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„Corona­ Proteste“ und die extreme Rechte. Aspekte des Demonstrations­geschehens im Land Brandenburg 2020 und 2021

Moses Mendelssohn Zentrum

In der Ausgabe Nr. 133 des AIB haben wir einen bundesweiten Blick auf relevante Akteur*innen der verschwörungsideologischen Pandemieleugner*innenszene sowie die ideologischen Schnittmengen zur extremen Rechten geworfen. Die Szene selbst zeigte sich von Beginn an sehr heterogen zusammengesetzt und von starken regionalen Unterschieden geprägt. Spätestens zum Ende 2021 wurde immer deutlicher, dass sich das Protestgeschehen zunehmend regionalisiert und ein lokaler Blick unabdingbar für die weitere Einordnung dieser neuen reaktionären Szene ist. Bisherige Untersuchungen fokussierten mehrheitlich auf die individuelle Motivlage der Teilnehmenden oder einzelne relevante Protagonist*innen. Die Emil Julius Gumbel Forschungsstelle des Moses Mendelssohn Zentrum schließt hier eine vorhandene Lücke und liefert mit der vorliegenden Handreichung eine kompakte und erkenntnisreiche Übersicht zum regionalen Demonstrationsgeschehen sowie der Pandemieleugner*innenszene im Land Brandenburg.

Grundlage der vorliegenden Auswertung waren 1407 Versammlungen, die 2020 / 21 im Zusammenhang mit sogenannten „Corona-Protesten“ erfasst werden konnten und an denen schätzungsweise 131.600 Menschen teilgenommen haben. „Die Größenordnung, Dichte und die Breite dieser Bewegung stellen ein Superlativ für die Protestkultur in der Geschichte des Bundeslandes Brandenburg dar.“ Die Handreichung beschreibt jedoch nicht nur Entstehung und Entwicklung des Protestgeschehen, sondern blickt genauer auf „Bewegungsakteure wie Telegram- Gruppen, Neonazis und die Parteien AfD und Die Basis“. Sehr aufschlussreich liest sich außerdem die Beschreibung von drei lokalen Protestmobilisierungen an den Beispielen Cottbus, Oberhavel und Eberswalde mit ihren je spezifischen Bedingungen. Die Autor*innen kommen zu dem Ergebnis, dass die Proteste zwar unabhängig organisiert werden, sie „aber durch ein gemeinsames politisches Minimalziel (Aufhebung der Schutzmaßnahmen) und durch gemeinsame Symbole und Vorgehensweisen miteinander indirekt oder direkt verbunden“ sind.

Anders als in anderen Bundesländern konnte sich in Brandenburg die AfD als relevante Akteurin im Protestgeschehen etablieren und hat die sich entwickelnde „Covid-Protestbewegung“ schnell als neue politische Partnerin erkannt. „Ihre Orientierung auf Straßenproteste, die Ablehnung von Covid-Schutzmaßnahmen, die Nähe zu Verschwörungserzählungen und zu erheblichen Teilen auch eine fundamentale Skepsis gegenüber der Demokratie waren die Schnittmengen zwischen AfD und Protestteilnehmenden.“ Neben den großen finanziellen und strukturellen Ressourcen auf die die AfD zurückgreifen kann, kam ihr hierbei auch eine seit Jahren praktizierte Rolle als „Bewegungspartei“ zugute.

Eine vergleichsweise Relevanz blieb den in Brandenburg aktiven neonazistischen Parteien hingegen verwehrt. "Der III. Weg" hat zwar in einigen Regionen erfolgreich in die Proteste interveniert und eine gewisse Öffentlichkeit erzeugen können, die NPD hingegen blieb „eher Zaungast“. Im Ergebnis jedoch stellen die Autor*innen fest, dass die verschiedenen extrem rechten Zusammenhänge in ihrer Gesamtheit „als initiierende, organisierende und partizipierende Kräfte“ erfolgreich Einfluss nehmen konnten und sich die „Corona-Proteste“ ohne deren Beteiligung „in ihrer konkreten Form in Brandenburg nicht hätten entwickeln können.

Eine Arbeit wie die vorliegende wäre auch aus anderen Bundesländern hilfreich, nicht nur um die verschwörungsideologische Szene lokal analysieren zu können, sondern auch um daraus entsprechende spezifische Handlungsoptionen für die kritische Auseinandersetzung und Bekämpfung zu entwickeln.

Moses Mendelssohn Zentrum
„Corona­ Proteste“ und die extreme Rechte. Aspekte des Demonstrations­geschehens im Land Brandenburg 2020 und 2021
Potsdam, 2022, 32 Seiten,

Kostenloser Download:

https://www.mmz-potsdam.de/media/24/download/EJG_Mitteilungen_10.pdf?v=2