Neues aus der Neonazi-Szene in Österreich (1993)
Küssel-Prozeß verschoben
Der Gerichtsprozeß gegen Gottfried Küssel wurde auf den 27. September 1993 vertagt. Grund: Er behauptet, die TV-Interviews (der Grund für seinen Gefängnisaufenthalt) seien »gefälscht«. Somit müssen die Originalbänder rangeschafft werden. Er hat also noch eine Menge Zeit, seinen schon vor langem angekündigten Hungerstreik doch noch wahr zu machen. Küssel war nicht müde geworden, sich als eine Art "Führer" der deutschen Neonazi-Bewegung den Medien zu präsentieren. Am 1.12.1991 soll er in Langenlois einem Kamera-Team von "Tele 5" während einer "Wehrsport"-Übung erklärt haben, sein Ziel sei u.a. "die Zulassung der NSDAP als Wahlpartei". Gegenüber "ABC News Nightline" aus den USA lobte er Adolf Hitler und leugnete den Holocaust. Dies ist in Österreich eindeutig strafbar. Am 7. Januar 1992 wurden Gottfried Küssel und die mutmaßlichen "Wehrsport-Übung-Kommandanten" Klaus Peter K. (Deutschland) und Hans Jörg Schimanek festgenommen.
Knast für »Kampfblatt«
Am 14. Juli 1993 wurden in Wien werden Roman B. und Robert Sr. zu dreieinhalb Jahren bzw. zwölf Monaten unbedingter Haft wegen NS-Propaganda verurteilt. Roman B. nahm das Urteil »dankend« an. Er hatte u.a. zusammen mit Robert Sr. (18 Monate Haft, davon ein Jahr ohne Bewährung) eine Neuauflage des »Österreichischen Beobachters« gestartet. Dazu setzte er seinen Namen mit Adresse in das »Kampfblatt« und nötigte die Polizei geradezu zur Arbeit.
B. soll zeitweilig auch als »Sekretär« von Gerhard Endres („second-in-command“) gedient haben. Gerhard Endres galt als Küssels Stellvertreter. Die Wohnung des inhaftierten VAPO-Chef Küssel wurde auch nach seiner Verhaftung weiter als Organisationszentrale genutzt. Offizieller Untermieter war Endres.
Die „Tageszeitung“ (taz) schilderte, daß BeobachterInnen den Wiener Neonazi - neben dem Schweden Erik R. („VAM“) - in Rostock-Lichtenhagen ausgemacht hätten (vgl.: taz, 1.9.1992: „Die Zeit seit Hoyerswerda genutzt“). Endres hatte bisher Glück, sein Verfahren wurde abgetrennt. Ob es bei ihm zur Verurteilung kommt, bleibt abzuwarten. Er kam schon einmal wegen fast gleichlautender Anklage unbestraft davon, während sein Kamerad Ekkehard Weil (Berlin) in Haft musste.
1970 versuchte Weil, einen Wachsoldaten vor einem sowjetischen Denkmal in Westberlin zu ermorden. Nachdem Weil seine Haftstrafe verbüßt hatte, ging er nach Österreich. Das Neonazi-Kampfblatt „Österreichischer Beobachter“ hatte 1980 eine Liste mit 120 potenziellen »Anti-Antifa-Zielen« veröffentlicht: Namen und Adressen von österreichischen Juden und Jüdinnen, jüdischen Einrichtungen sowie AntifaschistInnen. In der Folgezeit detonierten neun Sprengkörper bei Personen, die auf der Liste genannt waren. Eine der Bomben soll Weil vor der Wohnung von Simon Wiesenthal platziert haben.
Reinthaler im Knast
Der „Neonaziführer“ ("Gau Beauftragter" der VAPO) Günther Rheintaler kam Mitte 1992 aus der U-Haft. Im März 1993 wurde er u.a. wegen Erpressung und Nötigung erneut festgenommen. Sein Dobermann „Thor“ musste angeblich bei einer Hausdurchsuchung von einem der durchsuchenden Polizisten erschossen.
Polacek rekrutiert weiter
Karl Polacek, einst „Märchenonkel“ für den niedersächsischen FAP-Nachwuchs und Besitzer des Mackenroder Neonazi-Zentrums, ist nach seiner Ausweisung aus der BRD in seiner alten Heimat Österreich weiter aktiv. In Braunau/Mattighofen und in Salzburg und Umgebung soll er bereits 70 bis 80 junge Neonazis um sich gescharrt haben. Polacek stammt aus Wien, kam 1981 nach Südniedersachsen und gründete 1985 einen Kreisverband der Neonazi-Partei.