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Jordan B. Peterson - „Keine Show für Täter“

vom "Kollektiv 'Keine Show für Täter'" (Gastbeitrag)
Einleitung

Über eine feministische und antifaschistische Kampagne gegen den Auftritt von Jordan B. Peterson in Deutschland.

(Bild: Montage aus Faksimile Plakat & Foto flickr.com; Gage Skidmore; CC BY-SA 2.0)
(Bild: Montage Faksimile Plakat & Foto Gage Skidmore; CC BY-SA 2.0)

Jetzt oder später: Keine Show für Täter

Das Kollektiv „Keine Show für Täter“ gründete sich Anfang 2022. Grund waren die Vorwürfe sexualisierter Gewalt gegenüber Luke Mockridge, der gerade seine große Deutschland-Tour angekündigt hatte. Da wir diese Vorwürfe nicht unkommentiert lassen wollten, organisierten wir als kleine Gruppe von Menschen eine Kundgebung zu seinem Auftritt in Berlin im Mai 2022. In Zusammenarbeit mit Aktivist*innen aus Bremen initialisierten wir außerdem eine bundesweite Vernetzung mit den Städten, in denen die Auftritte des TV-Komikers stattfinden sollten.

Bereits im April 2022 beteiligten wir uns an einer Kundgebung gegen den Auftritt des Boxers und Ex-Juniorenweltmeisters Tom Schwarz bei einer Veranstaltung in Falkensee. Unter dem Motto „Tiefschlag für Frauenrechte - Tom Schwarz raus aus dem Ring!“ wurde auf das gewalttätige Verhalten gegenüber seiner Ex-Freundin aufmerksam gemacht. Gefordert wurde u.a. sein Ausschluss von kommerziellen Veranstaltungen sowie der Rückzug aus dem Boxsport. Mit Blick auf die Kundgebung gegen die Tour von Mockridge haben wir uns bewusst für eine bundesweite Vernetzung bei gleichzeitig offenen Plena in Berlin entschieden. Hintergrund war, möglichst vielen nicht organisierten Menschen die Möglichkeit zu bieten, aktiv zu werden und bestenfalls die Motivation weiterzugeben, sich weiter betätigen zu wollen. Zur bundesweiten Vernetzung haben wir uns an bereits organisierte Gruppen gewandt. Daraus entstanden ist nun ein Kollektivkern an Personen, die sich weiter zusammen organisieren wollen. Es macht uns stolz, unser Wissen gemeinsam erarbeitet zu haben und nun auch weitergebenzu können.

(Wissens)sharing is caring

Unsere jüngste Kampagne richtete sich gegen den Auftritt von Jordan B. Peterson in Deutschland. Peterson ist von Hause aus klinischer Psychologe, der in den letzten Jahren jedoch vor allem durch krude pseudowissenschaftliche Veröffentlichungen, Auftritte in Talkshowrunden, Verstrickungen in die „Alt-Right“-Szene aufgefallen ist. Misogynie, Antisemitismus, Rassismus, Transphobie – Peterson fühlt sich in all diesen Kategorien zuhause. „Political correctness“ und „social justice warriors“ sind ihm ein Dorn im Auge. Mit seinem Buch „12 Rules for Life. An Antidote for chaos“ hat er der „Alt-Right“ sowie sonstigen antifeministischen Strömungen eine theoretische Grundlage geliefert, die vor Wissenschaftsfeindlichkeit nur so strotzt.

Ein Mann müsse eine dominante Figur sein – Frauen und weibliche Attribute würden dieser „männlichen Selbstverwirklichung“ schaden. In seiner vielzitierten „Hummer-Theorie“ behauptet Peterson, dass die Gehirn- und Hormonstrukturen von Menschen und Hummern sehr ähnlich sein. So würden Hummer stets Kämpfe um ihr Territorium abhalten und die weiblichen Hummer sich nur mit den Gewinnern dieser Kämpfe umgeben. Eine hierarchische, sexistische Theorie, die auch in antifeministischen und misogynen Szenen, wie z.B. der „Pick-Up-Artists“, weit verbreitet ist.

Petersons Radikalisierungsprogramm findet vor allem im Internet statt: Auf You-Tube folgen ihm 5,29 Millionen Menschen. Verharmlosend führt er seine fanatischen Ideologien als Selbsthilfeprogramm an und radikalisiert so auf geschickte Art und Weise vor allem junge Männer. Die Kernaussagen: die angebliche Unterdrückung des weißen, heterosexuellen cis-Mannes und seiner „Tradition“. Von dieser Unterdrückung durch postmoderne Mächte sollen sich die jungen Männer nicht entmutigen und verunsichern lassen, sondern ihr Leben in die Hand nehmen und sich gegen einen „Kulturmarxismus“ – der den „American way of life“ bedrohe – wehren.

