Hamburgs „Baseballschlägerjahre“
Die sogenannten „Baseballschlägerjahre“ umfassen eine Vielzahl von Erfahrungen rassistischer und extrem rechter Gewalt, die sich ab den 1990er Jahren rasant verbreitete und häufig in Gestalt des neonazistischen Skinheads manifestierte.
Felix Krebs und Florian Schubert skizzieren in ihrem auf das Bundesland Hamburg fokussierten Buch - in Anlehnung an diesen medial und öffentlich breit rezipierten Begriff - die 1980er Jahre als einen Zeitraum, der in der Betrachtung hingegen oftmals noch zu kurz kommt. Rückblickend mag das durchaus überraschen, denn laut Krebs und Schubert lag die Zahl rechter und rassistischer Gewalttaten in diesen Jahren in Hamburg „deutlich höher als in den Jahrzehnten davor oder danach.“
Eine naheliegende Erklärung für die mangelnde Beachtung liefern die beiden Autoren bereits mit: Über gesellschaftlichen und institutionellen Rassismus zu sprechen war zur damaligen Zeit nicht nur in der Parteienlandschaft verpönt. Gleichzeitig wurde die Entstehung einer auch jugendkulturell geprägten neonazistischen Szene über Jahre hinweg gerade in der Justiz massiv verharmlost. Einleitend verdeutlichen Krebs und Schubert daher, wie die extreme Rechte auch anhand einer rassistisch geprägten Asyl- und Migrationsdebatte „an in der Bevölkerung und der Politik vorhandene Ressentiments anknüpfen“ und diese verstärken konnte.
Den Hauptteil des Buches jedoch macht eine chronologische Übersicht der Jahre 1980 bis 1989 aus. In diesem Zeitraum kam es in Hamburg zu mindestens acht Tötungsdelikten, 13 Bomben- und Brandanschlägen sowie einer Vielzahl von körperlichen Angriffen. Die jeweils dargestellten Taten werden nicht isoliert betrachtet, sondern immer wieder in Verbindung mit der organisierten Neonaziszene gebracht.
Eben jene ist bereits im Jahr 1980 in Form der rechtsterroristischen „Deutschen Aktionsgruppen“ u.a. für den Tod von Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân verantwortlich. Beide sterben nach einem rassistisch motivierten Brandanschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft am 22. August in Hamburg-Billbrook.
Parallelen zu aktuellen Entwicklungen zeigen sich insbesondere in der im Buch dargestellten Ausbreitung einer jugend- und subkulturell geprägten Neonaziszene. Diese entstand in den 1980er Jahren in Hamburg u.a. aus Fußballfans des HSV und trat zu Beginn des Jahrzehnts durch verstärkte Angriffe auf Jugendeinrichtungen und deren Nutzer*innen in Erscheinung. Eine immer größere öffentliche Raumnahme ging dabei auch mit einer Zunahme an insbesondere rassistisch-motivierte Gewalttaten einher.
Diese Entwicklung kulminierte u.a. 1985 in der Tötung von Ramazan Avcı der von mehreren Neonazis brutal zusammengeschlagen wird und am 24. Dezember seinen schweren Verletzungen erliegt.
Viele weitere Vorfälle bieten einen eindrücklichen Blick nicht nur auf die rassistische und extrem rechte Gewalt der 1980er Jahre, sondern auch in den damit verbundenen Deutungskampf von Betroffenen und Aktivst*innen gegenüber parteipolitischen Akteur*innen und Teilen der Medien. Gerade dieser Aspekt macht das Buch auch für Leser*innen außerhalb Hamburgs interessant und ist hoffentlich eine Anregung zu ähnlichen Publikationen aus anderen Regionen.
Wer sich über die 1980er Jahre hinaus einen Überblick zur Entwicklung und Geschichte extrem rechter Gewalt in Hamburg verschaffen will, dem sei die Internetseite: rechtegewalthamburg.de empfohlen.
Felix Krebs / Florian Schubert
Hamburgs „Baseballschlägerjahre“
Rechte und rassistische Gewalt in
den 1980er-Jahren: gesellschaftliche
Bedingungen und staatliche Reaktionen
VSA: Verlag | Hamburg | 2025
168 Seiten | EUR 14.80
ISBN 978-3-96488-199-1