Repression gegen Antifas
In verschiedenen Ländern Europas kam es in den letzten Wochen und Monaten zu Repressalien gegen Linke. Allen Betroffenen werden Straftaten vorgeworfen, die sie angeblich im Rahmen antifaschistischer Aktivitäten begangen haben sollen. Neben Schweden und Österreich darf auch der deutsche Repressionsapparat in der Reihe der Verfolger nicht fehlen.
Die erfreuliche Nachricht: die Solidarität ist mit zunehmender Selbstverständlichkeit international. Die jeweiligen Unterstützer_innen-Gruppen greifen die Freilassungsforderungen für die anderen Betroffenen auf und betonen den spektrenübergreifenden Zusammenhalt gegen die staatlichen Angriffe. Im folgenden werden die drängendsten Vorfälle der letzten Wochen und Monate dargestellt.
Wien: Untersuchungshaft nach Antifa-Demo
Josef wurde am 24. Januar 2014 im Zuge der Antifa-Demo gegen den „Akademikerball“ in Wien festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft (vgl. S. 30). Von Anfang an waren die gegen ihn erhobenen Vorwürfe unkonkret und das vorhandene Aktenmaterial dürftig. Medial ist von Sachbeschädigung, Körperverletzung und/oder Widerstand gegen die Staatsgewalt die Rede.
Trotz der unklaren Lage wurde die U-Haft gegen Josef verlängert. Dies ist bemerkenswert, da der Haftgrund der „Verdunkelungsgefahr“ zwischenzeitlich als nicht mehr gegeben angesehen und verworfen werden musste. Es wurde nun also nicht mehr angeführt, dass Josef Tatspuren beseitigen wolle und mögliche Tatzeug_innen einschüchtern oder ähnliches. Als Begründung der weiteren U-Haft verblieb einzig und allein die sogenannte „Tatbegehungsgefahr“, die in Deutschland der „Wiederholungsgefahr“ entspricht. Das bedeutet im Klartext, dass das Gericht die Behauptung aufstellt, Josef hätte in Freiheit unmittelbar nicht viel Besseres zu tun, als erneut die Delikte zu begehen, die ihm aktuell zur Last gelegt werden. Eine haarsträubende Konstruktion, die die Gefährlichkeit des inhaftierten Linken für die österreichische Öffentlichkeit herausstellen soll und ein beredtes Zeugnis über den staatlichen Verfolgungswillen ablegt. Nach wie vor darf der Betroffene im Gefängnis nur von Familienangehörigen besucht werden. Freund_innen wurden bislang keine zum Besuch zugelassen, was teilweise den Charakter einer Isolation annimmt.
Soli-Gruppe „Josef“:
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Stockholm: Untersuchungshaft nach Selbstverteidigung
In einem Vorort von Stockholm griff am 15. Dezember 2013 eine 30-köpfige organisierte Gruppe Neonazis unvermittelt eine antirassistische Kundgebung an (vgl. Artikel S. 54). Zu ihrer Bewaffnung gehörten Knüppel, Messer und selbstgebaute Schilde. Den zunächst völlig überraschten Teilnehmer_innen der Kundgebung gelang es mit Mühe, die Angreifer in ein Waldstück zurückzudrängen und schlimmeren Schaden abzuwenden. Wenige Tage nach der Attacke wurde jedoch der Antifaschist Joel unter dem Vorwurf des versuchten Mordes in Untersuchungshaft genommen. Er soll im Rahmen der Selbstverteidigung eine Messerattacke versucht haben. Obwohl Joel unbewaffnet war und eine Notwehrsituation auf der Hand liegt, gingen die Repressionsbehörden nun gegen ihn, als einen der Angegriffenen, hart vor. Im Gefängnis hat Joel nun kaum Kontakt zur Außenwelt und sein Postverkehr wird streng überwacht.
Als Reaktion auf die rechte Attacke fand mit 20.000 Personen die größte antifaschistische Demonstration in der Geschichte Schwedens statt.
