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Wahlkampf 1994: Zwischen Bomben und Innerer Sicherheit

Einleitung

Die Briefbombenanschläge in Österreich sind möglicherweise eine Art Vorgeschmack für den Kurs der Neonazis im Jahr der "Inneren Sicherheit". Vieles deutet darauf hin, daß Österreich Vorbild oder „Testgebiet“ von Neonazis und den Hardlinern im Sicherheitsapparat ist. Parallelen zur Bundesrepublik gibt es genug. Die mutmaßlichen Briefbombenattentäter kommen aus den selben Organisationsnetzwerken der Neonazis, wie in Deutschland, ihr Terror ist die Antwort auf Repression durch den Staatsapparat. Die Auswahl der BriefbombenempfängerInnen entspricht der unter dem Stichwort »Anti-Antifa« vertretenen Neonazi-Strategie.

Bild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F073615-0008 / Schaack, Lothar / CC-BY-SA 3.0

Experten für Wahlkämpfe mit dem Thema "Innere Sicherheit"

Auch im Nachbarland stehen dieses Jahr entscheidende Abstimmungen ins Haus: Regionalwahlen, Nationalratswahlen und schließlich der Volksentscheid über den Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft. Die Anschläge schaffen ein politisches Klima der Bedrohung und nützen rechten politischen Kräften. Die durch die Anschläge ausgelöste Angst wurde von den Hardlinern im Sicherheitsapparat benutzt, um nun auch im Nachbarland dem »großen Bruder« BRD nachzueifern und z.B. den großen Lauschangriff zu fordern.

Wir sehen die Gefahr einer Neuauflage des inoffiziellen Paktes zwischen Teilen der Konservativen und Neonazis, wie er während der Kampagne zur Beseitigung des Asylrechts, quasi geschlossen wurde. Als das pogromartigen rassistischen Angriffen von Hoyerswerda durch die Polizei ermöglicht wurde, drohte eine soziale Unzufriedenheit gegen die Regierung Helmut Kohl zu eskalieren. Als das rassistische Pogrom von Rostock-Lichtenhagen ermöglicht wurde, benötigte die Regierung ein letztes Druckmittel für die Beseitigung des Asylrechts. Heute, wo die Regierung Kohl ihr Heil in einer Kampagne zur inneren Sicherheit sucht, helfen die Anschläge von Neonazis, ein Klima der inneren Bedrohung zu schaffen.

Es droht eine Wiederholung der Wahlkampfstrategie der Franz-Josef Strauß-Anhänger im Jahre 1980. Damals hieß es »Freiheit statt Sozialismus«. In diesem Klima ermordeten Neonazis mit einer Bombe auf dem Münchener Oktoberfest 13 Menschen. Nur durch Zufall kam der Attentäter dabei ums Leben und konnte identifiziert werden, er war Mitglied der 'Wehrsportgruppe Hoffmann'. Zuerst wurde ausschließlich nach »linken« Attentätern gesucht. Die Absicht so mit einer »Strategie der Spannung«, Angst vor »linken Chaoten« und damit den Ruf nach einem »starken Staat« zu erzeugen, scheiterte.

Im Superwahljahr 1994 rüsten die Neonazis zum Terror, verbreiten detaillierte Handbücher zum Bombenbau und schwören ihre Mitglieder auf den Bürgerkrieg gegen ihren innenpolitischen Feind ein. Unter dem Stichwort »Anti-Antifaschismus« wird zum Angriff auf all jene geblasen, die der Meinung sind, daß auch Deutschland ein Einwanderungsland ist. Der Neonazi-Organisator Christian Worch kündigt zeitgleich Aktionen zur Bundestagswahl an.

Das Spektrum welches den Terror befürwortet, initiiert und ausführt ist eigentlich offensichtlich und LeserInnen antifaschistischer Zeitungen bekannt. Auffällig sind die grenzübergreifenden Parallelen zwischen der Aufklärungsarbeit gegen die mutmaßlichen österreichischen Briefbombenbauer und gegen die deutschen Hersteller der Anti-Antifa-Broschüre 'Einblick': Die staatlichen Festnahmen kamen nur durch antifaschistische Recherche zustande, während die Bundesanwaltschaft vorgab im Nebel zu stochern.

Auffällig ist, daß die mutmaßlichen Briefbombenattentäter heute und die Attentäter vom Oktoberfest aus dem Kreis bekannter NS-Organisationen stammen. Bemerkenswert ist dabei, daß seit über zehn Jahren jeweils die offen auftretenden Vorfeldorganisationen verboten werden, aber die Strukturen im Hintergrund unberührt bleiben.

Im Superwahljahr 1994 sucht die CDU/CSU ihr Heil in der Debatte um die Innere Sicherheit und führt den Wahlkampf auch mit Stasi-Akten1 . Es ist der Rettungsanker der Union die Macht in Bonn zu halten. Mangels eigener positiven Themen wird versucht gerade die SPD des »Landesverrats« zu bezichtigen, was bei der nationalen Politik der SPD-GenossInnen schon ein Lacher ist.

Bundesinnenminister Manfred Kanther und der CDU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble setzen alles daran, ein Klima des drohenden Staatsnotstandes an die Wand zu malen. Der Eine bereitet mit den neuen Sicherheitsgesetzen den Ausbau des Polizei- und Überwachungsstaates vor, der Andere fordert den Einsatz der Bundeswehr im Innern. Zur Verschärfung des politischen Klimas ist der Union jedes Thema recht: »Ausländerkriminalität«, militante Serben, die kurdische PKK, die russische Mafia, Neonazis und last but not least AntifaschistInnen.

Wir geben Manfred Kanther an dieser Stelle recht - es gibt ein Problem der inneren Sicherheit in der Bundesrepublik. Das Problem sind die Kräfte, die die Pogrome von Hoyerswerda und Rostock zugelassen haben, das sind die Kräfte im Sicherheitsapparat, die mit den Neonazis sympathisieren, Anhänger ihrer Organisationen sind, ihre Umtriebe begünstigen - das sind die Kräfte, die Neonazi Strukturen decken und nach dem Motto der rechten Union verfahren: »Man darf bei der Auswahl seiner Hilfstruppen nicht zimperlich sein!«2 (Franz Josef Strauß als bayrischer Ministerpräsident, Der Spiegel Nr. 12/1970)

Wir sehen eine Gefahr, aber wir sehen auch, daß vieles, das geheim bleiben sollte, bekannt geworden ist, weil nicht alle den offiziellen Verlautbarungen geglaubt hatten. Wir sehen auch, daß es viele gibt, die sich nicht einschüchtern lassen und wir finden es wichtig den Spieß der „Inneren Sicherheit“ umzudrehen: Das Problem der inneren Sicherheit liegt im Bereich zwischen neonazistischer FAP und der rechten CDU/CSU.

  • 1Alte Akten des DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS), auch Staatssicherheitsdienst, Kurzwort Stasi, genannt.
  • 2»Man muß sich der nationalen Kräfte bedienen, auch wenn sie noch so reaktionär sind. So hat es auch de Gaulle gemacht. Hinterher ist es immer möglich, sie elegant abzuservieren,« (...) »mit Hilfstruppen darf man nicht zimperlich sein«.