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Ermittlungziel Hausdurchsuchung

Einleitung

Vom Rechtsverständnis des Berliner LKA

Die Berliner Polizei genießt bundesweit nicht gerade einen guten Ruf in Bezug auf das Einhalten und Abwägen von Grundrechten, wenn es um das Vorgehen gegen AntifaschistInnen geht. Neben einigen Einsatzhundertschaften, die sich regelmäßig durch Gewaltexzesse gegen DemonstrationsteilnehmerInnen hervortaten, sind es insbesondere immer wieder Beamte des Berliner Landeskriminalamts (LKA),  die fast alle Hemmungen fallen lassen, wenn es gegen AntifaschistInnen und Linke geht. Ein besonders drastischer Fall von Rechtsbrüchen und schikanösem Vorgehen lässt sich (und das ist eher die Ausnahme) anhand der Ermittlungsakte eines eingestellten Verfahrens nachzeichnen.

Der Stein des Anstoßes war ein Ermittlungsverfahren gegen einen Berliner Antifaschisten, dem zur Last gelegt wurde, einen Berliner Neonaziladen mit Farbe beschmiert zu haben. Bei der im Laufe der Ermittlungen wegen Sachbeschädigung durchgeführten Hausdurchsuchung wurde neben einigen Aufklebern auch ein Plakat mit Fotos von diversen Berliner Neonaziaktivisten aufgefunden. Die Fotos konnte man dabei herausschneiden und als Memory-Spiel verwenden. Dieses Plakat reichte aus, um die Maschinerie des Berliner LKA ingangzusetzen. So leitete der ermittelnde Beamte des LKA ein Verfahren gegen Unbekannt wegen Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz ein.

Bereits die Einleitung dieses Verfahrens zeigte jedoch das dreiste Vorgehen der Beamten, da ein derartiger Verstoß ein Antragsdelikt ist und nicht von Amts wegen ermittelt werden darf. Nichtsdestotrotz ergeben sich für das LKA gleich diverse Ermittlungsansätze und ein konkreter Verdacht, denn die »Qualität der Aufnahmen sowie das gesamte Layout des Plakats lassen den Schluss zu, dass es sich bei den Fotografen um Personen handeln dürfte, die zum einen mit einer professionellen Fotoausrüstung unterwegs sind, und zum anderen um Personen, die an der Namhaftmachung politisch mißliebiger Personen ein gesteigertes Interesse haben«.

Besonders auffallend ist bereits in diesem Stadium der Ermittlungen, dass sich der Ermittlungseifer der Krimalpolizisten nicht etwa gegen die Urheber des Plakates, sondern – ohne jede Begründung – gegen die Fotografen, die die Fotos geschossen haben sollen, richtet. Auch dies mutet äußerst befremdlich an und wäre wohl kaum durch das Kunsturhebergesetz gedeckt. Doch für das LKA kommt mit diesem Ansatz zusammen, was zusammen gehört, schließlich kennt man diverse Journalisten, die man immer mal wieder am Rande von Demonstrationen antrifft und die den Beamten von je her suspekt schienen. Schließlich »[..] war in der Vergangenheit immer wieder zu beobachten, wie Personen, die dem äußeren Anschein nach der linken/linksextremistischen Szene zuzuordnen sind, gezielt Aufnahmen von Versammlungsteilnehmern der rechten Aufzüge anfertigten.« Da dieses Verdachtsmuster jedoch auch auf viele Berliner Lokaljournalisten zutreffen würde, hat sich das LKA ein weiteres Kriterium geschaffen, um »gute« von »bösen« Journalisten unterscheiden zu können – nämlich den Arbeitseifer: »Die zu beobachtende Vehemenz bei der Aufnahmenfertigung übersteigt nach allgemeiner Lebenserfahrung die journalistische Neugier bei weitem.«

Nachdem das Täterprofil klar umrissen war, brauchte es nur noch Verdächtige, um den Apparat vollends in Bewegung zu setzen. Da sich auf dem Plakat kein Urheberhinweis befand, musste eine andere Strategie her: Es wurden kurzerhand auf dem nächsten Neonaziaufmarsch in Berlin alle Fotojournalisten mit professioneller Ausrüstung und oben beschriebenem Verhalten kontrolliert und zu Verdächtigen erklärt, immerhin 26 Personen, von denen sich die überwiegende Mehrheit mit Presseausweisen als Journalisten zu erkennen gab. Sechs dieser Personen wählte man als besonders Verdächtige aus und führte das Verfahren gegen sie fort. Weitere sechs Personen wurden aus einer anscheinend beim Berliner LKA geführten Datei über Fotojournalisten hinzugenommen.

