Rinks oder Lechts, Herr Kielhorn?
Gerhard Bögelein und Karl Kielhorn waren angeklagt, als Mitglieder einer Antifa-Organisation in einem sowjetischen Kriegsgefangenenlager den NS-Wehrmachtsrichter Erich Kallmerten getötet zu haben. Die BRD-Justiz zeigte ihre „rechtstreue“ als Rechtsnachfolgerin des NS-Regime mit der gleichen Vehemenz, mit der sie NS-Kriegsverbrecher nicht verurteilte: Vier Jahrzehnte ermittelte sie gegen die beiden alten Antifaschisten, dann gab ihr die Auflösung der DDR die Möglichkeit, deren ehemalige Staatsbürger in Untersuchungshaft zu nehmen. Der Prozess endete mit einem »Lebenslang« für Gerd Bögelein, Karl Kielhorn wurde freigesprochen. In letzter Zeit gerät Karl Kielhorn zunehmend unter Kritik, weil er bei einer sich links gebenden „Politsekte“ als Referent auftritt. Rechte und autoritäre Tendenzen der Gruppe sind seit den 1980er Jahren bekannt. Die Gruppe forderte die Zwangs-Tätowierung von HIV-Infizierten. Ein Vorschlag der im neonazistischen Magazin „Nation Europa“ begrüßt wurde.
Ein offener Brief an Karl Kielhorn,
Wir sind davon abgekommen, einen Brief nur an Sie persönlich zu richten, nachdem wir erfahren haben, wie Sie mit den ernsthaften Einwänden von Personen, die Sie eigentlich aufgrund ihrer ernsthaften antifaschistischen Arbeit schätzen müssten, umgegangen sind. Zuvor hatten wir uns nur vorstellen können, dass Ihr Auftreten bei der „Initiative Neue Linke“1 auf einem Informationsdefizit beruhte. Mittlerweile wissen wir, daß Sie bereits bei einer Veranstaltung der „Bunten Liste Freiburg“2 gesprochen hatten und auch über den Hintergrund dieser Gruppe aufgeklärt wurden.
Als Beate Klarsfeld das Vorwort zu dem Buch »Die Sterne sind Zeugen« schrieb, war ihr über den Verlag nichts bekannt. Aufgrund der Thematik und des Autors des Buches hatte sie sich über den Tisch ziehen lassen (einer der Überlebenden des Warschauer Ghettos berichtet über den Aufstand). Der „Ahriman-Verlag“3 , Teil des auch unter „Initiative Neue Linke“ auftretenden „Sektenimperiums“, versuchte, anlässlich des 50. Jahrestags des Warschauer Ghettoaufstands, sich in der antifaschistischen Öffentlichkeit eine Seriosität zu verschaffen, die sie mit ihrer bisherigen Politik nicht erlangen konnte.
Nun hat diese rechtslastige Vereinigung ein weiteres Zugpferd, nämlich Sie, den Altkommunisten und Antifaschisten Karl Kielhorn. Wir halten es keineswegs nur für eine Frage des schlechten Geschmacks, dort als Referent zur Verfügung zu stehen. Immer offener gibt diese zu erkennen, wo sie sich zu Hause fühlt: nämlich in der rechten Ecke. Dort sahen sie JournalistInnen und WissenschaftlerInnen, schon länger - wir berichteten im Antifaschistischen Infoblatt Nr.16, Ende 1991. Aber auch andere dürften mittlerweile klarer sehen, mit wem sie es zu tun haben: Werbung in der neu-rechten Zeitung „Junge Freiheit“, Unterstützung für die (extrem) rechten „Die Republikaner“ (REPs) oder für das rassistische „Anti-Ausländer-Begehren“ von Jörg Haiders Rechtspartei FPÖ in Österreich, Filmen, Katalogisieren und Denunzieren von AntifaschistInnen und Linken. In Wien haben AntifaschistInnen diesen Kreisen Haft / Geldstrafen zu verdanken (vgl. Tatblatt, Dezember 1990).
