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Aufwind für Rechte in Westeuropa

Einleitung

Europaweit sind in den zurückliegenden Monaten und Jahren die Einwanderungs- und Asylgesetze verschärft und die Lebensumstände von Flüchtlingen gezielt verschlechtert worden. In den meisten Ländern wurde der staatliche Rassismus vom Anwachsen von Überfällen und Anschlägen auf AusländerInnen begleitet. Nutznießer des zunehmenden Rassismus sind überall rechte und neonazistische Parteien, die großen Zulauf erleben. Wir skizzieren im folgenden das Erstarken rechter und neonazistischer Parteien und den damit einhergehenden wachsenden Rassismus in einigen westeuropäischen Ländern.

Foto: flickr.com;novopress/CC BY-NC-ND 2.0

Filip Dewinter aus Belgien zählt zu den erstarkenden rechten Politikern in Europa.

Italien

Eine tiefe Wirtschaftskrise, politische Skandale aller Art und die ungebrochene Macht der Mafia schaffen eine Atmosphäre der Unsicherheit im Land, die der Rechten zugute kommt. Der neofaschistische Movimento Sociale Italiano (MSI), für die u.a. Alessandra Mussolini, die Enkelin des faschistischen „Duce“ Benito Mussolini kandidierte, büßte bei den Parlamentswahlen im April 1992 einige Stimmen ein und bekam im Gegensatz zur letzten Wahl statt 5,9 Prozent diesmal 5,4 Prozent.

Dafür gewann die rechte Lega Nord um Umberto Bossi 8,7 Prozent der Stimmen. Die Legen, die sich in der letzten Zeit in Italien gebildet haben, wollen u.a. den reichen Norden des Landes vom armen Süden abtrennen. Seit dem Sommer vor einem Jahr, als in der süditalienischen Hafenstadt Bari 40.000 Albaner landeten, hat sich deutlich die rassistische Stimmung im Lande verschärft. Chaotische Zustände und Plünderungen waren zunächst von staatlichen Stellen bewußt zugelassen worden, um anschließend mit Hilfe von Militär eine großangelegte Abschreckungsaktion zu veranstalten.

Beeinflusst durch die Ereignisse in Rostock-Lichtenhagen wurden in letzter Zeit Heime für AusländerInnen und ein jüdischer Friedhof verwüstet, AusländerInnen, vorwiegend aus afrikanischen und arabischen Ländern angegriffen und die Haustür des Präsidenten der »Partisanenvereinigung« beschmiert.

Belgien

Rund eine halbe Million Menschen stimmten am 24. November 1991 bei den Parlamentswahlen für eine der drei rechten Parteien, »Vlaams Blok«, »Front National« oder „Avant-garde d'initiative regionaliste“ (Agir). Der größte Stimmenanteil fiel dabei auf den »Vlaams Blok« (VB) um Filip Dewinter, der im flämischen Landesteil viertstärkste Partei und in der zweitgrößten Stadt des Landes, Antwerpen, mit 25 Prozent sogar stärkste Partei wurde.

Vorbild für das neue 70-Punkte-Programm des VB ist das teilweise wörtlich abgeschriebene Parteiprogramm der französischen »Front National«. Während der VB in seinen Anfängen in der Hauptsache für die Unabhängigkeit des flämischen Landesteils und eine Amnestie für Nazi-Kollaborateure eintrat, ist seit Mitte der achtziger Jahre die Anti-ImmigrantInnen-Politik immer mehr in den Mittelpunkt der Partei-Aktivitäten getreten. Im August fand das jährliche „Ijzerbedevaart“-Treffen, der flämischen Nationalisten in Diksmuide statt. Diese Veranstaltung organisiert vor allem „Voorpost“ eine neonazistische Unterorganisation des »Vlaams Blok«. Jahr für Jahr nehmen 30- 50.000 Nationalisten an dem Aufmarsch teil. Auch diesmal waren wieder neonazistische Delegationen aus mehreren Ländern mit dabei. Diese treffen sich bei einem separaten ,,internationalem Kameradschaftstreffen".

