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Inglorious Bastards

Einleitung

In der Geschichte bildeten sich einige antifaschistische Selbst­schutzgruppen, die versuchten ihre com­munities zu schützen. "Die Sache in die eigenen Fäuste nehmen"1 war ihr Motto. Alle aufgeführten Gruppen handelten jen­seits des Gesetzes. Und doch sind gerade sie es, die man heute noch kennt.

Angehörige des Roten Frontkämpferbundes (RFB) im Gruppenbild

Freunde des Roten Frontkämpferbundes (RFB) und des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands (KVJD) versammelt unter einem Transparent.

Gewalt

Der Aufstieg des Faschismus in den 1920er Jahren in Italien und der Nazibewegung in Deutschland ab 1930 hat viele Hintergründe. Ein wichtiger Faktor: Die grenzenlose Gewalt, welche von der faschistischen Bewegung ausgeübt wurde. In Italien kam Mussolini durch die strategische und massive Gewalt seiner Anhänger an die Macht – und durch die Passivität derjenigen, die diese Gewalt geduldet haben. Waren es zuerst „nur“ Einzelpersonen die von den „Schwarzhemden“ eingeschüchtert, verprügelt und getötet wurden, wurden später Zeitungsredaktionen, Dörfer, Städte und Landstriche mit Terror überzogen. Feindbild war besonders die sozialistische Arbeiterbewegung. Die Strategie war erfolgreich: Mit dem „Marsch auf Rom“ 1922 kam Mussolini in Italien an die Macht und blieb dort über 20 Jahre.

Ähnlich das Vorgehen der NSDAP und ihrem bewaffneten Arm, der SA, in Deutschland. Brutale Angriffe auf Juden, die linke Arbeiterbewegung und demokratische Politiker begleiteten den Aufstieg. Bis heute ist keine faschistische Bewegung weltweit denkbar, ohne deren gezielte und systematische Gewaltanwendung. Betroffene hofften auf den Schutz durch die Polizei und die Verfolgung der Täter durch die Justiz. Doch oft vergebens. Die Polizei kam oft zu spät oder sympathisierte teilweise mit den faschistischen Terrorbanden, bei Gerichtsprozessen wurden die Täter oft mild oder gar nicht bestraft.

Italien

Als direkte Reaktion auf diese Ereignisse bildeten sich antifaschistische Selbstschutzgruppen, die versuchten ihre Communities selber zu schützen und Rache an Nazitätern zu verüben. So war die erste Antifa der Welt die „Arditi del Popolo“ (AdP, übersetzt „Die Mutigen des Volkes“) aus Italien. Die ca. 20.000 Personen, darunter viele Kriegsveteranen aus dem Ersten Weltkrieg, versuchten Gegenwehr gegen die faschistischen Schwarzhemden aufzubauen. So hatte 1922 die Polizei in Parma erklärt, man sei gegen die angekündigte Belagerung der Stadt durch die Faschisten machtlos – worauf die AdP die Verteidigung Parmas in die eigenen Hände nahm. Barrikaden wurden errichtet und bewaffnet die Eindringlinge abgewehrt. Erst nachträglich wurde die örtliche Polizei dann doch aktiv – und begann damit, die AdP zu entwaffnen. Nach dem Machtantritt Mussolinis flohen viele der ehemaligen Mitglieder der AdP nach Spanien, und unterstützten dort im Spanischen Bürgerkrieg die Republik gegen den Militärputsch.

Deutschland

Auch in Deutschland gründeten sich gegen den Terror der SA verschiedene Wehrverbände, welche den Schutz der eigenen Communities und deren Infrastruktur organisieren sollten. Neben dem „Kampfbund gegen den Faschismus“ (mit ca. 100.000 Mitgliedern) oder dessen Nachfolgeorganisation, der „Antifaschistischen Aktion“, sind auch die „Eiserne Front“ und viele andere kleinere Organisationen und Gruppen zu nennen. In Arbeitervierteln fiel es der NSDAP daher immer schwerer Fuß zu fassen als in Vierteln, in denen keine Gegenwehr organisiert wurde. Doch der Preis dafür war hoch. So erschoss die SA zum Beispiel Anfang Juli 1932 in Hamburg mehrere Arbeiter und kündigte an, am 17. Juli 1932 einen Aufmarsch durch das heutige Hamburger Stadtviertel Altona zu machen.

Hauptsächlich kommunistisch orientierte Gruppen versuchten das Viertel zu verteidigen – ähnlich wie es die AdP in Parma gemacht hatte. Doch während sich in Parma die Polizei aus den Auseinandersetzungen rausgehalten hatte, griff die Polizei in Altona ein – und zwar auf Seiten der SA. 16 Anwohner Altonas wurden durch Polizeikugeln erschossen. Vier Antifaschisten wurden vor Gericht gestellt und durch gefälschte Beweise zum Tode verurteilt und hingerichtet.