Doch das alles juckt einen Antifaschisten Kielhorn nicht? Herr Kielhorn, Sie werden die meisten der Namen kennen: „Marxistisch-Reichistische Initiative“ (MRD)4 , „Initiative Neue Linke“, „Bund gegen Anpassung“ (BgA), „Bund zur Verbreitung unerwünschter Einsichten“ (BVUE), „Bunte Liste Freiburg“, „Internationale Gesellschaft zur Entwicklung der Lebensfreude“ (IGEL), „Antiklerikaler Arbeitskreis“, „Verein zur Aids-Verhütung“ und und und... Wir erwarten nicht, dass Sie im einzelnen über die Geschichte dieses „Sektenimperiums“ Bescheid wissen. Aber gewisse Dinge können Ihnen - Sie haben ja einige Veröffentlichungen gelesen und einigen Reden beigewohnt - nicht entgangen sein.
Wir wollen nicht von dem ekligen Gefühl der Überlegenheit und des Auserwähltseins (die einzigen »Träger der Vernunft«) solcher Leute reden. Aber bei der propagierten Feindschaft gegenüber Homosexuellen und FeministInnen, dem Vorschlag HIV-Positive zwangszutätowieren oder alternativ sie abzusondern, der Hetze gegen Autonome (mit denen Sie doch gemeinsam Veranstaltungen zu Ihrem Prozess durchgeführt haben) als »Pogromisten« und »Neofaschisten« - da müsste es doch irgendwo klingeln? Stößt es Ihnen als altem Antifaschisten nicht auf, wenn sich die Initiative als »verfolgt und entrechtet sieht analog zu den religiösen Minderheiten anno 1933«, das Abreißen ihrer Plakate als »Pogrome« bezeichnet? Das auf eine Stufe Stellen von Adolf Hitler und Willy Brandt, weil beide »in der Vernichtung der Opposition so erfolgreich«, gewesen seien, Brandt wohlgemerkt wegen der Berufsverbote in den 1970er Jahren, stört Sie nicht weiter?
Und denken Sie nicht automatisch an das heutige neofaschistische Spektrum, von den gemäßigt auftretenden bis hin zu den militanten, wenn Sie folgenden Satz lesen: »Vollkommen richtig, besonders aus der Perspektive des Umwelt- und Naturschutzes, finden wir den ersten, zentralen und unterzeichnungswürdigsten Punkt des Volksbegehrens: 'Österreich ist kein Einwanderungsland.«
Wir wissen nicht, welche Ihre Beweggründe sind, diese Gruppierung mit Ihrem Namen werben zu lassen. Jetzt, wo sich die INL offenbar zu einer Art „Juniorpartner“ von Jörg Haider aufschwingen möchte (sie dürfen sich auch des Anwalts des FPÖ-Vorsitzenden bei der juristischen Verfolgung von Antifas bedienen), können wir jedoch nicht zur Tagesordnung übergehen.
Der Versuch, rechte Politik, die sich so noch nicht öffentlichkeitswirksam verbreiten lässt, in linke Floskeln zu kleiden - und mit AntifaschistInnen zu garnieren - dürfte Ihnen nicht unbekannt sein. „Nationalrevolutionäre“ und „Neue Rechte“ bedienen sich dieser Taktik, und da ist bei denen auch schon mal drin, sich selber als verfolgte Minderheit oder als „Juden von heute“ zu bezeichnen, verfolgt natürlich von Linken und AntifaschistInnen.
Uns würde doch interessieren, wie Sie Ihre Auftritte im Zusammenhang mit Ihrer Tätigkeit im Präsidium der "Lagergemeinschaft Dachau" sehen. Wenn Sie schon nicht bereit sind, sich mit der Kritik aus der Antifa-Szene auseinanderzusetzen, hoffen wir doch eine Diskussion in antifaschistischen Kreisen, besonders auch unter der älteren Generation aus den Lagergemeinschaften und des "Bundes der Antifaschisten", auszulösen.
Mit Bedauern
Antifaschistisches Infoblatt
- 1Die „Initiative Neue Linke“ (INL) ist eine Art Schwesterorganisation des "Bundes gegen Anpassung" in Österreich.
- 2Der "Bund gegen Anpassung" ist u.a. hervorgegangen aus dem "Antiklerikalen Arbeitskreis" der "Bunte Liste Freiburg"
- 3Der "Bund gegen Anpassung" gibt im "Ahriman-Verlag" die "Ketzerbriefe" heraus.
- 4Eine Freiburger Gruppe um Fritz Erik Hoevels die als einer der Vorläufer des BgA gilt.