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Berührungspunkte zwischen Feminismus und Faschismus?

Fantifa
Einleitung

Wir dokumentieren im Folgenden eine Radio-Sendung der Fantifa, einer Gruppe von Frauen und Lesben, vom 5. August 1996, leider stark gekürzt. Bei Recherchen sind sie auf Faschistinnen gestoßen, die in ihren braunen Publikationen durchaus antisexistisch und patriarchatskritisch argumentieren. Von daher stellten sich Fragen nach den Schnittpunkten von faschistischer Ideologie und Feminismus. Also was und wo sind die Einfallstore für Rassismen und Ausgrenzung? Wie muß feministische Theorie und Praxis bestimmt werden, dass es eben nicht zu šÜberschneidungen mit faschistischer und konservativer Ideologie kommt?

Frauen Wiking Jugend
(Foto: Christian Ditsch)

Ein Frauenblock beim Neonazi-"Heldengedenken" in Halbe 1991.

In der feministischen Theorie und Praxis lassen sich grob zwei Richtungen unterscheiden: Differenz und Gleichheit.

Die Differenztherorie besagt, Frauen und M„änner seien verschieden, entweder von Geburt an oder durch Ihre Sozialisation. Frauen seien z.B. passiver und emotionaler, M„änner dagegen aktiver und logischer. Egal wodurch diese geschlechtsspeziflschen Unterschiede entstanden seien, sie seien auf jeden Fall nicht zu „ändern. Deshalb ist es auch kein Ziel von Differenztheoretikerinnen diese Ungleichheiten aufzuheben. Im Gegenteil, die als positiv angesehenen Eigenschaften von Frauen, z.B. Fürsorglichkeit und Friedfertigkeit sollen gest„ärkt und in der Gesellschaft aufgewertet werden. Damit werden typische Lebensentwürfe von Frauen befürwortet wie Mutterschaft und Hausarbeit. Im Endeffekt soll eine weibliche Welt parallel zur m„ännlichen Welt entstehen. Synonym für den Begriff Differenztherorie werden auch das Polarit„ätsprinzip und der dualistische Ansatz verwendet.

Die Gleichheitstheoretikerinnen sagen, dass M„änner und Frauen zwar hier und heute unterschiedlich sind, es aber durch Sozialisation geworden sind. Deswegen seien die Pers”önlichkeitsmerkmale auch ver„änderbar und nicht genetisch festgelegt. Ziel ist die Aufhebung der Polaritä„t weil die bestehenden Unterschiede von Eigenheiten und Zustä„ndigkeiten wesentliche Gründe seien für die Ungleichberechtigung. Die angestrebte Gleichheit bedeutet nicht, dass alle Frauen und M„änner gleichzumachen wä„ren oder umgekehrt. Sie bedeutet die Gleichheit in Bezug auf M”öglichkeiten und Rechte. 

Hier muss unterschieden werden zwischen einerseits solchen Feministinnen, die die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau innerhalb des kapitalistischen Systems anstreben. D.h. Frauen und M„änner sollen gleichberechtigt Hausarbeit und Erwerbsarbeit machen. Andererseits gibt es Feministinnen, die die weltweite Aufhebung aller Herrschafts- und Unterdrückungsverh„ältnisse anstreben. Also die Gleichheit zwischen M„ännern und Frauen, ob schwarz oder weiß, im Endeffekt die Gleichberechtigung aller Menschen. Synonym mit dem Begriff Gleichheitsprinzip werden hier der egalit„äre Ansatz oder Egalitä„tstheorie verwendet.

Diana: Wir haben uns der Fragestellung zugewandt, wie eine feministische Bewegung aussehen muss, wenn sie denn resistent gegenber neofaschistischer Bestrebungen sein m”öchte. Da ist es sinnvoll, etwas in die Geschichte zurückzuschauen, bspw. gab es im deutschen Faschismus auch eine feministische Bewegung, die sich sowohl als Feministinnen als auch als Faschistinnen verstanden haben. Sie hatten eine egalitä„re Geschlechterkonzeption. Heute gibt es in er "Neuen Rechten" Bestrebungen, dass wieder feministische Strö”mungen aufgegriffen werden, es sind vorwiegend Feministinnen, die einen Differenzansatz vertreten. Man erkennt daran, dass beide Ans„ätze von faschistischen Bewegungen vereinnahmt werden k”önnen.

