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Die Finanznetzwerke der rechts-islamistischen Hamas in Deutschland

Basisgruppe Recherche Ost (Gastbeitrag)
Einleitung

Die pogromartigen Massaker vom 7. Oktober 2023 in Israel haben die Aufmerksamkeit erneut auf die palästinensisch-islamistische Hamas und ihre Verbindungen nach Deutschland gelenkt.

Mustafa Yoldaş, Gründungsmitglied der neuen DAVA-Partei (Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufschwung) und war im Vorstand der IHH.
(Bild: Screenshot halktv.co)

Mustafa Yoldaş, Gründungsmitglied der neuen DAVA-Partei (Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufschwung) und war im Vorstand der IHH.

Das Verbot der Hamas in Deutschland im November 2023 sowie darauf folgende Hausdurchsuchungen und Vereinsverbote im Dezember 2023 werfen jedoch die Frage auf, ob diese Maßnahmen ausreichen, um die langjährig etablierten Hamas-Strukturen im Land nachhaltig zu schwächen. Insbesondere die Finanzstrukturen der Hamas haben in den zurückliegenden Jahrzehnten eine beunruhigende Resilienz bewiesen. 

Hamas & islamistische Rechte

Die Hamas, 1987 im Kontext der ersten Intifada gegründet, lehnt den Oslo-Friedensprozess ab und verfolgt eine gewaltorientierte, antisemitische Agenda, die sich in gezielten Angriffen auf israelische ZivilistInnen manifestiert. Sie wird finanziell und ideologisch vom Iran unterstützt, ähnlich wie andere Milizen in der Region. 

Die Hamas fungiert dabei gleichzeitig als palästinensischer Zweig der 1928 in Ägypten gegründeten "Muslimbruderschaft" (MB), einer internationalen politischen Bewegung, die eine islamistische Herrschaftsordnung anstrebt. Die einzelnen Zweige der MB agieren als globale „islamische Bewegung“ eng vernetzt, jedoch mit operativer Unabhängigkeit. 

Die Zweige der Bewegung sind am politisch rechten Rand zu verorten: Das Ziel der MB ist eine antipluralistische, antifeministische und autoritäre Gesellschaftsordnung – ohne dabei das bestehende Kapitalverhältnis als Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit in Frage zu stellen. Mit anderen Strömungen ist die MB deshalb politisch als Teil einer „islamistischen Rechten“ zu verorten. Auch der türkische Ableger der MB, die Millî Görüş-Bewegung (MG), zählt in dieses Spektrum. 

Als einflussreichste Akteurin der MG ist heute zweifelsfrei die AKP unter Recep Tayyip Erdoğan anzusehen. Die AKP gilt zudem als wichtigste Förderin verschiedener Zweige der MB. Auch in Deutschland bestehen ausgesprochen enge Verflechtungen zwischen Organisationen aus dem MG-Spektrum und dem Netzwerk der MB. Diese reichen von Koordinationstreffen zwischen den jeweiligen Verbänden, bis hin zu Verwandtschafts- und Verschwägerungsbeziehungen auf der leitenden Funktionärsebene. 

Hintergründe zu Ideologie, Strategien und Strukturen der islamistischen Rechten in Deutschland finden sich in unserer 2023 erschienen Broschüre (https://bareo.uber.space/broschur).

Hamas-Aktivitäten in Deutschland: Tarnorganisationen und ihre Verstrickungen

In Deutschland ist die Hamas seit Jahrzehnten mit verschiedenen Tarnorganisationen aktiv. Zahlreiche Moscheen und Kulturvereine in Deutschland sind in den vergangenen Jahren wegen ihrer Nähe zur Hamas in die Schlagzeilen geraten. Zentral für die Aktivitäten der Hamas sind darüber hinaus deutsche Finanzstrukturen. 

Die Hamas operiert hier insbesondere im Umfeld der MB und der MG-Bewegung. Ihre Strukturen haben dabei wiederholt Vereinsverbote überstanden.  

Al Aqsa e.V. 1991–2002 

Als erster deutscher Verein mit klarem Hamas-Bezug wurde 1991 der Aachener Verein „Al Aqsa e.V.“ gegründet, benannt nach der Moschee auf dem Jerusalemer Tempelberg. Seine Mitglieder lebten in Deutschland und Belgien. Der Vereinsvorsitzende war der als Student nach Deutschland gekommene Palästinenser Mahmoud Amr. Über seinen Verein sammelte Amr im Zeitraum von einem Jahrzehnt in Moscheen und Islamischen Zentren Spenden für die Hamas. Das Geld floss an die palästinensische NGO „Islamische Gesellschaft“, einer Tarnorganisation der Hamas. Auf Grund der finanziellen Unterstützung der Hamas wurde „Al Aqsa“ 2002 verboten. 2004 vereitelten Sicherheitsbehörden dann einen Bombenanschlag auf das EU-Parlament, an dessen Planung auch ehemalige Mitglieder des Vereins beteiligt gewesen waren. 

