Roskilde: Rudolf Heß Marsch gestoppt
Wenig Freude harten ca. 150 Neonazis beim Versuch, den Heß-Gedenkmarsch in Roskilde (Dänemark) durchzuführen. Wie bereits in Kollund und Kvaers erlebten sie, daß sich die dänischen Bürger und Bürgerinnen durch ihr martialisches Auftreten nicht ins Bockshorn jagen lassen, sondern mit Zivilcourage und Energie dem braunen Mob entgegentreten. Auch die dänische Polizei, die ihr Hauptaugenmerk darauf gerichtet hatte, Zusammenstöße zwischen Antifas und FaschistInnen zu verhindern, hatte nicht damit gerechnet, daß die dänischen BürgerInnen ihren Willen so engagiert in die Tat umsetzen würden. Nachdem es in der BRD nicht mehr möglich ist, den Heß-Gedenkmarsch legal durchzuführen, und 1994 der Versuch, in Luxemburg aufzumarschieren, zu einer bösen Pleite wurde, war dieses Jahr in die dänische Kleinstadt Roskilde mobilisiert worden.
Bei internationalen Treffen im Hauptquartier des DNSB in Greve, Anfang März 1995, war u.a. beschlossen worden, den diesjährigen Marsch mit der Forderung nach Freilassung des österreichischen Neonazi-Aktivisten Gottfried Küssel (VAPO) und nach Aufhebung der Verbote von Nazi-Organisationen in der BRD zu verbinden. Doch man war dann noch aktueller: Der US-Amerikaner Gerhard Lauck (NSDAP/AO), der an diesen Treffen teilgenommen hatte, wurde auf Wunsch bundesdeutscher Behörden festgenommen und war einige Zeit in Roskilde inhaftiert. Damit stand auch die Forderung nach Freilassung des neugewonnenen Märtyrers auf der Tagesordnung.
Und so zogen also Nazis aus der BRD, Norwegen, Schweden und Großbritannien nach Dänemark, um dort zu demonstrieren, daß »Dänemark den Dänen« gehört und den »ungeborenen Generationen von Dänen« das »Recht auf ein Vaterland« zu retten. Deren Vorfahren sahen das aber -in dänischer Widerstandstradition - anders. Als die Faschistinnen von Greve aus Richtung Roskilde abfuhren, fand dort bereits eine friedliche Gegendemonstration des Antirassistischen Netzwerks mit etwa 800 TeilnehmerInnen statt. Zeitgleich versuchten eine Reihe von Leuten, die Zufahrt zu dem Parkplatz des Wikinger-Museums in Roskilde, dem Ausgangspunkt des Neonazi-Marsches, mittels einer Sitzblockade zu versperren. Bei deren Räumung kam es zu 45 Festnahmen, darunter 15 Antifaschistinnen aus Kiel und Lübeck. Alle wurden jedoch noch am gleichen Abend freigelassen.
Gegen 14 Uhr trafen die Neonazis in Roskilde ein. Im Nu waren sie von aufgebrachten, laut schimpfenden BürgerInnen umringt. Noch ehe sich der Zug überhaupt in Bewegung gesetzt hatte, hatten sie bereits mehrere BürgerInnen, die sich ihnen in den Weg stellten, zu Boden gestoßen. Andere wurden mit Faustschlägen attackiert. An der Spitze des Zuges liefen Jonni Hansen, Vorsitzender der "Dansk Nationalsocialistiske Bevaegelse" (DNSB) und Anmelder der Demonstration, und der Deutsche Neonazi-Funktionär Friedhelm Busse (FAP), der - kaum wurden die FaschistInnen angegriffen - spurlos von der Bildflache verschwand. Den Ordnerdienst unterstützten u.a. Thomas Wulf aus Hamburg und Torsten de Vries aus Wilhelmshaven. Auch die Neonazi-Aktivisten Christian Worch (Hamburg) und Bernd Stehmann (Bielefeld) waren vor Ort. Sie wurden von rund 25 deutschen Neonazis um Hartmut S. (Berlin) und Rostocker Aktivisten begleitet. Unter den vielen international bekannten Gesichtern war auch der Brite Charlie Sargent mit seinen "Combat 18" Leuten um Will Browning. Als der Aufmarsch unter Polizeischulz die Stadtmitte erreicht hatte, griff eine Gruppe Antifas an Flaschen und Steine flogen über die Kopfe der wenigen Polizisten, die versuchten, FaschistInnen und Antifas von einander zu trennen Wahrend die Neonazis auf Anordnung der Polizei den Rückzug antraten, lieferten sich AntifaschistInnen und BürgerInnen eine Straßenschlacht mit der Polizei. Andere DemonstrantInnen und viele der EinwohnerInnen folgten den Neonazis. Als sich diese, kaum eine Stunde nach Aurbruch, an ihrem Ausgangspunkt wiederfanden, begannen sie, die Umstehenden mit Flaschen- und Steinwürfen zu attackieren. Die Polizei bemühte sich noch, die Neonazis zurückzudrängen, aber Antifas und EinwohnerInnen waren bereits zum Gegenangriff übergegangen. Die Polizei sah sich kaum m der Lage, die Neonazis zu schützen, so daß diese bald in wilder Flucht Richtung Greve verschwanden. Einige der FaschistInnen mußten zur Behandlung ins Krankenhaus, die meisten Fahrzeuge waren mehr oder weniger zerstört, der Reisebus völlig entglast. Bereits gegen 19 Uhr waren die meisten ausländischen Neonazis ganz abgereist - in einem neuen Bus - und einige der PKWs blieben ohne Scheiben und fahruntüchtig zurück.
Bestätigt wird diese peinliche Schlappe noch durch den jammervollen offenen Brief Jonni Hansens an den Polizeichef von Roskilde in dem er das seiner Ansicht nach mangelhafte Eingreifen der Polizei beklagt. Sollte diese auch in Zukunft nicht bereit oder in der Lage sein die friedlichen Aktivitäten des DNSB zu schützen, so sähe sich dieser gezwungen, in Zukunft diesen Schutz in die eigenen Hände zu nehmen. Vielleicht fürchtet er, daß es auch in Greve bald nicht mehr so ruhig sein wird.