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Die einheitliche Strategie der EG gegen Flüchtlinge

AntirassistInnen aus Westberlin (Gastbeitrag)
Einleitung

Das "Antifaschistische Infoblatt" (AIB) berichtet regelmäßig über die neueren Entwicklungen in der Ausländerpolitik des Senats. Ende letzten Jahres haben sich die Vertreter der verschiedenen EG-Länder zusammengefunden, um ihr Vorgehen gegen die Flüchtlinge zu „harmonisieren“ sprich zu koordinieren. Ein Gastbeitrag der Gruppe "Die Grenzen verlaufen nicht zwischen den Völkern, sondern zwischen oben und unten." zum Thema.

Schengen
(Foto: jooray. CC BY-SA 2.0 Deed)

(Symbolbild)

Am 18. Dezember traf sich in Westberlin die „Schengen-Gruppe“, benannt nach dem Ort Schengen in Luxemburg, wo sie 1985 ausgebrütet wurde. Sie besteht aus den Innenministern Frankreichs, der BRD, Luxemburgs, Belgiens und der Niederlande. Italien und Österreich haben ihre Mitgliedschaft beantragt. Die Schengen-Gruppe verbirgt hinter der angekündigten „Harmonisierung“ ihren Plan, den Druck auf die Flüchtlinge hier über alle westeuropäischen Staaten einheitlich zu erhöhen. Westeuropa soll sich als Block gänzlich für Flüchtlinge schließen. Da die Schengen-Gruppe stets geheim tagt, sind ihre Machenschaften nicht alle bekannt, geschweige denn zu belegen. Dennoch gilt als sicher, dass die Teilnehmerstaaten über folgende Ziele beraten:

- Ausbau eines schnell funktionierenden Informationsapparates über die politischen Veränderungen in den Herkunftsländern

- Aufbau eines Frühwarnsystems vor neu auftretenden „Flüchtlingsströmen“, um neue „Asylantenströme“ schon vor den Grenzen zu verhindern

- Zuordnung jeweils eines Staates für jeweils ein Herkunftsland; d.h., falls überhaupt noch Flüchtlinge die Länder hier erreichen, dürfen z.B. KurdInnen nur nach Frankreich kommen, TamilInnen nur in die BRD usw.

- Aufbau eines gemeinsamen Informationssystems mit den Herkunftsländern über einzelne AsylbewerberInnen ...

Die Praxis gibt es schon seit langem...

Die Intensivierung ein westeuropaweiten Vereinheitlichung einschließlich der besseren Zusammenarbeit mit (pos)faschistischen Regimes und Militärdiktaturen gilt der Legalisierung einer Praxis, die es bereits gibt:

-Auslieferung italienischer Gefangener an Italien

-Auslieferung von Basken an Spanien

-Verhöre baskischer Gefangener durch spanische Polizei in Frankreich

-Anwesenheit des israelischen Geheimdienstes bei Verhören von PalästinenserInnen in der BRD.

So wurden z.B. am 8. Dezember 1987 iranische und kurdische Oppositionelle, die bereits als politisch verfolgte Flüchtlinge nach den Genfer Konvention anerkannt waren, aus Frankreich ausgewiesen. Das islamische Regime im Iran hatte sie namentlich angefordert. Das Chomeni- Regime im Iran ist eines der barbarischsten der Gegenwart und gleichzeitig der wichtigste Handelspartner der BRD im arabischem Raum.

Schon 1982 bestätigte das Europaparlament die Feststellung des Europarates von 1976: „...das Asylrecht hat zwischen den demokratischen Staaten in Europa keinen Platz mehr.“ Aus dieser Feststellung wurden seit dem gezielt praktische Konsequenzen geplant. Die BRD hat hierbei eine Vorreiterrolle und zeichnet sich in besonderer Weise durch einen breiten menschenverachtenden Feldzug gegen Flüchtlinge aus: Die Asylgesetzgebung orientiert sich an der Notstandsgesetzgebung: Lagerhaltung unter Führung von Lagerleitern, Rationierung von Lebensmitteln, Ausgabe von Wertgutscheinen, Verpflichtung, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten, Zwangsarbeit, Verpflichtung zu „gemeinnützigen Arbeiten“ Streik - und Kündigungsverbot.

Der Versuch, durch derartige Repressionen und die Schaffung materiellen Elends Flüchtlinge abzuschrecken, ist gescheitert. Die existenzielle Bedrohung in den Herkunftsländern ist für viele Flüchtlinge so groß, dass sie das Leben hier in Kauf nehmen. Die Herrschenden hier wussten viel eher als wir, was uns mit Flüchtlingen vereint: In einer gemeinsamen Veröffentlichung der BRD, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens und der Niederlande heißt es bereits 1983: „ … dass angemessen der Wahrscheinlichkeit von Konflikten die westeuropäische Sicherheit weniger durch äußeren militärischen Druck auf die zentrale Front in Europa bedroht wird, als vielmehr durch die Unfähigkeit, drängende soziale und wirtschaftliche Probleme zu lösen und das sich daraus ergebende Potential an innerer Instabilität“.

Als lästige Erscheinungsform für die Ausbeutung der Völker in den Herkunftsländern, durch die hoch industrialisierten Staaten West-Europas und der USA sind die Flüchtlinge die lebendige Gegenwart von Unterdrückung und wirtschaftlicher Unterjochung. Als lebendes Zeugnis entlarven sie die „Entwicklungshilfe“ als Zerstörung ihrer Existenz in der Heimat. Die Gefahr für den „sozialen Frieden“ liegt in dem wachsendem Bewusstsein über den gemeinsamen Feind, der in der sogenannten Dritten Welt die Menschen in die Flucht schlägt und hier immer mehr Menschen in die materielle und psychische Verelendung treibt.

