Europas extreme Rechte macht mobil
Pilgerfahrt nach Österreich
Anfang November 2001 trafen sich Vertreter der führenden europäischen extrem rechten Parteien und Gruppierungen auf dem niederösterreichischen Schloss Kranichberg. Eingeladen hatte das österreichische rechte Blatt »Zur Zeit«.
Im Anschluß an das Treffen verkündete FPÖ-Chef Jörg Haider, dass die FPÖ und der rechte belgische Vlaams Blok bei den Europawahlen im Jahr 2004 auf einer gemeinsamen Liste antreten wollen. Der Chef des Vlaams Blok, Filip Dewinter, unterstütze diesen Vorschlag. AFP vom 18.November 2001 nach einem Bericht
des österreichischen Nachrichtenmagazins »Format«
Haider hatte in der Vergangenheit wiederholt für eine gemeinsame »Euroliste« rechter Parteien geworben. Nun scheint er seinem Ziel einen Schritt näher gekommen zu sein. Andreas Mölzer, bis vor kurzem kulturpolitischer Berater des Kärntner FPÖ-Landeshauptmannes Jörg Haider, plante schon seit mehr als einem Jahr, Vertreter rechtskonservativer und rechtsextremer Parteien Europas nach Österreich zu holen. Ein derartiges Gipfeltreffen sollte den bis dato gescheiterten Versuchen des Aufbaus einer »Euro - Rechten« neuen Schwung verleihen. Zudem zieht der Erfolg der FPÖ und deren Regierungsbeteiligung Rechtse aus ganz Europa an: Diese profitieren vom österreichischen Tabubruch und möchten sich auch unmittelbar die Erfahrungen der FPÖ dienstbar machen.
Anläßlich des vierjährigen Bestehens von Mölzers Wochenblatt »Zur Zeit« war es dann so weit: Am 10. November 2001 fand ein »Jubiläumskongreß« mit internationaler Beteiligung im Seminarhotel Burg Kranichberg in Niederösterreich statt. Das völkische Treffen stand unter dem Motto »Europas Rechtsparteien und die Medien« und wurde wie angekündigt durch ein Impulsreferat des FPÖ-Historikers und »Zur Zeit«- Kolumnisten Lothar Höbelt eröffnet. Höbelt hatte nichts Neues zu sagen, stattdessen übte er sich in Medienschelte und kritisierte die »Linkslastigkeit« von JournalistInnen. Zuvor hatte noch Barbara Rosenkranz, ihres Zeichens FPÖ-Landtagsabgeordnete in Niederösterreich, Grußworte an die Versammelten gerichtet. Am Nachmittag fand dann unter Mölzers Leitung eine Podiumsdiskussion »mit prominenten Ehrengästen der Rechtsparteien« statt. Die »Zur Zeit«-Herausgeber Johann Josef Dengler, John Gudenus (FPÖ-Bundesrat) und Mölzer versprachen nicht zu viel, als sie im Vorfeld behaupteten, dass diese Ehrengäste »öffentliches Aufsehen erregen« würden. Tatsächlich hatte Mölzer ohne taktische Rücksichtnahme auf die Mutterpartei und die Regierung, die »Zur Zeit« mit mehr als 800.000 österreichischen Schilling fördert, einige führende Köpfe der europäischen Ultra-Rechten eingeladen. Neben einem nicht näher genannten »Vertreter aus Italien« und einem »hochrangige(n) Mitglied der FPÖ« waren folgende Diskutanten angekündigt: Der stellvertretende kroatische Verteidigungsminister Kresmir Cosic von der nationalistischen HDZ, der ehemalige Innensenator Berlins und CDU Rechtsaußen Heinrich Lummer, nebenbei Ehrenpräsident von Joachim Siegerists rechtsextremer Sammlung »Die Konservativen«, der als »Hoffnung der französischen Rechten« bezeichnete Bruno Megret, Vorsitzender des Mouvement National Republicain (MNR) 1 , der Vorsitzende des Vlaams Blok, Filip Dewinter und István Csurka, Anführer der ungarischen Partei der Gerechtigkeit und des Lebens (MIÉP)2
