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Flagge zeigen gegen Repression und rassistische Hetze

Kampagne „Not alone — Unsere Solidarität gegen Repression und vereinzelung“
Einleitung

In München geht die Polizei rigoros gegen antifaschistische Proteste vor. Ein junger Antifaschist sitzt seit Juli in Untersuchungshaft, weil ihm ein Fähnchen als Bewaffnung ausgelegt wird. Um der staatlichen Repression gemeinsam etwas entgegen zu setzen, haben Antifaschist_innen die Kampagne „Not Alone — Unsere Solidarität gegen Repression und Vereinzelung“ ins Leben gerufen.

Seit mehr als acht Monaten tragen jeden Montag extreme Rechte ihre menschenverachtende Agenda auf die Straßen Münchens. Insbesondere in den ersten Wochen trafen die PEGIDA-Märsche auf einen breiten und entschlossenen Widerstand. Dem wurde von Beginn an mit staatlicher Repression begegnet, deren Ausmaß selbst für Münchner Verhältnisse ungewöhnlich hart ist. Neben dem Einsatz mitunter brutaler physischer Gewalt, setzt die Polizei dabei vor allem auf eine hohe Zahl an Festnahmen und Anzeigen. Viele Dutzend Antifaschist_innen warten aktuell auf Prozesse mit schweren, oft hanebüchenen Tatvorwürfen. Erste Strafbefehle und Urteile lassen erwarten, dass die Gerichte überwiegend im Sinne der Repressionsbehörden entscheiden werden.

Dass in Bayern gern etwas härter durchgegriffen wird als in anderen Bundesländern, wenn es um antifaschistisches Engage­ment gegen Rechts geht, ist keine Neuig­keit (vgl. AIB Nr. 97). Einen vorläufigen Höhe­punkt stellt der aktuelle Fall des Antifa­­schisten Paul dar. Im Rahmen der allmontäglichen Aufmärsche und Kundgebungen von PEGIDA hatte sich der Münchner Ableger am 20. Juli den Mitbegründer des großen Vorbildes aus Dresden, Lutz Bachmann, eingeladen. Rund 150 Rechte aller Couleur — von Neonazis bis zu „besorgten Bürgern“ und „Asylkritikern“ — versammelten sich auf dem zentralen Marienplatz, um den Hassreden zu lauschen. Gemeinsam mit über 1.300 anderen Antifaschist_innen nahm Paul an den Gegenprotesten teil. Als er sich einige Schritte vom Geschehen entfernte, wurde er von Polizeibeamt_innen festgenommen. Als Vorwand musste eine Fahne herhalten, deren Beschaffenheit angeblich gegen das bayerische Versammlungsgesetz verstoßen soll. Bei diesem, von der Polizei als „Knüppelfahne“ deklarierten Gegenstand, handelt es sich um eine 40cm lange und ca. 2cm dicke Fahnenstange, an der — wie üblich für Fahnen — ein Stück Stoff befestigt ist. Diese wird ihm nun als Waffe ausgelegt, da Paul sie angeblich nicht als Kundgebungsmittel verwendete. Das, was die Polizei als Waffe bezeichnet, wird im lokalen Szenejargon „Winkelement“ oder auch liebevoll „Winkie“ genannt. Obwohl auch in Bayern nicht verboten, sind sie immer ein heikles Thema bei linken Versammlungen. Gab es bereits in der Vergangenheit deswegen wiederholt Festnahmen und Verurteilungen, erreicht der Irrsinn im aktuellen Fall ein neues Level.

Weil es nach seiner Festnahme Unklarheiten zu seinem aktuellen Wohnsitz gab, musste Paul die Nacht auf der Polizeiwache verbringen. Obwohl er den Nachweis über den festen Wohnsitz einen Tag später nachreichte, sitzt er seitdem in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim, weil die Richterin dennoch den Haftgrund der Fluchtgefahr als gegeben ansah. Da den bayerischen Behörden der Verstoß gegen das Versammlungsgesetz als Tatvorwurf offenbar noch nicht ausreichte, wurde ein weiterer Anklagepunkt hinzugefügt. Paul soll vor einigen Monaten beim sogenannten „Containern“, also dem Verwerten von bereits abgelaufenen und weggeschmissenen Lebensmitteln einer Supermarktkette, erwischt worden sein. Dabei soll er ein vollkommen legales „Tierabwehrspray“ im Rucksack mitgeführt haben. Dies wird ihm nun als „Diebstahl mit Waffen“ ausgelegt. Der Schadenswert wurde auf 20 Euro beziffert, wobei nicht die abgelaufenen Lebensmittel selbst, sondern eine Kiste, in der Paul diese transportiert haben soll, als „Diebesgut“ herhalten muss.