Niederlande

Die Spaltung der extrem rechten Partei „Centrumspartij“ in „Centrumsdemokraten“ (CD) und „Centrumpartij '86“ (CP'86) verhinderte bisher die Herausbildung einer großen neonazistischen Sammlungspartei. Im Januar 1992 kam es zu einer ganzen Serie von Bombenanschlägen und Brandstiftungen, die sich gegen Einrichtungen von ImmigrantInnen-Organisationen und Moscheen richteten. Der Schwerpunkt des neonazistischen Terrors lag dabei in Den Haag und Amsterdam. Die Attentäter werden im allgemeinen der auch in den Niederlanden erstarkenden Neonazi-Skinheadszene zugerechnet. Bis 1990 war der Großteil der organisierten Neonazi-Skinheads Anhänger der »Jongeren Front Nederland« (JFN) oder der von Eite Homann geführten „ANS-Niederlande“, einem Ableger der von Michael Kühnen in der BRD initiierten „Aktionsfront Nationaler Sozialisten“ (ANS). Nach dem Verbot der JFN wechselten deren meisten Anhänger zur CP'86.

Frankreich

Die „Front National“ (FN) ist mit 150.000 Mitgliedern die größte extrem rechte Partei in Europa. Bei den Regionalwahlen im März verzeichnete die FN zwar einen weiteren Stimmenzuwachs, blieb aber hinter den eigenen Erwartungen und den Befürchtungen der Presse zurück. Im landesweiten Durchschnitt kam die Partei Jean-Marie Le Pens auf 13,9 Prozent der Stimmen. In einer ganzen Reihe von Städten erhielt sie über 20 Prozent, in Nizza, Perpignan und Mantes-la-Jolie sogar über 30 Prozent. Der rassistisch geführte Wahlkampf der FN wurde z.T. sehr wirkungsvoll von antifaschistischen Demonstrationen behindert, bei denen es auch zu Auseinandersetzungen zwischen Antifas und FN-Anhängern kam. Le Pen beklagte sich nach den Wahlen darüber, daß die FN »ein Ziel für verleumderische und gewalttätige Angriffe« war.

Großbritannien

Gegenüber den späten siebziger Jahren ist die britische Neonazi-Szene heute zahlenmäßig und politisch wesentlich schwächer. Zu den bedeutendsten neonazistischen Gruppierungen gehört die »British National Party« (BNP) unter John Tyndall. In der BNP sind 3500 Mitglieder in über 75 Ortsgruppen organisiert. Der Partei gelang es bei den letzten Wahlen im April 1992 lediglich 13 Kandidaten aufzustellen, die insgesamt nur 7005 Stimmen erhielten. Eine weitere bedeutende Organisation, die »National Front« (NF), hat auch schon bessere Zeiten erlebt. Von den ehemals 17000 Mitgliedern sind ihr lediglich 370 geblieben. Auch bei den Wahlen, bei denen die NF in 14 Wahlkreisen antrat, war das Ergebnis, mit insgesamt 4816 Stimmen, alles andere als großartig.

Die Neonazi-Skinhead-Organisation »Blood & Honour« unter lan Stuart Donaldson wird von einem harten Kern von 1600 Neonazi-Skinheads unterstützt und hat ein Umfeld von einigen Tausend Neonazi-Skinheads und gute internationale Verbindungen. Die politische Schwäche der britischen Neonazis ist nicht allein auf eine bestimmte historische und politische Kultur zurückzuführen, sondern ist auch Resultat einer effektiven, jahrelangen Antifa-Arbeit, in der sich wirkungsvolle Aufklärungsarbeit mit militanten direkten Aktionen verbindet. Die Neonazis versuchen mangelnden politischen Einfluß durch Gewalttäigkeit auszugleichen. Angriffe auf farbige BürgerInnen und Flüchtlinge gehören in GB zur Tagesordnung und erst im August diesen Jahres gab es erneut einen brutalen rassistischen Mordanschlag, bei dem in London der 24jährige afghanische Flüchtling Ruhullah Aramesh getötet wurde.