IGD & DMG

Besonders eng war die Kooperation zwischen „Al Aqsa“ und der „Islamischen Gemeinschaft in Deutschland“ (IGD), seit 2018 „Deutsche Muslimische Gemeinschaft“, DMG). Die IGD gilt als Dachverband der MB in Deutschland und betreibt zahlreiche Moscheen in Deutschland, insbesondere das „Islamische Zentrum München“. Auf Veranstaltungen der IGD war Amr mit „Al Aqsa“ regelmäßig mit Infoständen präsent, wo er zu Beginn der 1990er offen Schriften der Hamas vertrieb. Laut eines Gerichtsurteils gegen Amr aus dem Jahr 2008 agierte dieser dabei „auf Grundlage der Ideologie des IGD und wohl auch der „Muslimbruderschaft“. Die IGD war ein einflussreiches Gründungsmitglied des „Zentralrats der Muslime in Deutschland“ (ZMD). Erst 2022 wurde der Verband durch öffentlichen Druck vom ZMD ausgeschlossen.

Internationale Humanitäre Hilfsorganisation (IHH) 1998–2010

Nachdem „Al Aqsa“ 2002 verboten wurde, setzte ein anderer Verein die Zahlungen an die „Islamische Gesellschaft“ fort. Über die „Internationale Humanitäre Hilfsorganisation e.V.“ (deutsche IHH) flossen via „Islamische Gesellschaft“ bis 2010 allein 2,4 Millionen Euro aus Deutschland an die Hamas. Die deutsche IHH wurde seit ihrem Gründungsjahr 1999 bis zu ihrem Verbot 2010 ausschließlich von Funktionären der „Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş“ geleitet. 

Die Gründung der deutschen IHH geschah im Kontext der Ausweitung der internationalen Aktivitäten der türkischen MG-Organisation „İnsan Hak ve Hürriyetleri ve İnsani Yardım Vakfı“ (türkische IHH). Diese türkische IHH war bereits 1992 aus der MG-Jugendorganisation „Anadolu Gençlik“ (Anatolische Jugend) heraus gegründet worden.

Schon in den 1990er Jahren stand die türkische IHH im Verdacht, an Waffenlieferungen an dschihadistische Organisationen nach Afghanistan, Bosnien und Tschetschenien beteiligt gewesen zu sein. Im Jahr 2010 organisierte die türkische IHH die medial breit rezipierte „Gaza Freedom Flotilla“. Dabei versuchte das Schiff „Marvi Marmara“ die 2007 von Israel gegen die Hamas im Gazastreifen verhängte Seeblockade zu durchbrechen. 

2010 erfolgte auch das Verbot der deutschen IHH. In einem langwierigen Revisionsprozess bestätigte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Rechtmäßigkeit des Verbots erst am 10. Oktober 2023 erneut. 

Im Jahr des Verbots hatten Mustafa Yoldaş und Nihat Cesur den Vereinsvorstand gestellt. Yoldaş war Gründungsmitglied und langjähriger Vorsitzender der „SCHURA Hamburg“, einem einflussreichen regionalen islamischen Dachverband. Im Januar 2024 trat Yoldaş als führendes Gründungsmitglied der neuen DAVA-Partei (Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufschwung) in Erscheinung. Cesur blieb in den späten 2010er Jahren als Pressesprecher des IGMG-Landesverbandes Hessen in der Öffentlichkeit präsent.

Palästinensische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (2009–2023) 

Die 2009 in Berlin gegründete „Palästinensische Gemeinschaft in Deutschland e.V.“ (PGD) galt bis Ende 2023 als wichtigste gegenwärtige Tarnorganisation der Hamas in Deutschland. Die PGD verstand sich als Verein mit der klaren politischen Zielsetzung eines „Staates auf dem Gebiet Palästinas“. Sie organisierte bundesweit „Palästina-Konferenzen“ und Demonstrationen. Dabei kooperierte sie besonders eng mit dem in London ansässigen „Palestinian Return Centre“, das als Hauptquartier der Hamas in Europa gilt. 

Tatsächlich war die PGD Teil eines europaweit verzweigten Netzwerkes, zu dem neben verschiedenen Vereinen auch zahlreiche Firmen gehören. In diesen Netzwerk war insbesondere der Vereinsvorstand Fadi El-Tayeche persönlich eingebunden. Nicht zufällig ist ein enger Wirtschaftspartner El-Tayeches innerhalb dieses Netzwerks wiederum ein gewisser Mazem Kahel. Kahel ist ehemaliger Pressesprecher der britischen IHH und hatte die „Gaza Freedom Flotilla“ 2010 maßgeblich mitorganisiert. 

Die PGD scheint aus den vergangenen Vereinsverboten gelernt zu haben: Gewarnt durch schlechte Kommunikation des Innenministeriums entzog sie sich nach dem Verbot der Hamas in Deutschland im November einer Verbotsverfügung durch Selbstauflösung und rettete damit ihr Vereinsvermögen.

Ausblick

Trotz Verboten und Maßnahmen sind Teile der Bewegung weiterhin aktiv. Im Dezember 2023 wurde erneut ein Anschlag in Deutschland vereitelt, der Verbindungen zum Hamas-Milieu in Berlin und den Niederlanden aufwiesen. Vier Männer mit engen Bezügen zur Führung der al-Kassam-Brigaden wurden verhaftet. 

Die Wirksamkeit der Verbote und der Bekämpfung der Hamas-Strukturen in Deutschland ist weiterhin umstritten. Trotz Verboten und Maßnahmen ist die Hamas weiterhin aktiv und versucht, ihre Präsenz und Einflussnahme aufrechtzuerhalten.