Es ist vor allem die Einladung des wütenden Antisemiten Csurka, die international für Aufregung sorgte. Zu Recht, wie ein Blick auf Csurkas jüngste Ausfälle beweist. So liest sich sein Kommentar zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wie ein dazugehörendes Bekennerschreiben: «Die unterdrückten Völker der Welt konnten nicht die Erniedrigung durch die Globalisierung, die Ausbeutung und den in Palästina planmäßig durchgeführten Völkermord ohne einen Antwortschlag erdulden.« Im September warf Csurka in seinem Pamphlet »Einige Gedanken über Einkaufszentren, Quartiermacher und die Besetzung Ungarns« der vorangegangenen sozialistischen Regierung vor, sie hätte an der Spitze der ungarischen Nationalbank einen Manager »aus einer reformierten ungarischen Familie« durch einen Protegé »jüdischer Abstammung« ersetzt. Darüber hinaus behauptet er, der wegen seiner Beteiligung am Massenmord an den ungarischen Juden und Jüdinnen hingerichtete NS-Kriegsverbrecher Zoltán Bosnyák sei nur wegen der Veröffentlichung einer Aufzählung »jüdischer« Millionäre in Ungarn verurteilt worden. Abgerundet wird Csurkas Hetzschrift durch eine Liste sämtlicher jüdischer Organisationen samt genauer Adressenangabe. In der Ausgabe 26/2001 von »Zur Zeit« findet sich auf Seite 10 der Nachdruck eines Artikels von Csurka, in welchem er seine krude Weltanschauung zusammenfaßt. Für Csurka ist Europa seit 1945 von der obligaten »jüdischen Weltverschwörung« entmachtet und (geistig) kolonialisiert worden. Die als »Gestalter der Weltfinanzen« bezeichneten Juden und Jüdinnen hätten zunächst die »amerikanische Weltmacht« in Besitz genommen, um dann Europa zur supranationalen Einigung zu zwingen. Auch die NATO-Intervention im ehemaligen Jugoslawien diene deren Interessen. Für Csurka stellt die Präsenz von NATO-Truppen in der Region doch »Israels Sicherheitsflanke vom Nordwesten« dar. Auch das für Europa so gefährliche »Selbstaufrichten des russischen Imperiums« nütze nur »Amerika und Israel«. Die in Deutschland begonnene und auf ganze Europa ausgeweitete »Umerziehung« werde auch in Ungarn von den Medien betrieben. Und diese sind laut Csurka ebenfalls »von dieser nationsfremden Clique beherrscht.« Auch hinter der internationalen Ablehnung der FPÖ-Regierungsbeteiligung stünde »ein außereuropäisches Land, Israel«. Gegen diese »jüdische« Ablehnungsfront organisierte die MIÉP-Jugend am 13. Februar 2000 vor der österreichischen Botschaft in Budapest eine Solidaritätskundgebung, was - wen wundert es - in der Internet-Ausgabe der NS-Nachrichten von der NSDAP/AO lobend erwähnt wurde. 3
Aber nicht nur der Anführer der MIEP tut sich mit antisemitischer Hetze hervor. Lóránt Hegedüs junior, ein Stellvertreter Csurkas an der Spitze der rechtsextremen MIÉP, schrieb unlängst über Juden und Jüdinnen: »Vom Ufer des Jordans kommen sie wieder an das Ufer der Donau, um noch einmal den Ungarn einen Fußtritt zu geben. Deswegen höre du Ungar die einzige zum Leben führende Botschaft im 1000. Jahr des christlichen ungarischen Staates: Wirf sie hinaus! Denn wenn du es nicht tust, dann werden sie es mit dir tun.« Ein anderer MIÉP-Politiker namens Tibor Franka beschrieb das Feindbild öffentlich in schlimmster nationalsozialistischer Diktion: »Ihre Nase rinnt, ihr Ohr befindet sich tiefer als ihr Nasenflügel und sie sind krummbeinig«. Die Reaktionen des potentiellen Koalitionspartners der MIÈP ähneln denen österreichischer Konservativer. So meinte Ungarns amtierender Ministerpräsident Viktor Orban vom Bund der Jungen Demokraten (FIDESZ) über die antisemitischen Ausfälle Csurkas und seiner Partei gegenüber der Süddeutschen Zeitung4 : »Es ist Teil der ungarischen Polit-Folklore, dass die Linke jeden Nicht-Linken zum Antisemiten erklärt.« Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Pläne der europäischen Ulta-Rechten, bei den Europawahlen in zwei Jahren mit einer gemeinsamen Liste anzutreten, dann noch aktuell sind. Deutlich wurde bei dem Treffen auf Schloss Kranichberg vor allem, dass das Modell Österreich und die Erfolge des Vlaams Blok der europäischen Rechten neuen Aufwind geben. Und dass Antisemitismus in diesen Kreisen zum Programm gehört.