Nachrichten aus Österreich (1993)
Meldungen, Informationen und Berichte aus Österreich zu Neonazismus, Repression und Widerstand.
Das »Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes« (DÖW) ist 30 Jahre alt
1963 wurde von wenigen ehemaligen WiderstandskämpferInnen das DÖW in Wien gegründet. Mit der Zeit entwickelte sich eine im In- und Ausland anerkannte wissenschaftliche Institution, die ein vielfältiges Tätigkeitsfeld aufweist: Es reicht von der Dokumentation des Widerstandes, der nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen und Verbrechen, Flucht, Exil, Holocaust, bis zur Bekämpfung des aktuellen Neonazismus. Archiv, Bibliothek, diverse Spezialsammlungen, wissenschaftliche Forschungen und Publikationen, Ausstellungen, Führungen, zeitgeschichtliche Aufklärung, insbesondere für SchülerInnen und Jugendliche, zuletzt immer stärker die Auseinandersetzung mit dem Neonazismus, mit »revisionistischer« Geschichtsfälschung und rassistischer Propaganda - das sind die wichtigsten Aufgabenbereiche des DÖW.
Polizeigewalt in Linz
Am 21. November 1992 kam es im Linzer Neustadtviertel zu einer Auseinandersetzung zwischen kurdischen, türkischen und österreichischen AntifaschistInnen und Aktivisten der extrem rechten „Grauen Wölfe“, wegen der geplanten Eröffnung einer Moschee und eines angeschlossenen Szene-Lokals der türkischen Nationalisten. Die Situation eskalierte und es kam zu einer regelrechten Straßenschlacht zwischen der Polizei, den „Grauen Wölfen “ und AntifaschistInnen, bei der mehrere Autos zerstört wurden. Dieser Konflikt wurde daraufhin in der Berichtersstattung der bürgerlichen Medien als Auseinandersetzung zwischen »linken« und »rechten« Türken verfälscht, oder einfach entpolitisiert und als »Türkenkrawalle« bezeichnet.
Dies paßte natürlich hervorragend in die rassistische FP-AusländerInnen-Kampangne und unter massiven Druck der FPÖ (insbesondere Hans Achatz) und der aufgehetzten Öffentlichkeit, wurden sofortige Maßnahmen gefordert. Die wichtigsten Punkte dieses Maßnahmenkatalogs sollten zusätzliche Polizeistreifen, ein weiters Wachzimmer, schärfere Überwachung ausländischer Vereine und eine verstärkte Überprüfung der Aufenthaltsgenehmigungen sein.
In Linz kam es kürzlich zu einer Diskussion zwischen Innenminister Franz Löschnak (SPÖ), Bürgermeister Franz Dobusch, Polizeipräsident Stark und den BewohnerInnen des Neustadtviertels. Löschnak bezeichnete sich als »Ausländerfreund« und der Polizeipräsident gab zu Protokoll: »Die Linzer Polizei behandelt alle Menschen gleich.« In Wirklichkeit sieht das laut Berichten der Betroffenen allerdings anders aus und die Erfüllung des Sicherheitsmaßnahmenpakets hat zu einem regelrechtem Überwachungswahn geführt.
Im Neustadtviertel werden die kurdischen Vereine und Lokale bis zu 5(!) mal am Tag kontrolliert. Die Polizisten gehen dabei brutal (teilweise mit vorgehaltener Waffe) und beleidigend vor. Lokale der türkischen Faschisten werden nur oberflächlich mit einem Blick durchs Fenster »kontrolliert«, obwohl die „Grauen Wölfe“ dort Kampfsportübungen abhalten. Die kurdischen Lokale werden auch von den „Grauen Wölfen“ angezeigt. Ein Heim mit vorwiegend türkischen, kurdischen und ex-jugoslawischen BewohnerInnen wird auch regelmäßig mit Poizeibesuch »beglückt«. Einmal wurde dieses Heim von einem Sonderkommando (vermummt, mit Schildern und vorgehaltenen Waffen) »überfallen«, wobei gezielt nach ausländischen Personen, die sich illegal hier aufhalten, und Menschen mit vermeintlicher PKK-Mitgliedschaft gesucht wurde.