Da wir im Kollektiv eine Expertin zum Thema „Alt-Right“ und Incels haben, konnten wir unser Wissen im Vorfeld im Rahmen einer Informationskampagne teilen. Ein Bestandteil davon war der erklärende Hummer „Pinchy“, der auf Social Media-Plattformen Informationen zu anti-feministischen Themen verbreitete. Daneben organsierten wir eine Infoveranstaltung zum Thema „Alt-Right“ beim Tresen der „Antifa Nord-Ost“ (NEA).

Wir finden, dass die Themen Anti-Feminismus im Zusammenhang mit Faschismus sowie „Alt-Right“ und Manosphere wie z.B. Incel, in der deutschen (radikalen) Linken noch unterrepräsentiert sind. Natürlich ist es unser Anliegen, auch über die linke Szene hinaus zu informieren und zu sensibilisieren. Als einen Weg hierfür sehen wir die klare Verbindung von Feminismus und Antifaschismus. Auch FLINTA*-Personen aus nicht politisch organisierten Kreisen fühlen sich oft durch feministische Schwerpunkte abgeholt, und es kann darüber ein Bogen zum „Großen Ganzen“ geschlagen werden. Das wollen wir nutzen, um einen klaren feministisch-antifaschistisch-anti-kapitalistischen Fokus zu setzen.

Auftritt von Jordan B. Peterson in Berlin

Für den 29. September 2022 war der einzige Veranstaltungstermin für Deutschland des in Kanada lebenden Peterson angekündigt. Da wir den Verantwortlichen für diesen Auftritt zunächst die Möglichkeit geben wollten auf unsere Kritik zu reagieren, haben wir uns für einen offenen Brief an den Berliner Veranstaltungsort Tempodrom, die Veranstalter*innen und Ticketverkaufsstellen sowie die Presse entschieden. In unserem Brief haben wir bewusst drei einfache Fragen formuliert, und auch noch einmal über die rechte Gesinnung von Peterson aufgeklärt. Der Brief ist auf unserem Blog nachzulesen.1

Die Organisation der Proteste gegen den Auftritt konnte dank einer basisdemokratischen und verlässlichen Aufgabenverteilung in nur zwei Monaten auf die Beine gestellt werden. Die durchgeführten öffentlichen Veranstaltungen hätten aber niemals ohne die umfangreiche Hilfe von aktiven Einzelpersonen und lokalen Gruppen gestemmt werden können. Derzeit ist Berlin sicher nicht Vorzeige-Beispiel einer funktionierenden radikalen Linken, dennoch sind zumindest Strukturen vorhanden, auf die man auch als (neues) Kollektiv zurückgreifen kann.

Schwierig für uns einzuschätzen war, wie viele Personen zur Demonstration am 29. September kommen würden. Am Ende waren wir mit den rund 500 stabilen Personen zufrieden. Wir konnten eine durchweg laute Präsenz direkt am Veranstaltungsort zeigen und Redebeiträge zu feministisch-antifaschistischen Themenschwerpunkten platzieren. Diese Möglichkeit gibt es nicht so häufig. Mit etwas Bauchschmerzen war die Einbindung parteipolitischer Gruppen und Redner*innen verbunden. Dennoch nutzten wir diese Möglichkeit als pragmatischen Ansatz, um das Tempodrom als Berliner Veranstaltungsort so weit wie möglich unter Druck zu setzen. Mit dabei waren unter anderem Ferat Koçak, der in seinem Redebeitrag den Fokus auf die wichtige Verbindung zwischen Antifaschismus und Feminismus legte sowie Vero Kracher, die als Expertin für die Incel-Bewegung in einem großartigen Redebeitrag über Peterson und die verschiedenen Strömungen, die ihn umgeben, aufklärte.

Während in Deutschland vergleichsweise wenig über den Auftritt Petersons und unsere Demonstration berichtet wurde, sah dies auf internationaler Ebene anders aus. So postete z.B. der rechte us-amerikanische Blogger Andy Ngô, dem auf Twitter eine Million Menschen folgen, mehrere Tweets über die Demonstration. Auch das konservative US-News-Network „The Daily Wire“ berichtete blumig: „Red flares and clouds of thick black smoke billowed in the skies [..] as around 400 members of the so-called anarchist group Antifa protested [..] where Dr. Jordan Peterson spoke at an event in Berlin, Germany“. (Rote Fackeln und dicke schwarze Rauchwolken stiegen in den Himmel auf [...], als rund 400 Mitglieder der so genannten anarchistischen Gruppe Antifa gegen eine Veranstaltung in Berlin protestierten, auf der Dr. Jordan Peterson sprach“). Gegründet wurde „The Daily Wire“ von Ben Shapiro, einem ehemaligen Redakteur der „Alt-Right“-Seite „Breitbart News“. Shapiro und Peterson haben schon mehrere Videos erstellt und gehen bald gemeinsam auf eine Welttournee.