England

Auch in England versuchten Anhänger der „British Union of Fascists“ am 4. Oktober 1936 durch die jüdisch geprägte Cable Street in London zu marschieren. Doch circa 300.000 Gegendemonstrant_innen stellten sich ihnen in den Weg. Barrikaden wurden errichtet, die Faschisten angegriffen und selbst Kinder versuchten durch das Werfen von Murmeln die Polizei daran zu hindern, die Straßen zu räumen. Angesichts dieser Gegenwehr blieb die Polizei machtlos und die Demonstration musste abgebrochen werden.

Rache an den Tätern

Im Laufe des Zweiten Weltkriegs wurde der (bewaffnete) Kampf gegen den Faschismus – Nazideutschland, das faschistische Italien und auch das faschistische Japan – für kurze Zeit die gemeinsame Angelegenheit vieler Länder der Welt. Damit waren auch antifaschistische Bewegungen und die direkte Gegenwehr gegen Faschisten so akzeptiert wie nie zuvor. Doch dieses gemeinsame Bündnis zerfiel nach 1945 schnell. Der Hauptgegner war nun die Sowjetunion, die schnelle Reintegration von ehemaligen Nazis und Faschisten wurde vorangetrieben und (neo)faschistische Parteien konnten wieder zu Wahlen antreten. Sehr viele SS-Männer konnten in Deutschland bei Polizei und Geheimdiensten ihre Karrieren weiter fortsetzen, bis weit in die 1990er Jahre hinein zahlte die BRD ins Ausland geflohenen SS-Männern teils hohe Renten.

Eine Gruppe rund um den jüdischen Widerstandskämpfer Abbe Kovner konnte und wollte dies nicht akzeptieren. Er gründete die Gruppe Nakam (Hebräisch für Rache). In Nürnberg plante die Gruppe 1946 einen Anschlag auf ein Inhaftierungslager mit SS-Männern um Rache für Millionen jüdische Verwandte und Freund_innen zu nehmen. Doch der Plan misslang. Zwar konnten tausende Laibe Brot mit Arsen bestrichen werden – aber die Dosierung reichte nur für starke Magenverstimmungen und Übelkeit bei den SS-Männern aus.

In Österreich waren es Mitglieder der „Jüdischen Brigade“, eine hauptsächlich aus Juden aufgestellte Formation innerhalb der Britischen Armee, die kurz nach Kriegsende direkte Vergeltung für den Völkermord verübten. Jüdische Soldaten bildeten eine geheime Sonderabteilung innerhalb der Brigade, die Gmul (Hebräisch für Vergeltung) genannt wurde. Nachdem es der Gruppe gelungen war, von einem untergetauchten Nazi in Italien Listen mit Namen von SS-Männern und Gestapo-Angehörigen zu erpressen, schritt sie zur Tat. Mitglieder der Brigade, in Uniformen der britischen Armee, fuhren in Österreich zu den Häusern und Wohnungen der Nazis, von denen viele mittlerweile unter einer anderen Identität lebten. Unter dem Vorwand, dass sie für ein Verhör mitkommen müssten, wurden sie mitgenommen und erschossen. „Manche bekannten ihre Schuld. Manche blieben stumm. Wir taten unseren Job.“, erinnerte sich Israel Carmi, ein ehemaliger Angehöriger der Brigade.

Auch in England erstarkte bereits kurz nach dem Krieg die (neo)faschistische Bewegung wieder und machte dort weiter, wo sie in den 1930er Jahren aufgehört hatte: In der Hetze und in Angriffen gegen Juden und Linke. Gegen diese neue „Normalität“ von (neo)faschistischen Angriffen gründete sich die „43 Group“. Ehemalige jüdische Soldaten schlossen sich dort zusammen, um die eigene Community zu schützen, da Polizei und Regierung die (neo)faschistische Bewegung duldete und die großen anderen jüdischen Organisationen streng auf die Einhaltung der Gesetze bedacht waren und sich ausschließlich legal mit Prozessen, Vorträgen und politischer Einflussnahme wehren wollten. Die „43 Group“ hingegen begann aktiv Versammlungen zu verhindern, die (neo)faschistischen Gruppen zu infiltrieren und bekannte (Neo)Faschisten anzugreifen. Der Name ging darauf zurück, dass bei der Gründung 43 Personen anwesend waren. Zu ihrer Hochphase hatte die Gruppe aber hunderte Unterstützer_innen, vor allem im Großraum London.

Inglorious Bastards

Alle aufgeführten Gruppen handelten jenseits des Gesetzes. Und doch sind gerade sie es, die man heute noch kennt. Ein Grund ist wahrscheinlich, dass diese Gruppen unter einem festen Namen agierten und deren Mitglieder später über ihre Taten sprechen konnten. Dies war möglich, weil sie vor nachträglicher juristischer Verfolgung sicher sein konnten. So lebten zum Beispiel die Mitglieder der Gruppe Nakam und Gmul später in Israel und auch in Italien war der Antifaschismus nach dem Zweiten Weltkrieg durch die beendete deutsche Besatzung und den breiten italienischen Partisanenwiderstand aufgewertet. Auch in Deutschland gab und gibt es in jedem Jahrzehnt nach 1945 militante Antif­­a­schis­t_innen mit unterschiedlichen Aktions­formen. Sie eint aber, dass man über die Taten schweigt – auch Jahrzehnte später.