Die Polizeistrategie war wohl ziemlich erfolgreich, denn alleine in den letzten zwei Monaten wurden an die 30 KurdInnen und TürkInnen abgeschoben. Die Betroffenen haben den Verdacht geäußert, daß der bei den Verhören anwesende Dolmetscher für die türkische Geheimpolizei arbeitet, da er auch von den Polizisten nicht gestellte Fragen stellt, und sich ganz besonders für das Umfeld der Betroffenen interessiert. Das würde nicht besonders überraschen, da der türkische Außenminister bei seinem vorletzen Besuch der österreichischen Regierung seine volle Unterstützung im „Kampf gegen die PKK“ angeboten hat. Bei seinem jüngsten Besuch konnte er die Aufhebung des Einreiseverbots, der im November 1992 abgeschobenen türkischen Faschisten (in ihrer Heimat wurden sie als Helden gefeiert) erwirken. Das Aufenthaltsverbot gegen die beiden kurdischen Antifaschisten wurde nur provisorisch aufgehoben. Den beiden droht also weiterhin die jederzeitige Ausweisung.
Prozeß gegen Küssel geplant
Die Termine im Prozeß gegen Gottfried Küssel (VAPO-Führer und einer der GdNF-Organisationsleiter) stehen jetzt fest: 17. Mai und die Woche vom 5. bis 9. Juli. Von Seiten Küssels dürfte es zu einem "Eiertanz" kommen. JournalistInnen sind gespannt, wie der »Führer« seinen »Kameraden« erklärt, warum er am 29. April 1992 bei der Haftprüfung angeboten hatte, bis Prozeßende von jeglicher politischer Betätigung abzuschwören. Küssel war im Januar 1992 verhaftet worden. Die Polizei fand bei Küssel zahlreiches Material zu Strukturen und Mitgliedern der VAPO. Ebenfalls verhaftet wurde der Deutsche Klaus Peter K.. Er hatte zusammen mit dem VAPO-"Gaubeauftragten NÖ", Hans Jörg Schimanek (junior), vor laufenden Fernseh-Kameras an Wehrsport Aktivitäten in Langenlois teilgenommen. Küssel gab in dem Neonazi-Blatt "HNG Nachrichten" an, er sei verhaftet worden, damit er kein "bewaffnetes technisches Sanitäts-Hilfskorps" für Kroatien aufstellen könne.
Aberkennung der Staatsbürgerschaft für Kroatien-Söldner ?
Österreichischen Söldnern in Jugoslawien droht die Aberkennung der Staatsbürgerschaft, schreibt das österreichische Innenministerium in seinem Magazin „INNERE SICHERHEIT! in seiner Januar/Februar-Ausgabe. Paragraph 32 des Staatsbürgergesetzes verpflichte die Landesregierung, ein Verfahren zur Aberkennung der Staatsbürgerschaft einzuleiten, wenn ein Österreicher in den Militärdienst eines anderen Staates eintrete. Fünf solcher Verfahren gegen Ex-Söldner würden bereits laufen; mit hoher Wahrscheinlichkeit werden sie mit der Aberkennung der Staatsbürgerschaft enden. Hierbei könnte es sich um Neonazis aus den Kreisen der VAPO handeln. Im Januar 1992 fand im Kursalon Hübner eine Art "Werbeveranstaltung" der HOS statt, vermutlich um "Söldner" zu werben. In "Der Spiegel" war der jugendliche VAPO Aktivist Richard M. als Kroatien-Kämpfer zu sehen, der mit Küssel in Kontakt steht.
FPÖ-Liste sorgt für guten Draht zu „Kameraden“ ?
Die Kandidatenliste der FPÖ zu den Landtagswahlen in Niederösterreich weist auf den ersten acht Plätzen gleich fünf Personen mit Querverbindungen zur extrem rechten Szene auf. Platz 2 hat Hans-Jörg Schimanek (Senior) inne, der Vater des gleichnamigen Neonazi-Funktionärs ("Kameradschaftsführer Krems Land"). Der auch nicht gerade fortschrittliche Vater hat wohl immer wieder die Hand schützend über die neonazistischen Aktivitäten seines Sohnes gehalten, berichten antifaschistische Medien aus Österreich. Auf Platz 4 folgt Edwin Rambossek, der auf dem Kameradschaftstreffen der „Kameradschaft Prinz Eugen“ als »Ehrengast« firmierte, zusammen mit dem SS-Offizier Walter Reder, dem »Schlächter von Marzabotto«. Die Kameradschaft »Prinz Eugen« schaffte es immerhin, wegen Rechtslastigkeit aus dem Österreichischen Kameradschaftsbund ausgeschloßen zu werden, wahrlich keine leichte Übung. Platz 5 repräsentiert Barbara Rosenkranz, die öffentlich das Verbotsgesetz kritisiert und sich auch sonst kaum von den politischen Ansichten ihres Ehemannes Jakob Horst Rosenkranz distanzierte. Dieser kandidierte zusammen mit dem Neonazi und Holocaustleugner Gerd Honsik 1990 auf der wegen NS-Wiederbetätigung verbotenen „Wahlliste Nein zur Ausländerflut“. Nach seiner gescheiterten Kandidatur finden wir Jakob Rosenkranz im geschichtsrevisionistischen „Verein zur Förderung der ganzen Wahrheit“ wieder, in dessen Vorstand sich 1990 vier Leute aus dem Umfeld der "Volkstreue Ausserparlamentarische Opposition" (VAPO) befanden.1 Die politischen Positionen von Wolfgang Haberler (Platz 6) und Alois Preiszler ihre Ansichten lassen sich in dem rechtsaußen Blatt „Der Völkerfreund“ von Herbert Fritz nachlesen. Preiszier ist auch ein Besucher der Feiern der „Kameradschaft IV“, einer Vereinigung von Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS.
