Skip to main content

Zerocalcare: Unten im Loch. Eine Geschichte über Nazis, Knast und Verantwortung

Einleitung

Der Name Zerocalcare dürfte einigen bekannt sein. Der italienische Comic-Zeichner und -Autor hat unter anderem für den Comic „Kobane Calling“ international viel Aufmerksamkeit und Lob erhalten.

Zerocalcare

 „Unten im Loch“ beginnt in Budapest. Zerocalcare ist auf einem Comicfestival. Sein gezeichnetes Alter-Ego sitzt an einem Tisch und gibt Autogramme und unterhält sich mit Besucher*innen. Es geht um das übliche, so der Erzählkommentar: Fußball, Gulasch und Nazis. Genauer um ungarische Nazis. Noch genauer um den „Tag der Ehre, eines der wichtigsten Treffen europäischer Neonazis.“ In einem kurzen Exkurs informiert Zerocalcare über die Eckdaten der Veranstaltung.1 Es reisen jedes Jahr militante Neonazis aus Frankreich, Deutschland, Skandinavien und Osteuropa an. Eine Besucherin erzählt, dass sie ihren Freund, der aus Syrien stammt, gebeten hat, an diesen Tagen zu Hause zu bleiben.
Während Martina erzählt, erinnert Zerocalcare sich an das, was er die „Anomalie des
letzten Jahres zu diesen Tagen“ nennt. Ein Ortswechsel, wir sehen den Hochsicherheitsknast in Budapest und eine Frau. Ilaria sitzt zu diesem Zeitpunkt seit
mehr als zehn Monaten in diesem Knast und ihr drohen bis zu elf Jahre Haft. In Briefen
schreibt sie über die Kälte, Übergriffe, Bettwanzen, mangelhafte Ernährung und Versorgung mit Hygieneartikeln und kaum Kontakt zur Außenwelt. Angeklagt ist sie für zwei Angriffe auf Neonazis kurz vor dem „Tag der Ehre“ 2023 und die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung.

Neben ihr gibt es drei weitere Personen, die am selben Tag wie Ilaria von den ungarischen Behörden festgenommen wurden, zwei von ihnen wurden direkt oder nach kurzer Zeit aus der Haft entlassen. International wurde nach weiteren 14 Personen gefahndet. In Deutschland werden aktuell neun mittels Öffentlichkeitsfahndung gesucht.

Die kriminelle Vereinigung, in deren „Kontext“ Ilaria gehandelt haben soll, ist die
von der Presse betitelten „Hammerbande“. 

Von unten, wie mit einen Strahler beleuchtet, blickt Zerocalcare aus der Dunkelheit mit zusammen gekniffenen Augen auf die Leser*innen und macht dadurch deutlich, wie absurd er die Vorwürfe findet. Er gibt auch einen kleinen Einblick in das "Antifa-Ost-Verfahren" um Lina E. und erklärt, dass Budapest nichts mit diesem zu tun hätte.

Der Comic endet mit den Gedanken Zerocalcares über Gewalt und Gewaltfreiheit und einem Plädoyer für antifaschistischen Widerstand.

Der Comic erschien pünktlich zum Prozessbeginn gegen Illaria und zwei weitere Personen im italienischen Magazin „Internazionale“ und ist in der deutschen Übersetzung gratis im Netz zu finden. Gegen einen kleine Spende verschicken Übersetzer*innen die gedruckte Ausgabe des Comics (Anfrage an SoliZero [at] proton.me).

Der Comic macht auf die unmenschlichen Haftbedingungen in Ungarn aufmerksam, betont die abstrusen Anklagen, die Konstruktion einer kriminellen Vereinigung und macht die Repression erfahrbar, indem er den Namen Gesichter, Körper und eine Geschichte gibt. Das ist gut und kommt zum richtigen Zeitpunkt. 

Dennoch hätten ein paar Seiten mehr dem Comic gut getan. An ein paar Stellen, bleibt Zerocalcare an der Oberfläche. Zeichnungen und Haltung sind stabil und auch Zerocalcares
sarkastischer Stil fehlt nicht, aber vergleicht man „Unten im Loch“ mit „Kobane Calling“ fehlen die Details und die Tiefe.

Zerocalcare
Unten im Loch. Eine Geschichte über Nazis, Knast und Verantwortung.
Rom/Gennaio 2024. 26 Seiten
Kostenlos als PDF:
www.antifa-frankfurt.org/wp-content/uploads/2024/02/Unten-im-Loch_-Zero…

  • 1

    Am sogenannten „Tag der Ehre“ erinnern seit den 1990er Jahren alte und neue Nazis an den Ausbruchsversuch von Soldaten der Wehrmacht, der Waffen-SS und der ungarischen Armee aus der von der Roten Armee eingekesselten Stadt.