Eine Solidarisierung zwischen den Völkern und die Entwicklung eines gemeinsamen Widerstands sind das, was die Regierungen befürchten. So legte die BRD 1976 bereits den Entwurf einer europäischen Konvention zur Bekämpfung des Terrorismus vor, die 1977 beschlossen wurde. Entscheidend ist hierbei die Beseitigung des „politischen Delikts“ aus dem bürgerlichen Strafrechts, d.h. jede Form des Widerstands und des Kampfes wird zum kriminellen Delikt. Damit wurde nach Ansicht der Staatsschutzbehörden und ihre Regierungen das größte Hindernis, nämlich die politische Tat und damit auch das Asyl, für eine gleichgeschaltete Repression weitgehend beseitigt. So konnten auch umgehend das Asylrecht und damit das Auslieferungsgesetz geändert werden.

In der „Antiterrorkonvention“ werden die rechtlichen und moralischen Grundlagen geschaffenem jede Opposition hier zu verfolgen und die Flüchtlinge an Verfolgerstaaten auszuliefern. Die „Harmonisierung“ soll den Angriff gegen unsere Rechte auf Freiheit und Selbstbestimmung perfektionieren. Um die strafrechtliche Verfolgung von Widerstand gründlich und reibungslos zu gewährleisten, bemühen sich die verschiedensten Gremien wie die UNO, das Europaparlament, der Europarat, die TREVI-Gruppe, CAHAR (The Ad Hoc Committee of Experts on the Legal Aspects of Territorial Asylum, Refugees and Stateless Persons) und die Schengengruppe um eine praktische Vereinheitlichung der Staatsgewalt.

1975 sagte der damalige Innenminister Werner Maihofer (FDP): „ … es gibt über die bilateralen und multilateralen Vereinbarungen hinaus ganz handfeste Absprachen, nicht nur den Austausch der Informationen über alles bisher Dagewesene zu verstärken, sondern auch bei den polizeilichen Operationen eng zusammenzuwirken zwischen allen europäischen Staaten. Und das verlangt vor allem ein Überspringen gewohnter Souveränitätsvorstellungen. Hier haben wir einen großen Fortschritt in Richtung einer gemeinsamen Innenpolitik vollzogen“

Die hoch industrialisierten EG-Staaten und die USA haben sich schon längst fest zusammengeschlossen um unter anderem durch eine internationale organisierte Aufstandsbekämpfung der Krise des Kapitalismus sowohl hier als auch in den von ihnen ausgebeuteten Peripherieländern Herr zu werden. Die Bekämpfung der von ihnen verursachten Flüchtlingsströme gehört für sie selbstverständlich dazu.

So diente das Treffen am 11. Dezember 1987 der TREVI-Gruppen in Kopenhagen einer weiteren Perfektionierung der Zusammenarbeit von Staatsschutz und Geheimdiensten, dem Austausch von Daten und der Zusammenarbeit der Polizeiorgane auf militärischer Ebene. Die oben erwähnte innere Instabilität und die sozialen und wirtschaftlichen Probleme erscheinen in der Zahl von 3,5 Millionen Arbeitslosen (Dunkelziffer) allein in der BRD, in den fehlenden Ausbildungsplätzen, in den Zwangsräumungen von Wohnungen wegen unbezahlbarer Mieten in dem Abbau von Sozialleistungen, in der Zunahme von Drogensucht, in der Zunahme von Obdachlosen, in der Zerstörung der Umwelt, in der Zunahme von Gewalt gegen Frauen und Kinder ...

Der daraus resultierende Widerstand wie z.B. die Hausbesetzungen gegen Spekulanten und die Zerstörung von Lebenszusammenhängen, wie die Blockaden gegen die Stationierung weiterer Atomwaffen, wie die Startbahnbewegung gegen den Ausbau einer Abschussrampe für einen Angriffskrieg, wie der Volkszählungsboykott gegen Totalerfassung und Überwachung, wie der Stahlarbeiter in Rheinhausen gegen Massenentlassungen sind die zitierte innere Instabilität. Dieser Widerstand soll mit allen Mitteln gebrochen werden, unter dem Vorwand der Wahrung von Sicherheit und Ordnung.

Der effektive Einsatz des Polizeiapparate setzt umfangreiche Erfassung und Kontrolle voraus, wie folgendes Beispiel zeigt: Während des Europagipfels in Kopenhagen wurde vier Leute aus der Hafenstraße die Einreise nach Dänemark verweigert. Sie erhielten einen Stempel von dänischen Grenzpolizisten in ihren Pass gedrückt: „In Dänemark unerwünscht“.

Das, was sie von oben herab planen, zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. In der letzten Zeit hat die Solidarisierung zwischen deutschen und ausländischen FreundInnen einen Schritt nach vorne getan. Es gilt weiter, eine Internationalismus-Arbeit aufzubauen, von einander zu lernen und eine gemeinsame politische Praxis zu entwickeln. Diese muss den gemeinsamen Schutz vor Übergriffen gegen Flüchtlinge durch Polizei und (Zivil)Faschisten, vor Abschiebungen und Auslieferungen ermöglichen. Für uns heißt das die Festigung unserer Reihen gegen Rassismus Faschismus, Ausbeutung und Unterdrückung weltweit.

Foto: jooray. CC BY-SA 2.0 Deed