Ochensberger in Auslieferungshaft
Walter Ochensberger, der »Schriftleiter« des Hetzblattes „SIEG“, sitzt in Kiel in Auslieferungshaft. Als "Kontaktpersonen" zu "SIEG" wurden auch diverse deutsche Neonazis im Heft benannt: Michael Wrosch (Berlin), Egar Geis (Stade), Thomas Brehl (Langen), Berthold Dinter (Rheda), Steffen Hupka (Detmold), Christian Malcoci (Grevenbroich), Jürgen Mosler, Harald Neubauer (Fulda) und Erwin Schönborn u.a. Die Kieler Justiz muß feststellen, ob ein bundesdeutscher Paragraph dem österreichischen NS-Verbotsgesetz entspricht. Ochensberger wurde letztes Jahr in Österreich zu zwei Jahren Haft wegen NS-Wiederbetätigung verurteilt. Der Prozess wurde von dem deutschen Neonazi-Filmer Kai Dalek (Kronach) dokumentiert. Bevor das Urteil rechtskräftig war, setzte er sich nach Spanien ab, von wo aus der „SIEG“ jetzt über die spanische Faschistenorganisation „Círculo Español de Amigos de Europa“ (CEDADE) um Pedro Varelas verschickt wird. Bevor Ochensberger mit einem Schiff aus Litauen kommend verhaftet wurde, hatte er sich u.a. im russischen Kaliningrad aufgehalten. In der litauischen Stadt Kaunas verfügen die österreichischen und bundesdeutschen Neonazis bereits über eine Druckerei. Ochensberger verkauft 500 DM-Anteilsscheine für eine Druckerei, die an eine Briefkastenfirma auf den britischen Virgin Islands zu schicken sind (Direktor ist Walter Ochensberger). Aus der Kieler Haft versendet der »politisch Verfolgte« Ochensberger schwülstige Briefe an seine Freunde. Allein zu fühlen braucht er sich nicht – liegt doch in der Zelle gegenüber, wie er schreibt, der Attentäter von Mölln.
Österreichischer Auschwitzlügner hat sich abgesetzt
Gerd Honsik (52), als Herausgeber des Neonaziblattes „HALT“ bekannt, hat sich Ende letzten Jahres ins Ausland abgesetzt, nachdem er im vergangenen Mai zu eineinhalb Jahren Knast wegen »Wiederbetätigung« (im NS-Sinne, in Österreich gibt es einen entsprechenden Strafbestand) verurteilt worden war. Dieses Urteil aus erster Instanz ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Damit tritt Honsik in die Fußstapfen von Walter Ochensberger (52), der ebenfalls Unterschlupf bei der CEDADE in Spanien gefunden hatte. Beide können in der CEDADE-Druckerei NOTHUNG (Barcelona) ihre Hefte drucken und z.T. über ein CEDADE-nahes Postfach verschicken lassen. Honsiks Verurteilung wegen Wiederbetätigung basiert auf dem Gutachten des Zeitgeschichteprofessors Gerd Jagschitz. Die Kosten für das Jagschitz-Gutachten, immerhin 2,1 Mio. Schilling, will Honsik nicht übernehmen. Honsik beklagte sich in einer HALT- »Notausgabe« vom Dezember 1992 darüber, daß Tjudar Rudolph (81), der an Honsiks Stelle den presserechtlich Verantwortlichen mimt, in der BRD »zwangspsychiatrisiert« worden sei. Als nächstes Projekt kündigte Honsik ein »Enthüllungsbuch« über den »Wiedergutmachungsbetrüger Szymon Wizenthal« an mit dem Titel: »Schelm und Scheusal«.
- 1Verein zur Förderung der ganzen Wahrheit - ab 1991 „Kritische Demokraten“ - Obmann: Horst Jakob Rosenkranz, im Jahr 1990 im Vorstand eingetragen: Kurt Hofinger, Reinhold Kovar, Stefan Tanscos, Andreas Sammer und Alois Desch.