Soli-Gruppe „Joel“:
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Berlin: Untersuchungshaft nach LKA-Engagement
In Berlin wurde am 30. Oktober 2013 der Antifaschist Adel in U-Haft genommen und erst nach über 3 Monaten unter Auflagen und nach Zahlung einer Kaution auf freien Fuß gesetzt. Vorangegangen waren umfangreiche und vom „Polizeilichen Staatsschutz“ des Berliner Landeskriminalamts (LKA) gezielt gegen den Betroffenen gerichtete Ermittlungen. Neben Abhör- und Überwachungsmaßnahmen gehörten auch drei Hausdurchsuchungen innerhalb eines Jahres zu den polizeilichen Aktivitäten, die immer wieder von rassistischen Untertönen gegenüber dem Berliner mit Migrationshintergrund begleitet wurden. So wurde Adels Mutter im Rahmen einer Hausdurchsuchung empfohlen, mal „einen Deutschkurs zu machen“ und bei verschiedenen Anlässen wurde deutlich, dass der „Antifa mit südländischem Aussehen“ eine besondere polizeiliche Aufmerksamkeit genießt. Mehrfach wurde er im Nachgang von Demos von der Polizei zusammengeschlagen und verletzt. Vorgeworfen wird Adel nun ein willkürlich zusammengestellt wirkendes Bündel von Anschuldigungen, die vom zweimaligen Zeigen des ausgestreckten Mittelfingers in Richtung von Zivilpolizisten, über eine geringfügige Sachbeschädigung, bis hin zu (verbalen) Auseinandersetzungen mit Neonazis und anderen erkennbaren Rechten reichen. Auch ein Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung ohne politischen Hintergrund wird gegen Adel geführt. Die Ermittler_innen legten Zeug_innen zum Teil solange Fotos vor, bis diese ihn schließlich als Täter erkannt haben wollen. Auch wenn der junge Berliner aktuell nicht mehr im Gefängnis sitzt, ist die Sache noch nicht vorbei, denn ein Urteil steht noch aus. Bis dahin gelten für den Betroffenen die abstrusen richterlichen Auflagen, sich von „politischen Veranstaltungen rechts- und linksextremer Art fernzuhalten“ und „den Kontakt zu Personen rechtsextremer Gesinnung zu unterlassen“.
Soli-Gruppe „Adel“:
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Stuttgart: Vorwurf des versuchten Totschlags mittels Pyrotechnik
Auch drei Jahre nach der erfolgreichen Blockade des vormals alljährlich stattfindenden Neonaziaufmarschs in Dresden im Jahr 2011, reißen die Versuche antifaschistisches Engagement zu kriminalisieren nicht ab. Trotz bis zu 20.000 Menschen, die aus ganz Europa gekommen waren, um den Aufmarsch zu verhindern, versuchte die Dresdner Polizeiführung diesen um jeden Preis durchzusetzen. So versprühten die über 4.500 eingesetzten Beamten Unmengen Pfefferspray, prügelten auf Sitzblockierer_innen ein und setzten bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt großflächig Wasserwerfer ein. Außerdem wurden hundertausende Handyverbindungen in ganz Dresden überwacht und die Daten gespeichert. Dennoch konnte der rechte Großaufmarsch verhindert werden. Eine Niederlage, die die sächsischen Behörden offenbar nicht auf sich sitzen lassen wollen. Seitdem reiht sich Verfahren an Verfahren und während bis heute nicht ein Polizist für die staatliche Gewaltorgie zur Verantwortung gezogen wurde, werden bundesweit Aktivist_innen wegen ihrer Beteiligung an den Blockaden kriminalisiert.
Einen regionalen Schwerpunkt bildet dabei Stuttgart. Schon im Herbst 2011 kam es hier zu fünf Hausdurchsuchungen. Nur auf völlig vage Vermutungen gestützt, stürmten vermummte Polizeieinheiten mit gezogenen Schusswaffen mehrere Wohnungen, bedrohten Bewohner_innen und beschlagnahmten zahlreiche Gegenstände. Meist beläuft sich der Vorwurf gegen die Betroffenen auf Landfriedensbruch. Die formulierten Anklagen haben dabei gemeinsam, dass sie sich auf nichts als bloße Behauptungen von verdeckten ErmittlerInnen stützen. Belastende Fotos oder Videos, die die Angeklagten bei strafbaren Handlungen zeigen, existieren nicht.
Hervorzuheben ist allerdings auch das Bemühen der Staatsanwaltschaft Stuttgart, einen Aktivisten wegen „versuchten Totschlags“ anzuklagen. Dem Antifaschist soll allen Ernstes vorgeworfen werden, diesen Totschlag mittels Pyrotechnik versucht zu haben. Nicht einmal die für ihren Verfolgungswillen berüchtigte Staatsanwaltschaft in Dresden war selbst auf diese kreative Idee gekommen. •
Rote Hilfe Dresden:
www.rotehilfedresden.blogsport.eu/blockaden-bekommen-ein-mordsimage/