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»Europa erwache!«

Einleitung

Zu den jüngsten Einigungsbestrebungen der Euro-Rechten

Bild: attenzione-photo.com

Der FPÖ-Funktionär Heinz-Christian Strache (rechts) zusammen mit und Pro Köln Chef Markus Beisicht (links) im Juni 2007 in Köln.

Zwischen dem 11. und 13. November 2005 fand in Wien auf Einladung der Akademie der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) – nach November 2001 (Gloggnitz) und Juli 2002 (Klagenfurt) – ein weiteres, diesmal streng konspiratives Treffen zwischen freiheitlichen Spitzenfunktionären und VertreterInnen von extrem rechten und neofaschistischen Parteien aus sechs europäischen Ländern statt. Die FPÖ war vertreten durch ihren Obmann Heinz Christian Strache, den Abgeordneten des Europäischen Parlaments Andreas Mölzer und den Präsidenten der Freiheitlichen Akademie, Volksanwalt Ewald Stadler.

Nach Wien gekommen waren Kader des Vlaams Belang, der Nachfolgepartei des 2004 aufgrund anhaltender Verstöße gegen das belgische Anti-Rassismusgesetz behördlich aufgelösten Vlaams Blok, des Front National (FN), der franquistischen Alternativa Espanola, der Azione Sociale, einem neofaschistischen Parteienbündnis (Movimento Sociale-Fiamma Tricolore, Forza Nuovo und Fronte Sociale Nazionale), der Großrumänienpartei (PRM) und der bulgarischen Hetztruppe Ataka. Lega Nord, Dänische Volkspartei und die polnische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatten nur eine Grußbotschaft entsandt. Es ist im Moment auch nicht davon auszugehen, dass diese Parteien sich einer etwaigen Fraktion der extremen Rechten im Europäischen Parlament anschließen werden. Diese soll 2007 endlich Wirklichkeit werden: Der ansonsten gar nicht so erweiterungsfreudige Mölzer hofft dann auf gleichgesinnte Abgeordnete aus Bulgarien und Rumänien, um endlich Fraktionsstärke erreichen zu können.

Am Ende dieses »Patriotentreffens« wurde ein von Mölzer verfasstes Papier, die so genannte »Wiener Erklärung«, verabschiedet. Darin wird und anderem die »Schaffung eines Europas der freien und unabhängigen Nationen im Rahmen eines Staatenbundes souveräner Nationalstaaten«, eine »pro-nationalistische Familienpolitik, die Förderung des Kinderreichtums der europäischen Völker in der traditionellen Familie«, der »solidarische Kampf der europäischen Völker gegen die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Globalisierung« und ein »sofortiger Einwanderungsstopp in allen Staaten der Europäischen Union auch im Bereich des so genannten Familienzuzugs« gefordert.

Deutscher Kern

Wenn Mölzer auch mit Jörg Haider sein Zugpferd in Sachen Einigung der extremen Rechten in Europa abhanden gekommen ist, so hat er seine diesbezüglichen Anstrengungen nun weiter verstärkt. Nach wie vor wirkt hier aber die Tatsache hemmend, dass es in Deutschland noch immer keinen geeigneten Ansprechpartner in Form einer geeinten Rechtspartei gibt. Zunächst glaubten Haider und Mölzer, in Alfred Mechtersheimers Deutscher Aufbau-Organisation diesen gefunden zu haben. Dann erwiesen sich Joachim Siegerists und Heinrich Lummers Deutsche Konservative als bloßer Papiertiger. Gleiches gilt für die DVU-Abspaltung Freiheitliche Deutsche Volkspartei.

Nun reiste Ende Oktober Bernd M. Schöppe, pro Köln-Ratsmitglied, nach Wien, um sich mit FPÖ-Kadern auszutauschen. Im FPÖ-Vorfeldorgan Aula wurde gleichzeitig ein Artikel der pro Köln-Fraktionsvorsitzenden Judith Wolter platziert. Die Dezember-Ausgabe des »freiheitlichen Magazins« berichtet darüber hinaus von einer »Österreich-Tournee«, die Mitte November von führenden NPD-Kadern absolviert wurde. Weil sich die FPÖ-Spitze (noch) nicht offiziell mit den Nationaldemokraten einlassen kann, musste einmal mehr das burschenschaftliche Vorfeld als Bindeglied herhalten. Und so traf man sich mit Udo Voigt und Andreas Molau auf der Bude einer Grazer Korporation.

Wie unumstritten bei manchen die deutsche Führungsrolle im Projekt Euro-Rechte ist, machte Filip Dewinter (Vlaams Belang) in Wien deutlich. Auf die Frage, wer bei den kommenden Wahlen zum Europäischen Parlament eine etwaige Liste der extremen Rechten anführen solle, antwortete er: »Das kann man jetzt noch nicht sagen. Wir haben in Deutschland noch keinen Ansprechpartner.« Die pangermanistischen Hegemoniebestrebungen stoßen jedoch bei anderen (v. a. den polnischen) Rechtsparteien auf Ablehnung und verunmöglichten schon in der Vergangenheit eine Einigung der Euro-Rechten.