Silke: Wo sind die Schnittpunkte, wo kann es gef„ährlich werden mit diesen beiden Ansä„tzen in Bezug auf den Faschismus?

Diana: Grob gesagt kann man formulieren, dass die bürgerliche Frauenbewegung fest auf dem Boden der bürgerlichen Gesellschaft stand, wä„hrend die proletarische Frauenbewegung im Prinzip eher den Egalit„ätsansatz vertritt, der die Frauenbefreiung erst im Sozialismus für mö”glich hielt. Im Gegensatz dazu die bürgerlichen Frauen die den Differenzansatz vertraten, mit Kriegsbegeisterung in den I. Weltkrieg hineinstürzten und den "Nationalen Frauendienst"1 aufbauten. Diese Linie kann man weiterziehen bis hin zum Faschismus, es gab sehr viele Affinit„äten zwischen dem Nationalsozialismus und den bürgerlichen Frauen z.B. die Glorifizierung der Mütterlichkeit. Der Differenzansatz hat die bürgerliche Frauenbewegung nicht davor geschützt, sich gegen den deutschen Faschismus zu wehren. Im Gegenteil, die Affinit„äten haben dazu geführt, dass die bürgerliche Frauenbewegung sich weitgehend in den NS-Staat hat eingliedern lassen.

Silke: Wo würdest Du in der heutigen Zeit Parallelen sehen oder Einfallschneisen für faschistische Ideologien in die feministische Bewegung.

Diana: Im Moment, also seit den 80ern wird wieder verst„ärkt der Differenzansatz diskutiert, ich selbst bin auf jeden Fall eine Anh„ängerin des Egalitä„tsprinzips und kann sehr wenig mit diesem Differenzansatz anfangen. Dieser Ansatz wird auch verst„ärkt von der "Neuen Rechten" benutzt, um eben Feministinnen, die das nicht durchschauen, zu benutzen.

Silke: Vorhin wurde gesagt, dass ihr euch damit besch„äftigt habt, welche Kriterien an eine feministische Bewegung anzusetzen sind, die resistent gegen faschistische Unterwanderung, oder Parallelen zu faschistischen St”römungen sein sollen.

Diana: Auf jeden Fall reicht die Geschlechterkonzeption nicht aus. Dadurch, dass es im Faschismus eine feministische Bewegung gegeben hat, die den Egalit„ätsansatz vertreten hat, sieht man, dass es nicht ausreicht, ein egalit„äres Geschlechterverst„ändnis zu haben, sondern es muss noch ein bisschen mehr dazukommen.

Anne: Ich habe versucht, herauszufinden ob das Denken so neu ist, da man ja von Neo-Faschismus spricht oder ob es Kontinuit„äten gibt seit der Zeit des Faschismus. Innerhalb der "Neuen Rechten" tritt ein Frau, n„ämlich Sigrid Hunke2 deswegen so hervor weil sie eine egalit„äre Geschlechterkonzeption mit faschistischen Vorstellungen verknpft. In der Zeit des Faschismus gab es ein Pendant, nä„mlich Sophie Rogge-Börner3, die genauso verfahren ist. Sophie Rogge-Börner hat eine Zeitschrift herausgegeben die hieß "Die deutsche Kämpferin". Diese Gruppierung ist im II. Weltkrieg im Zuge der nationalen Kriegsbegeisterung  entstanden. Diese Frauen nannten sich vö”lkische Feministinnen bzw. Nationalfeministinnen. Sie zeichneten sich dadurch aus, dass sie eine radikal egalit„äre Geschlechterkonzeption verbanden mit einer elit„ären Staatskonzeption. Forderungen waren z.B. auf dem Arbeitsmarkt gleiche Chancen für Frauen, dass M„änner verst„ärkt zu Hausarbeit, im Zweifelsfalle gezwungen werden k”önnen. Da zeigte sich das egalit„äre Moment. Die vö”lkische Konzeption wurde dadurch artikuliert, dass in der Verarbeitung des I. Weltkrieges in der "Schande von Versailles," Deutschland ein Anrecht hat auf die weggenommen Gebiete. Sie haben sich sehr deutlich rassistisch gezeigt, indem sie zum einen die Schwarzen Soldaten, die im Rheinland stationiert waren als "Untermenschen" bezeichnet haben, vor einer "Durchrassung der deutschen Art" gewarnt haben. Sie haben sozial-darwinistische Vorstellungen, d.h. wer nicht arbeitet soll auch nicht essen, es soll überhaupt keine rechtliche Absicherung für schwache und kranke Menschen geben. Sie vertraten die in der "Weimarer Republik" sehr populä„ren eugenischen Vorstellungen, wie Zwangssterilisation von "Behinderten". Es wurde sehr begrüßt, dass diese Vorstellungen im Nationalsozialismus tats„ächlich realisiert wurden.

