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RechtsRock-Großevents - Top oder Flop?

Einleitung

Die Saison neonazistischer Groß-Konzerte wurde 2018 mit dem „Schild & Schwert-Festival“ in Ostritz (Sachsen) eingeläutet. An BesucherInnenzahlen wie im Juli 2017 in Themar konnte jedoch nicht angeknüpft werden. Woran das liegen könnte und warum RechtsRock dennoch ein verbindendes Element der rechten Szene bleibt, wird nachfolgend skizziert.

Foto: Exif-Recherche

Mitglieder der RechtsRock-Band „Kraftschlag“, darunter Jens Arpe, Stefan „Klatscher“ Lahmer und Ron Penz (v.r.n.l) beraten sich, nachdem Ken McLellan, Sänger der britischen „Blood & Honour“-Band „Brutal Attack“, von der Polizei abgeführt wurde.

Rechte Großkonzerte im öffentlichen Raum

Seit der weitgehend störungsfreien Durchführung des „Rock gegen Überfremdung II“ am 15. Juli 2017 in Themar haben extrem rechte Großveranstaltungen Hochkon­junktur. Als politische Kundgebung angemeldet, ist es den Behörden bisher nicht gelungen, diese zu unterbinden. Selbst Umweltschutzgesetze und restriktive Auflagenbescheide verfehlten ihre Wirkung. Stattdessen produzierte man Publicity für die Neonazis und Häme gegen die lokale Zivilgesellschaft.

Unterschiede

Angefangen bei den TeilnehmerInnenzahlen, sind zwischen den Events deutliche Unterschiede erkennbar. Während sich rund 6.000 Neonazis zum „Rock gegen Überfremdung II“ einfanden, zog das „Rock für Identität“ Ende Juli 2017 in Themar „nur“ 1.000 Neonazis an. 1.300 Personen nahmen im Oktober 2017 am „Rock gegen Links“ teil und das im April 2018 durchgeführte „Schild & Schwert-Festival“ in Ostritz kann auf maximal 1.500 BesucherInnen zurückblicken. Die kürzlich im Juni veranstalteten „Tage der nationalen Bewegung“ in Themar zogen am zweiten Veran­staltungstag wiederum knapp 2.300 Neonazis an.

Auf den Konzerten fanden sich dabei Neonazis aus allen Altersklassen ein. Für die Jüngeren bedeutet der öffentliche Charakter vor allem eine einfache Handhabe. Tickets können im Vorverkauf erworben werden, Veränderungen im Line-Up lassen sich bequem über die sozialen Netzwerke verfolgen. Dazu kommt, dass es keiner starken Anbindung an die organisierte Szene bedarf, um an Konzerten wie in Themar teilnehmen zu können. Gleichzeitig ist dies sicher auch ein Grund für die rege Teilnahme älterer Neonazis. Meist im familiären Alltag eingebunden sind diese Events eine unkomplizierte Möglichkeit, Teil der Neonazi-Szene zu bleiben, ohne etwas dafür tun zu müssen. Sicher, Ausflüge zu angemeldeten Konzerten ziehen immer Personalien-­Feststellungen, Auflagen und nicht zuletzt ein enormes Presseaufgebot mit sich, doch für Neonazis, die noch nicht oder nicht mehr stark an die Szene angebunden sind, spielt das offensichtlich keine Rolle.

Für Journalist_innen bot sich auf allen Events ein ähnliches Bild: Oft unbekannte Neonazis, einheitlich gekleidet in Tommy Frencks „Druck 18“-Verkaufsschlager, den „Division-Füge-hier-dein-Bundesland-­ein“-­T-Shirts. In Ostritz hätte man meinen können, die TeilnehmerInnen wollten die Aufmerksamkeit zuspitzen, indem Klamotten präsentiert wurden, die hart an der Grenze zum Strafbaren waren. Dadurch wurde teilweise erreicht, dass die berichtenden großen Formate ihr im Vorfeld gezeichnetes Bild eines „ultimativen Nazi-Festes an Hitlers Geburtstag“ bestätigt bekamen. Dass Veranstalter Thorsten Heise ähnlich ultimativ mobilisierte und viele Medien dies übernahmen, sollte unbedingt von kritischen Journalist_innen reflektiert werden. Höhepunkt der Selbstdarstellung war schließlich die Pressekonferenz am ersten Tag des Events, der bis zu zwanzig Journalist_innen beiwohnten. Damit bot man Heise eine Bühne, auf der er sich als wortgewandter, biederer Konzertveranstalter darstellen konnte. Die Erkenntnis, dass das zweitägige Festival vor allem als Treffpunkt des in Deutschland verbotenen „Blood & Honour“-Netzwerkes und dessen bewaffnetem Arm „Combat 18“ genutzt wurde, ging dabei im Getümmel unter.  

Authentizität

Das Publikum und die Bedeutung dieser Großkonzerte sind immer von den VeranstalterInnen abhängig. Mit der Neonazi-Bruderschaft „Turonen/Garde 20“ als Strippenzieher, hatte das „Rock gegen Überfremdung II“ 2017 eine langjährig im RechtsRock-Geschäft verankerte Gruppierung im Boot, wodurch die Veranstaltung authentisch wirkte. Einflussreiche Neonazi-Strukturen aus dem In- und Ausland waren zudem in starker Anzahl vertreten. Das nur zwei Wochen danach veranstaltete „Rock für Identität“ zog spürbar weniger BesucherInnen an, was nicht zuletzt an Boykott-Aufrufen gegenüber Veranstalter Patrick Schröder lag. Auch das von ihm angemeldete „Rock gegen Links“ im Oktober 2017 erzielte trotz der rechten Kult-Bands „Fortress“ und „Blue Eyed Devils“ nicht den gewünschten Erfolg.