Schwere Geburt

Zuletzt scheiterte Mölzer im Sommer 2004 beim Versuch, eine rechtsextreme Fraktion im Europäischen Parlament zu bilden: Die rechtspopulistischen und rechtskonservativen Parteien weigerten sich, mit dem Front National, dem Vlaams Belang, italienischen NeofaschistInnen und der FPÖ zusammen zu gehen. Die Lega Nord zeigte sich zunächst gesprächsbereit, schloss sich dann aber lieber der Fraktion Demokratie und Unabhängigkeit an. Deren 37 Abgeordnete kommen daneben aus der britischen Unabhängigkeitspartei, der Liga der polnischen Familien, der Bewegung für Frankreich, der dänischen Junibewegung, der schwedischen Junilistan, der niederländischen Christenunion, der tschechischen Unabhängigkeit und der griechischen Partei LAOS. Ebenfalls rechts außen beheimatet ist die 29köpfige Fraktion Union für das Europa der Nationen. Hier scheiterten die freiheitlichen Bemühungen um Aufnahme schon in der Vergangenheit am Widerstand der Alleanza Nazionale.

Neben dem nationalen Partikularismus, der die extrem rechten Parteien bei allen europäischen Bekenntnissen nach wie vor kennzeichnet, wurde eine Einigung bis dato auch durch den unterschiedlichen Charakter der Nationalismen erschwert. Während FPÖ und Vlaams Belang der völkischen Linie anhängen und den Regionalismus als Instrument zur Zerschlagung politisch gefasster Nationen hochhalten, ist der Nationalismus italienischer, spanischer und französischer Neofaschisten ein etatistischer und zentralistischer. Wie fragil auch das neue Bündnis ist, zeigte sich bereits in der Diskussion zur »Wiener Erklärung«: Zunächst war dort die Rede von »europäischen Völkern«, was manchen Gästen gar nicht gefiel. Man einigte sich schließlich auf »europäische Nationen«. Vereinheitlichend wirkt demgegenüber der Antiamerikanismus und ein sich als Globalisierungskritik tarnender Antisemitismus.

Nation (und/oder) Europa

Seit 1945 versuchen Intellektuelle der extremen Rechten, Europa als Idee im Rückgriff auf faschistische Ideologen, den »arischen Mythos«, ein »Christentum, das seine Werte verteidigt« (FPÖ-Programm) und den »antibolschewistischen Befreiungskampf« der Waffen-SS zu rekonstruieren. Im Gegensatz zur alten Rechten, die in ihrem wütenden Antikommunismus und Revanchismus während des Kalten Krieges immer wieder Bündnisse mit der westlich orientierten politischen Mitte einging, nahm die »europäische« Fraktion der extremen Rechten die Position einer kontinentalen Revolution gegen beide Supermächte ein. Hinter diesem Europa-Konzept steht jener befreiungsnationalistische Ansatz, der meint, der Kontinent sei seit 1945 sowohl in militärischer als auch in ideologischer Hinsicht kolonialisiert.

Diese neofaschistische Ideologie einer »Nation Europa«, die sich zur dritten Weltmacht aufschwingt, geht auf die britische Szenegröße Sir Oswald Mosley zurück, der sich damit bereits 1948 an die Reorganisation einer braunen Internationalen machte. Die strategische Bezugnahme auf Europa im rechtsextremen Projekt knüpft daneben bruchlos an die Nazi-Propaganda von der Waffen-SS als »Vorkämpfer für das vereinte Europa« und der deutschen Aggression als »Kampf für die Freiheit Europas« (Jörg Haider) an. In ihrer reinen Form hat die Idee einer »Nation Europa« über neurechte Intellektuellenzirkel hinaus jedoch keine nennenswerte Verbreitung gefunden.

Parteien der extremen Rechten setzen stattdessen nach wie vor auf das Konzept eines »Europas der Vaterländer«. Nach außen jedoch soll Europa geeint und unabhängig von den USA auftreten. Insofern wurden die beiden Konzepte mittlerweile verbunden. Auch wenn der Erfolg dieser Konzepte heute noch nicht absehbar ist, sollten sie nicht unterschätzt werden. Sie treffen sich nämlich durchaus mit Anstrengungen der politischen wie ökonomischen Eliten, die EU samt ihrem Hinterhof im Osten als Weltmacht zu festigen. Zudem gibt es bereits Anzeichen, dass der Antiamerikanismus Aufnahme findet in die offiziöse ideologische Begleitmusik zum Konkurrenzkampf mit den USA.