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PEGIDA als Durchlauferhitzer für rechten Bombenleger in Dresden

Einleitung

Ende Januar 2018 begann am Dresdener Landgericht der Prozess gegen den 31-jährigen Nino Köhler, u.a. wegen versuchten Mordes. Ihm wird zur Last gelegt, für eine Anschlagsserie in Dresden verantwortlich zu sein. 

Bild: Screenshot von vk.com

Der Bombenleger Nino Köhler.

Am Abend des 26. September 2016 explodierte vor einer Dresdner Moschee eine Rohrbombe. Noch in derselben Nacht detonierte ein weiterer Sprengsatz am Internationalen Kongresszentrum (ICC) in der Innenstadt, wo am 3. Oktober 2016 Teile der zentralen Einheitsfeierlichkeiten stattfinden sollten. In der Nähe wurden einige Tage später 14 täuschend echt aussehende Sprengstoffattrappen aufgefunden. In den darauf folgenden Monaten fanden sich an den Ufern der Elbe zwei weitere Sprengsätze, einer davon mit dem Schriftzug „LINKE“. Als der mutmaßliche Täter Nino Köhler Anfang Dezember 2016 festgenommen wurde, wurde in dessen Wohnung eine einsatzbereite Brandvorrichtung sichergestellt. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft.

Der gesellschaftliche und (bisherige) juristische Umgang mit der Tat ist zweischneidig. Einerseits wurde die Tat unverzüglich als rassistisch bzw. muslimfeindlich benannt und die betroffene Familie erfuhr eine breite Unterstützung, bis hin zu einem Treffen mit der Bundeskanzlerin. Jenseits dieser, auf kurze Zeit nach der Tat beschränkten, Solidarität ist die Anschlagsreihe jedoch aus dem Bewusstsein nahezu verschwunden. Die Rolle von PEGIDA in Bezug auf die Radikalisierung des Täters wird zwar aufgegriffen und durch die Generalstaatsanwaltschaft benannt, allerdings bleibt Köhler als regionaler Einzeltäter stehen. Dass darüber hinaus keine deutliche Thematisierung der „Staatsfeindlichkeit“ der Taten erfolgt, verwundert angesichts der Tatsache, dass die bundesweiten Einheitsfeierlichkeiten verhindern werden sollten. Zieht man Vergleiche zum staatlichen Umgang mit Personen, die unter Verdacht des islamistischen Terrors stehen, so wird offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen.

Vigilantistischer Terrorismus

Einen Analyseansatz der Taten bietet die Einordnung als „vigilantistischer Terrorismus“.  Demnach hat sich der Täter „nicht auf eine grundlegende Veränderung, sondern der Verteidigung des Status quo oder der Rückkehr zu angeblich besseren Verhältnissen (wie der „Volksgemeinschaft“) verschrieben.“1 Denn für den Vigilantismus ist es gerade wesenhaft, dass er sich „nicht primär gegen die Regierung und das politische System, sondern gegen bestimmte gesellschaftliche Gruppen richtet. Nur ausnahmsweise und in einer zweiten Sequenz, wenn die Regierung gemeinsame Sache mit den ‚Feinden‘ des Volkes macht oder gar in deren Hände gefallen zu sein scheint, nur dann glauben sich Rechtsradikale legitimiert, mit Gewalt gegen sie vorzugehen.“1 Eine solche Kategorisierung, die dann eben auch gewaltsam agierende „besorgte Bürger“ umfassen würde, ist bisher weder bei den Strafverfolgungsbehörden noch in der breiten gesellschaftlichen Debatte angekommen.

PEGIDA als Durchlauferhitzer

Der 31-jährige Lüftungsmonteur Nino Köhler wohnte nur wenige hundert Meter entfernt von der Moschee. Er lebte allein, war in einem Fußballverein aktiv. Am 13. Juli 2015 ­— mithin über ein Jahr vor der Tat — trat er als Redner bei PEGIDA auf.2 Lutz Bachmann kündigte ihn als „unseren Nino“ an, er selbst bezeichnete sich bereits zu diesem Zeitpunkt „als harten Kern von PEGIDA“.

Der durch ihn verlesene Brief an die Bundeskanzlerin wurde mit Applaus begleitet. In der Rede heißt es in Richtung Merkel: „Sie lassen grüne Politiker unsere Kinder vergewaltigen. Sie lassen linke Poli­tiker antifaschistische Organisationen finan­zieren. Sie lassen linke Terroristen angeblichen Rassismus mit Rassismus bekämpfen. Sie lassen kriminelle Ausländer Drogen verkaufen. Sie lassen faule Afrikaner, anstatt ihre Länder aufzubauen, unsere Sozialkassen plündern. Sie lassen afrikanische Länder, ihre Gefängnisse in Europa entleeren. Sie reichen der größten Massenvernichtungswaffe, dem Islamismus die Hand. (…) Wenn sie wollen, dass es in Deutschland und Europa zum Bürgerkrieg kommt, dann machen sie weiter. Aber Gnade ihnen Gott, denn von uns werden sie keine Gnade erhalten.“ Über die Einleitung eines Strafverfahrens betreffend der Rede ist nichts bekannt.

