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AfD: Aufstieg einer rechten Wutbürger-Partei

Alexander Häusler (Gastbeitrag)
Einleitung

Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) hat erfolgreich die rechtspopulistische Lücke hierzulande besetzt und sich zur passenden Partei für ein entsprechend rechtes Wahlpotenzial für Deutschland entwickelt. Im Laufe ihres Werdegangs hat sie sich in ihrer Ausrichtung mehrmals gehäutet und ist zugleich konstant immer weiter in das offen extrem rechte Spektrum gewandert, wobei sie sich inhaltlich sowie organisatorisch dem rechten Protest- und Bewegungsspektrum geöffnet hat. Sie hat sich zu einem parteipolitischen Dach für die meisten der unterschiedlichen Milieus der Rechten entwickelt und betreibt eine rechte Transformation der Demokratie.
 

AfD Sommerfest Nazi
(Foto: Pressefuchs)

Rechte Parteien versuchen, sich propagandistisch als „nationale Retter“ in Krisensituationen zu inszenieren. Sie sehnen und reden den Ausnahmezustand herbei, in der Hoffnung als nationaler Krisengewinnler davon parteipolitisch zu profitieren. Die AfD hat passend zur Einführung und Krise des Euro ihren Parteinamen kreiert und damit eine günstige Gelegenheit genutzt, um die rechtspopulistische Lücke zu besetzen.

Sie war allerdings nicht die erste Anti-Euro-Partei von rechts: Vielmehr war es der „Bund Freier Bürger“ (BFB), der als erste rechte Partei das Thema relativ erfolglos zu besetzen versuchte. Viele der ehemaligen BFBler fanden bei Gründung der AfD Zugang. Ebenso rekrutierte die Partei der rechten Wut-Bürger ehemalige Mitwirkende der Partei „Bürger in Wut“ (BiW) in ihren Reihen. Die AfD bestand anfangs aus einem nationalkonservativen, einem neoliberalen und einem offen extrem rechten Flügel, wobei Letzterer noch nicht wie heute im öffentlichen Bild sichtbar gewesen ist.

Obwohl sie in der damaligen Bundeskanzlerin Merkel ein ausgeprägtes Feindbild gefunden hatten, war die AfD Fleisch vom Fleische der CDU. Viele Parteimitlieder kamen vom nationalkonservativen Flügel der CDU. Das war zugleich der günstige Startmoment für die AfD: dass sie in der öffentlichen Wahrnehmung nicht aus der rechtsextremen Ecke kam, sondern sich mit ihrem Parteichef Bernd Lucke ein professorales und damit scheinbar kompetentes Erscheinungsbild gab. Zugleich jedoch war sie die passende Partei zur damals laufenden Sarrazin-Debatte: Sie übersetzte die rassistischen und muslimfeindlichen Thesen des ehemaligen Berliner Finanzsenators, SPD-Mitglieds und Erfolgsbuchautors in parteipolitische Forderungen. Die AfD war zu Beginn also nicht nur eine Zurück-zur-DM-Partei, sondern zugleich eine Pro-Sarrazin-Partei – eine Partei des rechten Kulturkampfes.

Führerkämpfe auf dem Weg nach Rechts­außen

Doch Luckes Stern in der AfD glühte nur anfangs. Es war der Spiritus Rektor der Partei, der ehemalige CDUler Alexander Gauland, der passend vor den ersten Landtagswahlen in Ostdeutschland zur Veränderung des Erscheinungsbildes unter Lucke und des Ex-BDI-Chefs Hans-Olaf Henkels aufrief. Einen taktisch Verbündeten fand er in Götz Kubitschek, Kopf des extrem rechten „Instituts für Staatspolitik“ (IfS), der angeblich maßgeblich an der „Erfurter Resolution“ beteiligt war, die Lucke zu Fall brachte. 

Mit der „Erfurter Resolution“ als Gründungsdokument des „Flügels“ kam es zur Hinwendung auf das offen extrem rechte Bewegungsspektrum. So kam es zum Sturz Luckes, der Inthronisierung von Frauke Petry als neue Parteichefin und zur Öffnung der Partei für die rechtsradikalen Aktivisten auf der Straße. Doch auch Petry, die den Begriff „völkisch“ für die Partei zu normalisieren versuchte, war nur eine Zwischenstation und wurde abgelöst von dem neoliberalen Professor Jörg Meuthen, der sich dem extrem rechten Flügel anbiederte und die AfD als Ausweg vom „links-versifften 68er Deutschland“ aufstellen wollte. 

Sobald sich in der Folgezeit jemand gegen den sich selbst so bezeichneten „Flügel“ und seiner dahinter­stehenden Netzwerke ausspricht, wurde er/sie in der Partei entmachtet: An diesem Netzwerk und seiner Führungsfigur, den Thüringer AfD-Landeschef und Scharfmacher Björn Höcke, kommt mittlerweile niemand in der Partei vorbei. In der Folgezeit wurde der „Flügel“ zwar formal selbst wieder aufgelöst, um sich vor staatlicher Repression zu schützen, jedoch haben seine Netzwerke aktuell noch an Einfluss hinzugewonnen. So stürzte auch Meuthen, als er versuchte, sich taktisch anders als Höcke aufzustellen. Auch er musste die Segel streichen, als er  einen taktisch mehr gemäßigten Parteikurs anmahnte und wurde ersetzt durch das Duo Alice Weidel und Tino Chrupalla, die augenblicklich noch die Spitze der Partei darstellen, bevor Höcke sich anschicken wird, höchstoffiziell das Ruder zu übernehmen.