Über diese zwölf Personen wurden nun erstmal alle kriminalpolizeilichen und LKA-Internen Erkenntnisse zusammengetragen. Außerdem wurden alle Wohnanschriften zusammengetragen sowie versucht die Arbeitsstätten der Betroffenen zu ermitteln. Da die Berliner Polizei aber eher misstrauisch zu sein scheint, wurde den ermittelten Wohnanschriften nicht getraut und eine Observation aller Beschuldigten angeordnet. Natürlich ohne richterlichen Beschluss. Dabei wurde dann ermittelt, dass einige der Beschuldigten an ihren Meldeanschriften zu wohnen scheinen, andere wiederum jedoch nicht. Allerdings konnte von diesen auch nicht die vermeintlich Echte Wohnanschrift ermittelt werden. Dafür waren wiederum andere Kollegen recht fleißig und starteten eine ausgiebige Internetrecherche. Zuerst durchsuchte man diverse Internetseiten nach den Fotos, die auch auf dem Plakat abgebildet waren und wurde teilweise fündig. Unter anderem bei Indymedia und diversen Bildagenturen. Dann besann man sich einer effektiveren Ermittlungsmethode: Man tippte die Namen der Verdächtigen einfach bei Google ein und förderte folgendes zu Tage: Einige der Verdächtigen arbeiten in der Medienbranche, z.B. bei Taz, Jungle World, RTL oder sind gar Inhaber von Fotoagenturen oder Medienwebsites. Einer der Verdächtigen soll sogar gewählter Delegierter eines FDP-Ortsverbandes sein, ein anderer wiederum scheint bei einem Stromkonzern beschäftigt. Spätestens hier hätte dieses Verfahren nach allen Maßstäben der Verhältnismäßigkeit und des allgemeinen Menschenverstandes eingestellt werden müssen.

Nicht jedoch beim Berliner LKA. Nach fünfmonatiger Ermittlungsarbeit, die sich ausschließlich auf Personalienkontrollen von mit Presseausweisen akkreditierten Journalisten, sowie das Eintippen von deren Namen in das Suchfeld von google.de beschränkte, kam man zu dem Schluss, dass es nun an der Zeit wäre, das Mittel einzusetzen, welches Kern vieler beim LKA beheimateter Verfahren gegen AntifaschistInnen ist: die Hausdurchsuchung. Obwohl wegen des hier beschriebenen Sachverhalts von Amtswegen gar nicht hätte ermittelt werden dürfen und obwohl keinerlei tragfähige Indizien oder gar ein hinreichender Tatverdacht gegen die beschuldigten Journalisten vorlag, beantragte das Berliner LKA für alle zwölf Fotografen und deren Arbeitsstätten (unter anderem RTL, Taz, usw.) einen Durchsuchungsbeschluss bei der Berliner Staatsanwaltschaft. Außerdem wurde angeregt, alle Personen langfristig verdeckt zu observieren, da ja bei einigen die Wohnanschrift nicht einwandfrei ermittelt werden konnte. Gefunden werden sollten bei den Durchsuchungen neben Datenträgern aller Art auch die Handys der Beschuldigten, was insofern verwundert, dass das Fotografieren mit Handys an sich ein vom LKA eingeführtes Abgrenzungsmerkmal zwischen Profis – die man ja suchte – und Amateuren ist.

Nach diesem Antrag bei der Staatsanwaltschaft folgte das für Berliner AntifaschistInnen sicherlich bemerkenswerteste an dem gesamten Verfahren: Der Antrag wurde abgelehnt. In knappen Worten stellte die Staatsanwaltschaft fest, dass weder eine Straftat vorliege, es sich weiterhin um ein Antragsdelikt handele und somit das gesamte Verfahren unverzüglich einzustellen sei. Desweiteren wurde dieser Beschluss noch mit einer Anmerkung versehen, die eine Ohrfeige für das Berliner LKA darstellen dürfte. So seien selbst wenn ein Anfangsverdacht vorgelegen hätte, was die Staatsanwaltschaft verneint, die angedachten Ermittlungsmethoden wie Hausdurchsuchungen und langfristige Observationen nicht durch die Strafprozessordnung gedeckt gewesen, da sie völlig unverhältnismäßig seien.

Auch wenn dieses Verfahren aus Sicht der Betroffenen noch einmal glimpflich und insbesondere ohne die Folgen von Hausdurchsuchungen und weiteren Repressionsmassnahmen ausgegangen ist, ist es dennoch bezeichnend für das Vorgehen des Berliner LKA. In diesem Fall wurde weder auf elementare Grundrechte von Beschuldigten Rücksicht genommen, noch wurde in irgendeiner Weise seriös ermittelt. Ziel dieser mit AntifaschistInnen befassten Abteilungen scheint Repression um jeden Preis zu sein. Selbst wenn wie im vorliegenden Verfahren Straftaten erst durch das LKA erfunden werden müssen, um dann auf deren Grundlage aktiv zu werden.

Bemerkenswert ist vor allem, wie unbehelligt durch Politik und Medien das LKA dabei vorgehen kann: Sind prügelnde Beamte aus geschlossenen Einsatzhundertschaften immer mal wieder eine Schlagzeile wert, scheint das LKA sich keinerlei öffentlicher Kontrolle aussetzen zu müssen. So verwundert es nicht, dass das Berliner LKA sich wohl eher als eine Art Geheimdienst mit ganz eigener Rechtsgrundlage, denn als Kriminalpolizei versteht. Hausdurchsuchungen werden häufig weniger zur Aufklärung von Straftaten, sondern als repressive Massnahme eingesetzt, um die Betroffenen einzuschüchtern und von ihrem politischem Engagement abzubringen. So dürfte auch dieses Verfahren trotz des für das LKA unrühmlichen Endes seine Wirkung nicht verfehlt haben: Bei einem der Beschuldigten wurden diese Ermittlungen in einem anderen Verfahren trotz ihrer Rechtswidrigkeit benutzt, um zu argumentieren, dass er ein Antifafotograf sei und damit eine Hausdurchsuchung zur Beschlagnahmung seiner Kameraausrüstung zu begründen und durchzuführen.