Dass die NPD nun an den Erfolg der Events von 2017 anknüpfen will, war zu erwarten. Die finanziell ruinierte Partei war zwar in der Vergangenheit immer wieder Veranstalter rechter Konzerte, doch mehr als 1.000 BesucherInnen konnten schon seit Jahren nicht mehr mobilisiert werden. Mit Thorsten Heise, Landesvorsitzender in Thüringen und treibende Kraft des „völkischen Flügels“ innerhalb der Partei, kann die NPD zumindest einen routinierten Veranstalter von RechtsRock-Konzerten aufweisen. Dabei ist es nicht Heises Funktion als Politiker, dem innerhalb der Szene vertraut wird, sondern es ist sein Status als Mitbegründer der Neonazigruppe „Arische Bruderschaft“. Durch seine weitläufigen Kontakte gilt er als Schlüsselfigur und „Ermöglicher“.

Exemplarisch für den Status Quo der NPD als Veranstalterin von großen Events steht das am 8. und 9. Juni 2018 in Themar durchgeführte Konzert „Tage der nationalen Bewegung“. Veranstalter Sebastian Schmidtke, stellvertretender Landesvorsitzender der NPD in Berlin, hatte schon am ersten Tag Mühe, den reibungslosen Ablauf zu garantieren. So musste sich das anwesende Publikum über drei Stunden mit dem rechten Liedermacher Frank Rennicke zufrieden geben, der eigentlich nur Lückenfüller der Veranstaltung war. Schmidtke hatte die Organisation sichtlich unterschätzt. Während sein aus Berlin und Brandenburg notdürftig zusammengestellter Ordnerdienst schon frühzeitig zahlreiche betrunkene BesucherInnen vom Gelände verweisen musste, fehlte es zudem an Equipment.

Als am zweiten Tag Ken McLellan, Sänger des britischen „Blood & Honour“-­Urgesteins „Brutal Attack“ während des Auftritts von der Polizei abgeführt wurde, war erneut Ratlosigkeit in den Gesichtern der Veranstalter erkennbar. Statt Solidaritätsbekundungen zu äußern, schrie das Publikum kurz nach McLellans Abgang nach der nächsten Band. In den sozialen Netzwerken wird dem Veranstalter auch deswegen Förderung von Konsumverhalten vorgeworfen. So schrieb Stefan „Klatscher“ Lahmer, Bassist der Weißenfelser Oi-Band „Schusterjungs“: „Kein Veranstalter, der sich um die restlichen Bandmitglieder gekümmert hat. Mir blutete das Herz...fresst den Scheiß, der euch hingeworfen wird, ohne darüber nachzudenken. Themar, 95% Asche! Themar, fuck Off!!!“ Stefan Lahmer stand selbst an dem Abend mit der Neonazi-Band „Kraftschlag“ auf der Bühne.

Atmosphäre

Egal wie schlecht der Sound, wie restriktiv die Behörden oder wie teuer das Bier ist, Großveranstaltungen müssen sich an der Atmosphäre messen lassen, die in der Erinnerung des Publikums bleibt. Sicherlich, das kollektive Zeigen des Hitler-Grußes hinterließ Eindrücke, aber vielmehr noch beeindruckte es die KonzertteilnehmerInnen, Lieder von „Stahlgewitter“ aus „6.000 Kehlen zu hören“. Wie zudem in Neonazi-Internet-Foren nachzulesen war, wissen viele der BesucherInnen solcher Events, auf welchen Rahmen sie sich einlassen. Man habe „bei öffentlichen Veranstaltungen auch absolut kein Problem“, sich „ordentlich zu benehmen“.

Schlussendlich haben BesucherInnen solcher Events auch immer die Wahl. Die für das „Rock gegen Links“ am 28. Oktober 2017 angekündigte australische Band „Fortress“ war schließlich einen Tag vor ihrem Konzert in Themar im kleinen Rahmen in Rheinland-Pfalz zu erleben. Auch am Wochenende des „Schild & Schwert-Festivals“ gab es nicht nur Ankündigungen für zwei weitere Konzerte im nahen Polen, ebenso fand in Sachsen am 21. April ein weiteres RechtsRock-Konzert statt.

Ob nun konspirativ oder öffentlich beworben, RechtsRock bleibt der Kitt der Szene, bietet Erlebniswelten und füllt die Kassen. Dass Großevents im öffentlichen Raum intern als erfolgreich bewertet werden, lassen Ankündigungen für die kommenden Monate erahnen. So kündigt der Veranstalter für August 2018 an, mit dem „Rock gegen Überfremdung III“ die BesucherInnenzahlen von 2017 toppen zu wollen, was hinsichtlich des Auftritts der Kult-Band „Gigi & die braunen Stadtmusikanten“ nicht gänzlich unrealistisch ist. Auch Heise wirbt für eine Zweitauflage des „Schild & Schwert-Festivals“ im November 2018, während die Zahl der konspirativen Konzerte im kleinen Rahmen nicht abzunehmen scheint.