Politische Gelegenheiten

Im Laufe ihres Werdeganges hat sich die AfD propagandistisch mehrmals gewandelt: Von einer eher atlantisch sowie offen neoliberal und nationalkonservativ ausgerichteten Partei gab sie sich in der Folgezeit immer deutlicher das Image einer extrem rechten Bewegungspartei. Außenpolitisch zeigte sie in der Folgezeit Avancen zu autoritären Regimen wie Putins Russland und offenbarte jüngst Geheimdienstkontakte einzelner Funktionsträger zu Chinas diktatorischer Führung. 

Von Höcke stammt die Devise, dass die AfD zu einer „fundamentaloppositionellen Bewegungspartei“ werden müsse. Was darunter zu verstehen ist, konnte man am 1. September 2018 in Chemnitz sehen: Das Zusammenkommen der unterschiedlichen Gruppen der extremen Rechten auf der Straße - eine Art (neo)faschistische Machtdemonstration. Das sogenannte Ausländerthema ist das Kernthema der AfD, wie bei jeder anderen völkisch-nationalistischen Partei. Als „Geschenk“ bezeichnete Gauland im Kontext sinkender Umfragewerte die Debatte um ansteigende Flüchtlingszahlen 2015. War die Coronakrise ein Anlass für die AfD, sich der rechten Protest- und Verschwörungsszene anzubiedern, so setzte sie spätestens ab 2024 in Folge steigender Flüchtlingszahlen im Kontext des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine wieder auf das rechte Erfolgsthema Asyl.

Das (neo)faschistische Potenzial

Die AfD hat nicht nur andere extrem rechte Parteien durch eigene Wahlerfolge dezimiert, sondern ist zudem selbst zu einem Sammelbecken der extremen Rechten geworden. Mit der Netzwerkstruktur des formal aufgelösten „Flügels“, der AfD-Jugendorganisation, dem Umfeld von „Identitärer Bewegung“ über die AktivistInnen der rechten Anti-Asyl-Proteste bis hin zur rechten Kaderschmiede des IfS und dem Putin-nahen Compact-Magazin, verfügt die Partei zudem über ein proto- und neofaschistisches Potenzial, das innerhalb der Partei immer einflussreicher und mehrheitsfähiger wird. Mit faschismusähnlichen Riten bei Zusammenkünften am Kyffhäuser-Denkmal wird sich regelmäßig der eigenen Stärke versichert.

Mit Hans-­Christoph Berndt wurde in der Partei ein Bewegungsmitglied der extremen Rechten zum Brandenburger AfD-Fraktionsvorsitzenden gemacht, der den rassistischen Verein „Zukunft Heimat“ aus Cottbus mit aufgebaut hatte – das ist die Zielrichtung der Forderung Höckes, die AfD zur „Bewegungspartei“ auszubauen.

Transformation der Demokratie?

1967 veröffentlichte Johannes Agnoli das gleichnamige Buch und beschrieb darin den Rechtsruck vom Inneren der Macht hin zu autoritären Verhältnissen. Ähnliches strebt die AfD an: Eine Verschiebung der Verhältnisse nach rechts in das autoritäre Lager. Ähnlich dem Vorbild der österreichischen FPÖ, die nach dem sog. Ibiza-Skandal unter ihrem Parteichef Kickl einen Wiederaufstieg vollzog, strebt die AfD die Vorherrschaft auf das nationalkonservative Lager an, nachdem sie die Hoheit über das offen extrem rechte Spektrum schon gewonnen hat. 

Doch aktuell sinken die Prognosen zur Europawahl in Folge der Demonstrationen nach den „Correctiv“-Veröffentlichungen und den Skandalen um Geheimdiensttätigkeiten im Umfeld der EU-Spitzenkandidaten der Partei. 

Angesichts der Massendemonstrationen mit Politikprominenz und TV-Debatten zwischen AfD-Funktionsträgern und bürgerlicher Parteiprominenz stehen antifaschistisch Gesinnte vor einem Dilemma: Ein „Weiter so“ wird als Verteidigungsmittel der Demokratie gegen rechts ausgerufen: Mit der Ampel gegen die AfD? Jenseits taktischer Wahlentscheidungen steht zur Debatte, wie eine progressive Alternative zum Rechtsruck geschaffen werden kann und wie alltagstaugliche solidarische Antworten zur bestehenden Multikrise formuliert werden können. Zudem ist ein antirassistischer und antifaschistischer Aktivismus heutzutage eine Notwendigkeit.

Alexander Häusler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsschwerpunktes Rechtsextremismus/Neonazismus der Hochschule Düsseldorf (www.forena.de) und hat die AfD von Beginn an kritisch-publizistisch begleitet.