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Der rechte Rand der DDR-Aufarbeitung

DrR-DDR

Bereits im Februar 2019 organisierte die Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung Anetta Kahane gemeinsam mit den beiden Historikern Klaus Bästlein und Enrico Heitzer die Fachtagung „Der rechte Rand der DDR-Aufarbeitung“ in Berlin. Drei Jahre nach dieser Veranstaltung wurden verschiedenste Beiträge aus den Workshops und Veranstaltungen in einem lesenswerten Sammelband veröffentlicht.

Eine differenzierte Sichtweise auf die verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen innerhalb der DDR nimmt in den letzten Jahren zwar zaghaft mehr Raum ein, stand aber seit dem Ende der DDR nicht im Mittelpunkt der politischen Debatten. Ins Zentrum rückte vielmehr eine vor allem publizistisch geführte Debatte um die Deutungshoheit über das Wesen der DDR. Diese erfolgte mit Blick auf die historische Aufarbeitung insbesondere über die selektive Fokussierung auf die „Verbrechen des Kommunismus“ und konnte damit früh eine Anschlussfähigkeit an verschiedenste konservative, reaktionäre und (extrem) rechte Akteur*innen erzeugen.

Begleitet wurde diese Debatte von einer strukturellen Gleichbehandlung der DDR mit dem nationalsozialistischen Deutschland, die „über das Merkmal einer Dichotomie von Herrschenden und Beherrschten bestimmt“ wurde und eine totalitarismus-theoretische Gleichsetzung mit dem Ziel der Relativierung des NS beinhaltete. 

Wie sich dies in der Praxis entfalten kann, verdeutlicht Annica Peter am Beispiel der Gedenkstätte Hohenschönhausen. Demnach spielt gerade die Emotionalisierung eine wichtige Rolle, während „historische Fakten“ und „differenzierte Betrachtungen“ vernachlässigt würden, „um den gewünschten Botschaften Platz zu machen.“ 

Emotionen macht sich auch die AfD in ihrer Ansprache einer ostdeutschen Identität zu nutze, wenn es um die eigenen Erfahrungen im vereinten Deutschland geht. Jenny Wüstenberg betont in diesem Zusammenhang, dass die Vorstellung, Ostdeutsche werden „‚wie damals in der DDR‘ diffamiert und ins Abseits gedrängt“, ein anhaltend großes Mobilisierungspotential besitzt.

Herausgehoben wird aber auch, dass gerade der rechte Rand der DDR-Aufarbeitung erst vergleichsweise spät öffentlich wahrgenommen wurde. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als verschiedene frühere Bürgerrechtler*innen wie u.a. Vera Lengsfeld oder Angelika Barbe begannen, sich weit rechts zu positionieren. Dass es sich hierbei nicht um vereinzelte Ausfälle gehandelt hat, sondern einem über Jahrzehnte entwickelten Geflecht entsprungen ist, „das die Grundwerte einer pluralistischen Demokratie infrage stellt“, verdeutlicht u.a. Enrico Heintzer in seinem lesenswerten Beitrag über Akteur*innen, Organisationen und Publikationen der rechten DDR-Aufarbeitung.

In diesem wie weiteren Texten wird u.a. das Wirken der „Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft e.V.“ (UOKG) herausgearbeitet, die als „Herzkammer“ der Versuche charakterisiert wird, „im Rahmen der DDR-Aufarbeitung das DDR-Unrecht nicht auf-zuarbeiten, sondern es gegen nationalsozialistische Verbrechen aufzurechnen.“

Die fünfzehn abgedruckten Beiträge können einzeln gelesen werden und für sich stehen, doch geben sie erst in ihrer Gesamtheit einen gelungenen Überblick bezüglich der vielfältigen Perspektiven auf das umfangreiche Feld der DDR-Gedenkund Aufarbeitungspolitik.

Klaus Bästlein, Enrico Heitzer, Anetta Kahane (Hrsg.)
Der rechte Rand der DDR-Aufarbeitung
Metropol Verlag, Berlin, 2022
272 Seiten