erhalt der Flora auflöste. Das dahinterstehende Rechtsverständnis offenbarte der damalige Polizeiführer Born in einer Sondersitzung des Innenausschusses im Januar 2014. Bei einer Versammlungsanmeldung linker Gruppen werde routinemäßig geprüft, ob die Versammlung verboten werden könne. Sei dies nicht möglich, prüfe man beschränkende Auflagen. Das rechtsstaatliche Gebot, dass die Polizei eigentlich Veranstalter bei der Wahrnehmung ihres Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit unterstützen soll, ist der Polizeiführung offenbar unbekannt. Konsequent hat der mit der Einsatzleitung in den letzten Jahren vertraute Polizeiführer Hartmut Dudde reihenweise Entscheidungen des Verwaltungsgerichts kassiert, die Duddes Auflagen, Maßnahmen und Auflösungsverfügungen gegenüber angemeldeten Versammlungen für rechtswidrig erklärt hatten.

Das hat aber weder Politiker noch die Innenbehörde bekümmert, die rechtswidrigen Praktiken sind für die verantwortlichen Polizeiführer folgenlos geblieben. Die Einrichtung des eines Gefahrengebiets in Hamburg 2014 ist ein weiterer Beleg für das politische Eigenleben der Polizei. Gerechtfertigt wurde die allein auf Initiative der Polizei initiierte Sonderrechtszone mit einem angeblich gezielten Angriff auf die Davidwache. Recherchen von Journalisten und einem Rechtsanwalt legten den Schluss nahe, dass ein solcher nie stattgefunden hatte. Bedenklich ist in diesem Zusammenhang, dass die Föderalismusreform den Ländern seit einigen Jahren die Schaffung eigener Versammlungsgesetze zugesteht. Das einigermaßen grundrechtsorientierte Bundesversammlungsgesetz wird, wie die Versammlungsgesetze u.a. in Bayern und Sachsen zeigen, ausgehebelt. Gemeinsam ist den neuen Landesversammlungsgesetzen vor allem die an polizeilichen Interessen der Gefahrenabwehr und Kontrolle orientierte Ausgestaltung. Versammlungen werden als Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung betrachtet, denen die Polizei mit erweiterten repressiven Befugnissen begegnen soll. Die restriktive Gestaltung der Länderversammlungsgesetze ist bei der Disziplinierung sozialer Proteste von besonderer Bedeutung. Normalerweise wird dieses „protest policing“ im Kontext des Frage diskutiert, ob die Polizei autarker Akteur ist oder Herrschaftsinstrument der Politik.

Eine Unabhängigkeit von der Politik beschreibt das Ideal einer von äußerer Einflussnahme freien Polizeiarbeit, die allein an rechtsstaatliches Handeln gebunden ist. Doch die neuen Versammlungsgesetze werden von den Länderpolizeien dankend für eigene Konzepte der Disziplinierung von linken Protesten aufgenommen. Sowohl im Zusammenhang mit den Stuttgart21-Protesten und der Behinderung der Frankfurter Blockupydemonstration im Juni 2013 als auch bei der alternativlosen Auflösung der Demonstration zum Erhalt der Roten Flora erwies sich, dass das polizeilichen Handeln politische Ziele verfolgt und sich von rechtsstaatlicher Kontrolle unbeeindruckt zeigt.

Entsprechend düster dürften die Aussichten für das Agieren der Polizei anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg ausfallen. Gesamteinsatzleiter wird dann übrigens Hartmut Dudde sein. Für die Existenz rechtsfreier Räume bei der Hamburger Polizei spricht auch der extensive Einsatz von Verdeckten Ermittler in der linken Szene, denen Verwaltungsgerichte bereits die Rechtswidrigkeit attestiert haben. Innerhalb von anderthalb Jahren sind drei verdeckte Ermittlerinnen enttarnt worden. Ihr Einsatz ist Beleg dafür, dass die Hamburger Polizei strukturell rechtswidrig agiert. Formal dienten die verdeckten Einsätze entweder zur Aufklärung konkreter Straftaten von erheblicher Bedeutung oder zur Abwehr unmittelbar bevorstehenden Gefahren. In Hamburg hat es dafür das Instrument des Beamten für Lageaufklärung (BfL) gegeben. Diese konnte sich die Polizei selbst genehmigen und ohne Beteiligung weiterer Instanzen verdeckt einsetzen. Egal welche formalen Rechtfertigungen in den letzten Jahren kreiert wurden, dienten sie dazu, der Polizei eine nicht rechtmäßige geheimdienstliche Ausforschung von politischen Strukturen zu ermöglichen, unabhängig von der Aufklärung oder Verhinderung von Straftaten. Die Rechtsgrundlagen waren so haltlos, dass die Einsätze von Iris P. und Maria B. bereits von Gerichten als rechtswidrig erklärt wurden, eine Klage in Sachen Astrid O. wird gerade vorbereitet.