Dänemark

Die rechtspopulistische »Fremskridtspartiet«, die in ihren Anfängen in den siebziger Jahren als Anti-Steuer-Partei auf Stimmenfang ging, forderte bei den Wahlen im September 1991 u.a. die Deportation von Moslems und Flüchtlingen und erhielt 25 Prozent der Stimmen. Die dänischen Neonazis sind in der Vergangenheit nur wenig an die Öffentlichkeit getreten, was aber nicht heißt, daß es sie nicht gibt. Die »Danmarks Nationalsocialistiske Bevægelse« (DNSB) um Rijs Knudsen1 und Henrik Kristensen hält Wehrsportlager ab und unterhält gute Kontakte zu dem Altnazi Thies Christophersen, der mit seiner Hetzschrift »Die Auschwitzlüge« zum Vorreiter der deutschen Geschichtsrevisionisten wurde. 1986 setzte er sich wegen eines Haftbefehls nach Kollund in Dänemark ab. Christophersen ist eine wichtige Schaltstelle der NSDAP/AO.

Über den in Aalborg sitzenden »Nordland Verlag« wird NS-Propagandamaterial vor allem auch nach Deutschland geschickt. Der Mordanschlag, bei dem mittels einer Briefbombe ein Antifaschist im März 1992 getötet wurde, zeigt an, daß der neonazistische Terror auch in Dänemark Einzug hält.

Schweden

Die rechtspopulistische Partei »Ny Demokrati«, Anfang 1991 gegründet, kam im selben Jahr bei den Wahlen im September bereits auf 6,7 Prozent der Stimmen. Die bürgerliche Koalition, die seit diesen Wahlen die Regierung stellt, ist zudem auf die »Ny Demokrati« als Mehrheitsbeschaffer im Parlament angewiesen. Die Rechten, als Zünglein an der Waage, werden durch diesen Umstand zusätzlich politisch aufgewertet. Daneben existiert nach dem Vorbild der französischen »Front National« noch die Partei »Sverigedemokraterna« (SD). Die SD sind die mitgliederstärkste Organisation der schwedischen Rechten und haben ca. 5.000 - 7.000 Mitglieder.

Nach einer Welle rassistischer und neonazistischer Gewalt, war es Anfang des Jahres zu einem Streik gegen den Terror gekommen. Schätzungsweise eine Million Menschen beteiligten sich an den Demonstrationen und Aktionen im ganzen Lande; in der Autoindustrie legten ganze Belegschaften die Arbeit nieder. Eine der Drahtzieher-Organisationen, die hinter den Anschlägen stand, war die „Vitt Ariskt Motstånd“ / VAM (Weißer Arischer Widerstand). Sie plante für den diesjährigen 1. Mai mit einem Aufmarsch eine weitere Provokation. Als Anführer der VAM gelten Klar Lund und Per-Anders Lennart Johansson ("Pajen"). Der offenbar geplante Angriff auf linke DemonstrantInnen fiel aufgrund polizeilicher Hausdurchsuchungen und Verhaftungen führender militanter Neonazis aus. Mittlerweile kam es zu weiteren Verhaftungen von führenden VAM-Terroristen durch die schwedische Polizei. Zu den Verhafteten gehört, neben zwei aus der Haft entflohenen Neonazis, Peter Rindell, eine weiter VAM-Führer. Der Polizei fiel, außer den Plänen für einen Bankraub, ein umfangreiches Waffen- und Sprengstofflager der VAM in die Hände.

Kroatien

In den letzten Wochen gab es immer wieder Berichte in den Medien über neonazistische Söldner unterschiedlichster Nationalitäten in Kroatien. Laut Ministerpräsident von Rest-Jugoslawien, Milan Panic, gibt es »ungefähr 1200 kriminelle Typen aus dem Ausland, auf allen Seiten.« Inoffiziellen Schätzungen zufolge sind es mehr. Informationen über Verhaftungen ausländischer Söldner häufen sich, genauso Erkenntnisse über Anwerbungen ausländischer Söldner in der BRD. Der Kriegsschauplatz in Kroatien scheint sich als Sammlungsort europäischer Rechter und Neonazis zu entwickeln.

