Antifa heißt Anruf – Organizing als Strategie gegen Rechts
Dana Fuchs und Christoph MuckFuchs und Muck beschreiben die Motivation zu diesem Buch damit, dass rechte Themen vermehrt in der Öffentlichkeit aufgegriffen werden und immer mehr an Raum gewinnen. Linke Bewegungen schaffen es ihrer Meinung nach selten „Perspektiven zu bieten und gesamtgesellschaftliche Lösungen transparent zu machen.“ Darüber hinaus fordern sie eine „umfassende und alltagsnahe Kapitalismusanalyse“ und wollen sich an all jene richten, die sich mit der „Schwäche linker Praxis nicht abfinden wollen.“ Diese sehen sie in mangelnden Organisierungskonzepten und einer fehlenden „Verankerung linker Politik im Alltag der Menschen.“
Letztlich soll sich in vier Kapiteln den „Fragen und Möglichkeiten einer linken, antifaschistischen Selbstorganisierung in der Praxis“ gewidmet werden.
Die ersten zwei Kapitel beschäftigen sich mit rechter Kommunikationsstrategie sowie Anknüpfungspunkten an kapitalistische Verwertungslogik. Gerade das erste Kapitel hat dabei kaum Aspekte zu benennen, die nicht anderswo bereits verhandelt wurden und weist damit ungewollt auf eine grundlegende Schwäche dieses Buches hin: Es gibt wenig Neues zu erfahren. Das Aufführen von Akteuren wie Götz Kubitschek gehört dann ebenso dazu wie Aktionen der "Identitären" und eine Auseinandersetzung über die metapolitische Diskursstrategie, deren Ziel die Erringung gesellschaftlicher Hegemonie ist. Die Darstellungen sind nicht falsch, regen aber auch nicht zu einer vertieften Auseinandersetzung an.
Als Positivbeispiel einer gesellschaftlichen Debatte gegen rechte Diskursverschiebungen wird die Auseinandersetzung um das Buch „Der Weg in den Abgrund“ von Karlheinz Weißmann herangezogen. Dass gleichzeitig der sogenannte Historikerstreit von 1986 vollkommen außen vor gelassen wird, auf dessen Grundlage die Versuche der „Neuen Rechten“ basieren, ihre revisionistischen Positionen weiter zu verankern, erschließt sich nicht. Substanzieller zeigen sich die im nächsten Kapitel aufgeführten Anknüpfungspunkte rechter Ideologie an kapitalistische Verwertungslogik und die damit einhergehenden Wahlerfolge der AfD. In einer lesenswerten Übersicht wird aufgezeigt, wie es rechten Akteuren gelingen kann insbesondere Wähler*innen anzusprechen, „die ihre soziale Lage bedroht sehen und mit Abstiegserfahrungen und Zukunftsängsten zu kämpfen haben.“
Wie können nun aber linke Antworten aussehen, die die soziale Frage ins Zentrum der politischen Auseinandersetzungen stellt und emanzipatorische Aspekte betont? Für Fuchs und Muck ist es die gesellschaftliche Verankerung der Linken, die mit dem Konzept des Organizing erreicht werden soll. Dessen zentrales Versprechen lautet Menschen zusammenzubringen und zu organisieren, es „bietet Auswege aus der eigenen Ohnmacht, erhöht ihren Einfluss auf die eigene Lebensrealität und politisiert, demokratisiert und verändert – ausgehend von den alltäglichen Lebenszusammenhängen – die Gesellschaft.“ Neben der Darstellung von Kernprinzipien dieses Ansatzes dokumentieren die beiden Autor*innen Interviewauszüge mit sechs Gruppen, die sich an diesem Konzept orientieren.
Aufgezeigt werden soll, wie diese Gruppen funktionieren und mit welchen Problemen sie konfrontiert sind, aber auch „was das mit Antifaschismus und Organizing zu tun hat.“ Genau hier findet sich die zweite Schwachstelle des Buches. Allen Gruppen gemein ist, dass sie aufgrund der steten Präsenz extrem rechter Akteure eine antifaschistische Perspektive einnehmen wollen und müssen. Dem Kapitel Antifaschismus – dem eigentlich zentralen Anliegen – werden insgesamt jedoch nur sechs Seiten gewidmet und entsprechend mager liest sich der Erkenntnisgewinn. Als Ergebnis stellen Fuchs und Muck fest, dass die Gruppen einen sehr praktischen Antifaschismus betreiben: „Dies bedeutet, dass rechten Themen und Meinungen kein Raum gegeben wird und diese bereits frühzeitig unterbunden werden.“
Wer einen Einblick in den praktischen Alltag linker Initiativen, die sich am Organizing orientieren, erhalten will, dem seien die Interviews im Band empfohlen. Wer die Auseinandersetzung mit „Fragen und Möglichkeiten einer linken, antifaschistischen Selbstorganisierung in der Praxis“ sucht, sollte sich nach anderer Literatur umschauen.
Dana Fuchs / Christoph Muck
Antifa heißt Anruf – Organizing als
Strategie gegen Rechts
UNRAST-Verlag, Münster 2019
163 Seiten
ISBN: 9783897712720
12,80 Euro