Silke: Kannst Du noch was zur aktuellen Situation sagen, du hast dich ja mit Hunke besch„äftigt, die auch heute noch aktiv ist.

Anne: Dazu muss man sagen, dass diese Entwicklung von alter Rechter zu "Neuer Rechter" sehr fließend ist und dass es auch zu personellen ܚberschneidungen kommt. Das macht sich fest an verschiedenen rassistischen Altertumforschern, die wäh„rend der NS-Zeit zusammen mit Sophie Rogge-Börner gearbeitet haben. Spä„ter gab es dann Kontakt zu Sigrid Hunke. Ob die beiden Frauen sich gekannt haben weiß ich nicht, will ich aber nicht ausschließen. 

Sigrid Hunke hat dann nach 1945 eine steile Karriere gemacht. Sie war sehr angesehen und f„ührt halt eine Doppelstrategie. Zum einen eine anerkannte Wissenschaftlerein, zum anderen publiziert sie in deutlich rechtsextemen Zeitschriften wie "Elemente"4. Sie hat dort „ähnlich vö”lkische Vorstellungen ge„äußert, sie ist eindeutig rassistisch und antisemitsich in ihrer Argumentation. Hat dort die gleiche egalit„äre Geschlechterkonzeption wie Rogge Bö”rner und die "Deutschen Kä„mpferinnen" sie auch vertreten haben. Das zeigt für mich zum einen, dass die Geschlechterkonzeption nicht ausreicht für eine feministische Arbeit und es wird deutlich, dass das Frauenbild und die Geschlechterkonzeption in der rechten Bewegung nicht eindeutig geklä„rt sein muss.

Silke: Wie breit würdest Du diese Bewegung einschä„tzen um Hunke und Rogge Bö”rner, was für eine Bedeutung nehmen sie in der rechten Frauenbewegung ein? Wird an sie der Vorwurf gerichtet, dass sie eine elitä„re Auffassung haben?

Anne: Heute ist es so, dass Hunke die einzige mir bekannte Ideologin ist die solche Theorien vertritt, aber es gibt innerhalb der Neofaschistinnen Tendenzen, die Gleichberechtigung wollen, z.B. an "Straßenschlachten" teilzunehmen.5 Die Zeitschrift die sie herausgeben heisst "Die Kampfgefährtin"6, eine sehr deutliche Verbindung. Wie groß diese Bewegung ist, kann ich nicht einsch„ätzen.

Silke: Was verstehen wir eigentlich unter dem Begriff Feminismus? Meine Meinung wä„re, dass ich Frauen wie Hunke oder Rogge Bö”rner, oder überhaupt Frauen im rechten Bereich nicht als Feministinnen bezeichen würde. Das schließt sich für mich aus.

Anne: Ich würde sagen, dass ich ganz allgemein als Femistinnen alle Frauen bezeichen würde, die sich für die rechtliche Gleichstellung von Frauen und Mä„nnern einsetzen und die Verbesserung von Frauenrechten. Dass dies ein gemeinsames verbindendes Element ist. Die Geschichte der Frauenbewegung hat gezeigt, dass es nicht mehr ist. Dann dürfte man auch Frauen aus der alten Frauenbewegung, die sich wunderbar im Faschismus eingegliedert haben, nicht mehr als Feministinnen bezeichnen, wie auch den ganzen gem„äßigten Flügel der alten Frauenbewegung. Frau kann sich halt bestimmte Elemente rauspicken aus den unterschiedlichen feministischen Theoriebüchern, die ja auch in ihrer Richtung nicht einheitlich sind. Sich auf Ausschnitte daraus berufen und sich auf eine begrenzte Gruppe beziehen. Im Faschismus "Arierinnen", oder nur für deutsche oder weiße Frauen. Ich denke auch, dass der feststellbare Ethnozentrismus in der Frauenbewegung heute, dass halt bestimmte Forderungen nur Gültigkeit hatten und haben für die weiße Mittelstandsfeministin. Das der Feminismusbegriff nicht so deutlich abgegrenzt ist, dass man sagen kann, dass es sich ausschließt.

