Podcast: "Eisernes Schweigen"
Die Autorin Traudl Bünger erforscht in ihrem Podcast und Buch „Eisernes Schweigen“ die Vergangenheit ihrer Familie: Nach dem Tod ihres Vaters öffnet sie die Luke zum Dachboden, stöbert in den Relikten seiner Vergangenheit – und entdeckt ein Familiengeheimnis, das eng mit der deutschen Geschichte und Gegenwart verbunden ist. Vier Jahre lang hat Bünger recherchiert, um herauszufinden, worüber ihr Vater ein Leben lang schwieg. „Ich habe ein Land kennengelernt, das die Schatten seiner Vergangenheit übersieht – bis heute.“ Wie ist es herauszufinden, dass der eigene Vater ein Attentäter war? Bünger erzählt ihre Geschichte von der Suche nach der Wahrheit über ihren Vater, der im Oktober 1962 an einem tödlichen Bombenanschlag von Südtiroler Seperatisten auf einen Bahnhof in Italien beteiligt war. Mehrere Menschen wurden verletzt. Ein Mensch starb.
Eisernes Schweigen Ein Interview mit Traudl Bünger – Mio Grupe (WDR)
Traudl Bünger: Mein Name ist Traudl Bünger, ich bin Autorin und Kulturvermittlerin aus Köln. Im Projekt „Eisernes Schweigen“ lüfte ich ein Familiengeheimnis. Vier Jahre habe ich recherchiert, in den Archiven von drei Ländern. Es geht um die Geschichte meines Vaters, der 1962 ein Attentat verübt hat. Und es geht darum, dass mein Vater sein Leben lang rechtsextremes Gedankengut vertreten hat.
AIB: Was hat dich dazu inspiriert, deine Familiengeschichte zu veröffentlichen?
Traudl Bünger: Es gibt einen Satz von Christian Kracht, der für mich ziemlich stilbildend war bei der Arbeit: „Alles, was nicht ins Bewusstsein steigt, kommt als Schicksal zurück.“ Das soll heißen: Wenn man nicht weiß, was passiert ist, dann kann man es nicht lösen. Und ich habe versucht, es zu lösen.
AIB: Wie bist du bei der Recherche vorgegangen?
Traudl Bünger: Die erste Überraschung war, dass noch sehr viele Unterlagen vorhanden sind. Seit 60 Jahren liegen sie in Archiven. Als ich das herausgefunden hatte, habe ich Anträge gestellt, denn nicht jeder kann jede Unterlage einsehen. Und dann bin ich sehr viel in Archive gefahren. Ich habe sehr viel gelesen, und dann habe ich Puzzlestein für Puzzlestein die Geschichte zusammengesetzt. Und meine Maßgabe war immer: Solange ich noch nicht verstanden habe, warum was an welcher Stelle passiert, höre ich nicht auf zu recherchieren.
AIB: Welche Expert:innen haben entscheidend zur Recherche beigetragen?
Traudl Bünger: Es sind vor allem: Gideon Botsch, Rechtsextremismus-Forscher aus Potsdam, der zu der Zeit forscht, in der diese Dinge passiert sind, mit dem ich mich sehr viel ausgetauscht habe und der mir sehr kostbare Impulse gegeben hat. Und Christoph Franceschini, Journalist und Historiker aus Südtirol, der viel zum Südtirol-Konflikt gearbeitet hat und mir auch viele Dinge erklärt hat, Sachen gezeigt hat und dem ich sehr dankbar bin für seinen Input.
AIB: Wie war es für dich, persönlich involviert zu sein und gleichzeitig eine objektive Perspektive in der Recherche zu bewahren?
Traudl Bünger: Schwieriger Balanceakt - das ist insgesamt ein Projekt, das einen sehr herausfordert, Objektivität, Urteil, Haltung zu haben gegenüber diesen Taten und eben emotional involviert zu sein, Gefühle zu haben für diesen Menschen, um den es geht. Das ist schwer zu vereinbaren.
AIB: Was möchtest du mit deinem Podcast vermitteln?
Traudl Bünger: Diese Geschichte ist eben nicht nur eine persönliche, sondern auch eine überindividuelle, die gesellschaftliche Relevanz hat. Wir sehen an dieser Geschichte einen Staat, der sein rechtes Auge zukneift. Und das hat Effekte, die bis heute reichen, bis zu den Schockmomenten, die wir jetzt erlebt haben im Potsdamer „Geheimtreffen“. Es ist die gleiche Szene, in der diese Diskussionen geführt werden, der es um Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund geht. Wie die Szene, in der damals die Attentate geplant wurden. Es ist, glaube ich, unglaublich wichtig, da genau hinzuschauen, den Blick und das Urteil zu schärfen.
Zum Podcast: https://1.ard.de/eisernesschweigen-podcast