Diese Vorwürfe und die angebliche Fluchtgefahr reichten aus, um den jungen Paul wochenlang einzusperren. Die durch seinen Anwalt eingelegte Haftbeschwerde wurde zunächst verzögert bearbeitet und schließlich abgelehnt. Somit wartet Paul im Gefängnis auf seinen Prozess. Die Hauptverhandlung findet am 15. September vor dem Münchner Amtsgericht statt, wenn die zuständige Richterin aus den Sommerferien zurück ist. Angesichts der Anklagepunkte droht Paul im Falle einer Verurteilung eine Haftstrafe von mindestens einem Jahr.

Paul ist kein Einzelfall, wenn es um die Repression gegen Antifaschist_innen in München geht. Seit Beginn der PEGIDA-Aufmärsche Anfang des Jahres werden diese mit einer nicht enden wollenden Repressionswelle überzogen. Während die bayerische Polizei, insbesondere das berühmt-berüchtigte USK, teils mit massiver Gewalt gegen Antifaschist_innen vorgeht, um einen reibungslosen Ablauf der PEGIDA-Veranstal­tungen durchzusetzen, sehen sich Linke mit oftmals absurden Vorwürfen konfrontiert. Bislang wurden nahezu jede Woche Gegendemonstrant_innen festgenommen, die Zahl der Festnahmen lag dabei wiederholt im zweistelligen Bereich. Die bisherigen Verurteilungen zu (zur Bewährung ausgesetzten) Haft- oder Geldstrafen lassen auch für künftige Prozesse nichts Gutes erwarten.

Die Erfahrung, dass Neonazis seitens Poli­zei und Staatsanwaltschaft in München selten etwas zu befürchten haben, während linker Gegenprotest kriminalisiert wird, ist für Antifaschist_innen nicht neu. Gerade im Zusammenhang mit den rassistischen Mobi­lisierungen der letzten Wochen zeigte sich dies jedoch besonders drastisch. So konnten Neonazis während der PEGIDA-Aufmärsche vor den Augen der Polizei Anti­fa­schist_innen mit Pflastersteinen angreifen und Gegendemonstrant_innen und Journalist_innen attackieren. Anschließend wurden oft lediglich die Personalien der Antifaschist_innen aufgenommen. Während Paul wegen vermeintlichem Diebstahl mit Waffen im Gefängnis sitzt, wurde das Verfahren gegen einen mit einem Messer bewaffneten Neonazi und Demonstrationsteilnehmer sofort wieder eingestellt.

Wenn wir als Kampagne auf diesen Umstand hinweisen, geht es uns nicht darum, vom Staat härtere Strafen für Neonazis zu fordern, sondern darum deutlich zu machen, wie hier versucht wird, antifaschistischen Protest und linke Politik zu erschweren oder unmöglich zu machen. Uns fehlen schlichtweg die Worte, wenn wir sehen, wie der deutsche Mob in pogromartiger Stimmung vor Flüchtlingsunterkünften randaliert und Neonazis schon von einem neuen Ros­tock-Lichtenhagen träumen. Auch hier lässt der Staat die RassistInnen gewähren und fühlt sich erst dann dazu genötigt einzuschreiten, wenn sich Antifaschist_innen diesen in den Weg stellen. Um der aktuellen Situation gemeinsam etwas entgegenzusetzen, haben wir die Kampagne „Not Alone —Unsere Solidarität gegen Repression und Vereinzelung“ ins Leben gerufen. Uns geht es dabei sowohl um die konkrete Unterstützung für die Betroffenen als auch darum, Öffentlichkeit zu schaffen. Aktuell liegt ein Schwerpunkt in der Solidaritätsarbeit für Paul. In München fanden bereits mehrere lautstarke Demonstrationen und Kundgebungen vor dem Gerichtsgebäude und der JVA statt. Am 12. September wird es eine überregionale Demonstration und am ers­ten Prozesstag eine Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude geben.

Ein Ende der rechten Aufmärsche ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten, so dass zwangsläufig weiterhin wöchentliche Großeinsätze der Polizei stattfinden werden. Die Strategie der Münchner Polizei scheint darauf abzuzielen, durch aggressives und repressives Vorgehen gegen Antifaschist_innen deren Protest zu zerschlagen. Die Landes­regierung bastelt eifrig an der Verschärfung des bayerischen Versammlungs­gesetzes, um es den Repressionsbehörden noch einfacher zu machen. Repression zielt auf Einzelne, meint und betrifft aber uns ­alle. Deshalb ist Solidarität als Antwort umso wichtiger, damit die Betroffenen nicht auf sich allein gestellt sind. Unsere Kampagne soll einen Beitrag dazu leisten und zwar möglichst als gemeinsames Projekt von uns allen. Deshalb haltet Euch auf dem Laufenden, besucht uns im Internet und unterstützt uns wie auch immer ihr könnt! All the arms we need!

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