Diana: Ich würde dem schon entgegesetzen, dass es in der alten und auch in der neuen Frauenbewegung schon immer verschiedene Str”ömungen gab. Ein Menge Str”ömungen finde ich stark auseinandersetzungsbedürftig. Auch die Kritik von schwarzen Frauen zum Ethnozentrismus der weißen Frauen war nö”tig. Trotzdem gab es immer Feministinnen die den Begriff gefüllt haben, mit einem internationalistischen Anspruch, mit einem der nicht nur für weiße Mittelschichtsfrauen gilt, sondern für alle Frauen gilt, eine Befreiung von allen Unterdrückungsformen. Das mö”chte ich in feministische Theorie und Praxis einbeziehen. Das wä„re mein Anspruch an Feminismus. Weil ich das für mich in Anspruch nehme, m”öchte ich das anderen absprechen, die das nicht mit einbeziehen. Deshalb würde ich sagen es gibt keine rechten Feministinnen.

Silke: Dem würde ich nicht zustimmen, Tatsache ist doch, dass die feministische Theorie noch sehr viele Schwachstellen hat, dass es sich eben nicht ausschließt. Weil der kleinste gemeinsame Nenner so klein ist, dass man dann eben auch den Nationalfeminismus  darunter  packen kann als eine Str”ömung. Ein Feminismus der solche Ansprüche hä„tte, alle Herrschafts- und Unterdrückungsverhä„ltnisse aufzuheben, das ist eine feministische Theorie die erst noch entwickelt werden muß.

Wir wollen die Ergebnisse noch mal zusammenfassen und vor allem schauen, was da für eine politische Praxis herumgekommen ist. Zum einen vertreten Faschistinnen durchaus progressive Frauenbilder, die oft antisexistisch sind und Geschlechterkonzeptionen die sich mit denen von Feministinnen auch überschneiden. Es kommt nicht nur aufs Frauenbild an, sondern auch aufs Menschenbild.

Unsere feministische Theorie und Praxis muß gefüllt und konkretisiert werden. Sie muß sich gegen alle Formen von Unterdrückung wenden und - ganz wichtig - sie muß einen internationalistischen Anspruch haben. Es geht nicht nur um Gleichberechtigung mit M„ännern innerhhalb des patriarchalen Systems, sondern wir wollen die gesellschaftlichen Strukturen grunds„ätzlicher angreifen. Wenn alle diese Ansprüche im Begriff enthalten sind, wird eigentlich ausgeschlossen, dass sich im Feminismus Einfallstore für rassistisches und elit„äres Gedankengut finden lassen. Vor allem im esoterischen und spiritistischen Bereich ist so was immer etwas gef„ährlich.

  • 1

    Der "Nationale Frauendienst" (NFD) war während des Ersten Weltkrieges eine staatlich anerkannte deutsche Frauenorganisation, die ihre freiwilligen zivilen Dienste als weibliche Ergänzung des Dienstes an der Front verstand.

  • 2

    Sigrid Hunke war Mitglied der NSDAP und des "Nationalsozialistischen Studentenbund" (NSDStB). In der BRD wurde sie Mitglied im "Bund Deutscher Unitarier – Religionsgemeinschaft europäischen Geistes" (BUD) und Autorin in "Elemente zur Metapolitik", der Zeitschrift des "Thule-Seminar". 

  • 3

    auch: Pia Sophie Rogge-Börner (Pseudonym: Christa Hoch)

  • 4

    "Elemente zur Metapolitik"

  • 5

    So die Frage in der ersten Ausgabe von "die DFF informiert" (1985). Die Zeitschrift wurde u.a. von Ursula (Uschi) Worch verantwortet.

  • 6

    Der Kreis um "Die Kampfgefährtin" hat sich mittlerweile mehrfach zerstritten.