Der Kabarettist Dietrich Kittner nahm eine Veröffentlichung des Verfassungsschutzes, dem zufolge »keine Informationen über einen direkten Einsatz deutscher Neonazis als kroatische Söldner vorliegen«, zum Anlaß, den Verfassungsschutz zu informieren, daß dem Bundeskriminalamt sehr wohl bestätigte Zeitungsmeldungen über die Kampftätigkeit einer neonazistischen »Schwarzen Legion« vorliegen. Diese widersprüchliche Handhabung der Informationen veranlasste ihn sich zum » offiziellen Mitarbeiter« des Verfassungschutzes zu machen. Telefonische Erkundigungen bei der Pressestelle des Bundesinnenministeriums, des Außenministeriums und des Bundespresseamtes bestätigten, daß der Bundesregierung der Kampfeinsatz extreme rechter deutscher Legionäre seit März 1992 sehr wohl bekannt war. Lapidare Bemerkung der jeweiligen Pressestellen war, daß solcher »Kampfeinsatz ja nicht verboten sei«. Ein Bekannter von Kittner wurde auf dem Münchner Hauptbahnhof in aller Öffentlichkeit von kroatischen Söldner-Werbern angesprochen.

Im November 1991 wurde in den Niederlanden eine Anzeige veröffentlicht, in der das Niederländisch-Kroatische Arbeitskollektiv “Nederlands Kroatische Werkgemeenschap” (NKW) »Freiwillige für das Ausführen von aktiven, militärischen und humanitären Aufgaben in Kroatien warb«. Die drei Gründer des NKWs sind alle in der niederländischen Neonaziszene bekannt. In dem nationalsozialistischen Bulletin „Perseverance“2 (zu deutsch: Beharrlichkeit, Ausdauer), herausgegeben von ungarischen Emmigranten in Australien, wirbt Ernst Zündel um Unterstützung. Die Kontaktadresse ist ein Büro in Stuttgart.

In einem Spiegel-TV-Bericht vom 20. September 1992 werden ausländische Söldner während einer militärischen Übung in Kroatien interviewt. Die befragten Söldner bekennen sich eindeutig zum Nationalsozialismus. Es halten sich unter anderem Söldner aus der BRD, Österreich und Frankreich auf. Zu sehen ist auch ein Besuch der Söldner in einem kroatischen Krankenhaus. Auf eine Frage des Interviewers wird von einem Verletzten bereitwillig geantwortet, daß »es sich um einen offiziellen Auftrag der Kroatischen Armee in Herzegowina handelt, die Position der jugoslawischen Armee zu lokalisieren und auszuschalten«. Ein Besucher in dem Krankenhaus entpuppt sich als Michel Faci (»Leloup«) aus Lyon (Frankreich). Er gilt Sicherheitsbehörden als Anhänger der NSDAP/AO und der "Parti Nationaliste Français et Européen" (PNFE). Auch aus Italien und England gibt es Berichte, denen nach einzelne Neonazi-Aktivisten (u.a. von „Combat 18 “) als Söldner für die Serben im Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien kämpfen (wollen).

  • 11987 war Rijs Knudsen Führer der "World Union of National Socialists" (WUNS) geworden.
  • 2Das Journal „Perseverance“ wird in Australien produziert, richtet sich aber größtenteils an eine kanadische und US-amerikanischen Leserschaft. Sie ist ein Journal der sogenannten Pfeilkreuzler, der ungarischen Nazi-Kollaborateur Partei der 1940er Jahre. Es wird von älteren Mitglieder dieser  Organion und einer zweiten Generation von Anhängern publiziert. Dort sind Texte der „Canadian League of Rights“ (CLR), Beiträgen von Ernst Zündel, Louis Beam (Aryan Nations), Robert Miles (KKK) sowie Originaltexte der Pfeilkreuzler Führung oder von Joseph Goebbels zu finden.