Nino Köhler radikalisierte sich hinsichtlich seiner Taten im Schnelldurchlauf. Als Durchlauferhitzer dürften PEGIDA und die allgemeine rassistische Stimmung ihren Beitrag geleistet haben. In der Anklage bezeichnete ihn die Generalstaatsanwaltschaft als bekennenden Anhänger der Bewegung, der sich aufgrund „seiner Ablehnung der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, von politisch links orientierten Personen und Vereinigungen und vor allem von Ausländern muslimischen Glaubens und der von diesen angeblich drohenden Islamisierung Deutschlands zunehmend radikalisierte“.

Die Anschlagserie

Spätestens im Sommer 2016 entschloss er sich, seine Ziele gewaltsam umzusetzen. Die Moschee im Dresdner Stadtteil Cotta existierte bereits seit mehreren Jahren. In der Nachbarschaft war bekannt, dass dort der Imam mit seiner Familie lebte. Am Abend des Anschlags schien Licht aus den Zimmern. Nino Köhler näherte sich dem Gebäude, welches durch Kameras überwacht war, vermummt mit einem Motorradhelm. Vor der Wohnungstür platzierte er einen Plastikeimer mit drei selbst gebau­ten Rohrbomben und diversen brennbaren Materialien. Mindestens eine der Rohrbom­ben war über eine Zündschnur mit einer pro­grammierbaren Zeitschaltuhr verbunden. Zum Zeitpunkt der Explosion hielten sich mehrere Personen im Gebäude in unmittelbarer Nähe zur Detonation auf. Nach Einschätzung eines auf Sprengvorrichtungen spezialisierten Beamten hatten die Rohrbomben aufgrund der Splitterwirkung tödliches Potential, auch die Brandwirkung der Vorrichtung war lebensgefährlich.

Nach der Detonation verließ Köhler den Ort und begab sich zum Internationalen Kongresszentrum, in dem wenige Tage später der Empfang des Bundespräsidenten zu den in Dresden stattfindenden zentralen Einheitsfeierlichkeiten stattfinden sollte. Auf der frei zugänglichen Dachterrasse deponierte er eine weitere Sprengvorrichtung, die er ebenfalls mit Zeitschaltuhr auslöste. Der Gebäudeschaden beläuft sich auf ca. 25.000 Euro. Laut Anklage wählte Köhler den Ort aus, um „ein weithin sichtbares Zeichen seines Protestes gegen die Ausländer- und Flüchtlingspolitik der Bundesregierung zu setzen“.

Dies war jedoch nicht die einzige Aktion Köhlers, welche sich gegen staatliche Institutionen richtete. Vielmehr verbrachte er in den Tagen vor den Einheitsfeierlichkeiten 14 täuschend echt gestaltete Sprengstoffattrappen in den inneren Festbereich. Wären diese nicht durch Zufall entdeckt worden, wären voraussichtlich weite Teile, wenn nicht gar die gesamte Veranstaltung massiv gestört oder gar beendet worden. Das Verfahren bzgl. der Bombenattrappen wurde eingestellt.

Nino Köhler verfügte darüber hinaus über weitere Sprengvorrichtungen, die er vermutlich aus Angst vor Entdeckung nach den Taten verschwinden lies. Mitte Oktober 2016 fand ein Angler am Elbufer ein verschlossenes Gurkenglas, in das durch den Deckel mehrere verbundene Zündschnüre führten. Im Inneren befanden sich Mullbinden in einem Gemisch aus Benzin und Mineralöl, sowie befestigt am Inneren des Schraubdeckels vier „La Bomba“-Böller sowie Kleinfeuerwerkskörper.

Zwei Monate später wurde nahe Meißen ein weiterer Sprengkörper am Ufer entdeckt. Im Inneren befanden sich Grillkohleanzünder, Anzündschnüre, 13 Schreckschusspatronen Kaliber 9 mm, ca. 75 Gramm eines Schwefel-Holzkohle-Substanzgemischs sowie eine ca. 190 g umfassende Mischung aus Schwefel, Kalium- und Bariumnitrat sowie ein weiterer Brennstoff. Beide Sprengvorrichtungen waren geeignet, Leib und Leben von Menschen zu gefährden.

Nach einer Öffentlichkeitsfahndung mit Bildern aus der Überwachungskamera der Moschee wurde Nino Köhler, der sich gerade auf Montage befand, am 8. Dezember 2016 festgenommen. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung stieß die Polizei auf einen sogenannten Thermiten. Der in einem Karton deponierte Klumpen — eine Mischung aus Kaliumnitrat und Zucker — war ebenfalls mit Zündvorrichtungen ausgestattet, die durch einer Zeitschaltuhr ausgelöst werden sollten. Der Thermit, der beim Abbrand Temperaturen von mehr als 1.500 Grad hätte erzeugen können, war laut Anklage „zum jederzeitigen Abtransport und Einsatz bereit“.