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Königs Wusterhausen: Neonazistischer Brennpunkt in Brandenburg

Einleitung

Königs Wusterhausen (KW) ist eine durchschnittliche Kleinstadt vor den Toren Berlins. Mit etwa 19.000 EinwohnerInnen, einem Neubaugebiet, einem Regional- und S-Bahnhof sowie umliegenden Gemeinden und Dörfern entspricht der Ort dem »Brandenburg-Standard«; Bernau, Oranienburg, Fürstenwalde, Nauen, Eberswalde sind ähnlich aufgebaut. Vergleichbar mit anderen ostdeutschen Kleinstädten ist auch der soziale Querschnitt: Die Arbeitslosenquote liegt bei 13 Prozent, es herrscht Lehrstellenmangel und die große rechte Jugendkultur aus den Neubausiedlungen lebt ihr einfaches Weltbild aus, indem sie die »Döner-Türken« und die »Fidschis« (die durch die Übernahme der DDR durch die BRD arbeitslos gewordenen VietnamesInnen) für die Zustände verantwortlich macht.

Prozeßbesucher und Angeklagte aus Königs Wusterhausen am Rande des Prozesses gegen Eric O. (2.v.l.) und Maik P. (1.v.r.), die 1991 mit einem Kleinkalibergewehr in Zeesen auf Antifas geschossen hatten. Sieben Jahre nach der Tat wurden beide im Dezember 1997 wegen versuchten Totschlags zu Bewährungsstrafen verurteilt.

Neonazis von 1989

Schon kurz vor der Wende 1989 gab es in Königs Wusterhausen (KW) eine rechte Skinhead- bzw. Hooliganszene mit guten Kontakten zur Westberliner "Nationalistischen Front" (NF), die dann weiter ausgebaut wurden. Berliner Neonazi-Kader wie Carsten Szczepanski (KKK), Uli Boldt (NF, BKP), Reinhard Golibersuch (FAP) und Frank Lutz (NA) zogen innerhalb der letzten Jahre in die Region um KW. Dementsprechend früh und oft machte die Neonaziszene in der Kleinstadt Schlagzeilen in der regionalen und überregionalen Medienlandschaft: Im September 1991 fand eine "Ku-Klux-Klan"-Kreuzverbrennung statt, an der lokales und bundesweites Neonazipublikum teilnahm. Sogenannte »Heldengedenkmärsche« von uniformierten Neonazis im nahegelegenen Halbe, wo eine der letzten Kesselschlachten des Zweiten Weltkriegs stattfand, sorgten im Herbst 1991 und 1992 für bundesweites Aufsehen. Große Neonazifeiern, wie z.B. in Prieros bei Königs Wusterhausen 1993 mit 800 Teilnehmern, und neonazistische Übergriffe kommen immer wieder vor.

Von der NF zur JU ?

Die nahezu unerschöpflichen Möglichkeiten für verschiedene (frühere) neonfaschistische Strukturen in KW an Einfluß zu gewinnen, zeigten sich im Frühjahr 1997. Damals wurde in Königs Wusterhausen der (frühere) Berliner Neonazikader und Ex-NF-Anhänger Ulli Boldt als Person im Kreis der örtlichen Jugendgruppe der CDU, "Junge Union" (JU), ausgemacht. Zuvor tauchte bereits des öfteren Propagandamaterial der neonazistischen Organisation auf, in dessen Führung Ulli Boldt tätig war - der "Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e.V." Die "Junge Union" war in Königs Wusterhausen, wie auch in anderen Städten Brandenburgs (z.B. Frankfurt/Oder), zeitweilig ein Art Sammelbecken für die Teile der rechten Jugendkultur, die sich etwas schlauer als der normale "Skinhead-Kamerad" vom Bahnhofsvorplatz fühlten. Rechte Jugendliche, vor allem »bürgerliche« Gymnasiasten, denen "Skinhead-Geprolle" und "Straßenkampf" weniger zusagte, waren bis zur Auflösung der JU in Königs Wusterhausen an »Wanderfahrten« und ähnlichem beteiligt. Auch eine Art "gemeinsames Saufen für Deutschland" am 3.Oktober oder am "Herrentag" oder auch das öffentliches Diskutieren für die vollständige Abschaffung des Asylrechts am »Europäischen Antirassismustag« in der Stadtverwaltung von Königs Wustehausen gehörten zum Programm der CDU-Jugend. Gepflegt wurde laut Berichten aus KW auch die Leidenschaft für historische und aktuelle Militaria ebenso wie das Lesen der rechten Wochenzeitung "Junge Freiheit". Die JU als eine Art pseudo-demokratische Ausstiegsprogramm zu bewerten ist eher naiv, zumindestens Uli Boldt soll noch 1997 am Neonazi-Treffen in Hetendorf teilgenommen haben

Brüche und Kontinuitäten

Der Großteil der jüngeren Neonaziszene in Königs Wusterhausen und Umgebung besteht aktuell (noch) aus eher unorganisierten, aber gefährlicheren Neonazi-Skinheads (Boneheads). In diesem Bereich, der sich unaufhörlich aus der rechten Jugendkultur speist und als modisch und »in« gilt, findet man mittlerweile eine neue Generation. Die meisten der oft erst 14 bis 18 Jahre alten Nachwuchs-Neonaziskins sind noch nicht fest organisiert oder verbindlich in die Netzwerke der älteren, erfahrenen und z.T. elitär auftretenden Neonazis eingebunden worden.

Einige neonazistische Aktivisten bewegen sich jedoch auch zwischen den verschiedenen Generationen und können jederzeit Nachwuchs rekrutieren. Andere ältere rechte Aktivisten wie Axel K., die Anfang der neunziger Jahre noch an geheimen RechtsRock-Konzerten teilnahmen, haben sich ins "seriöse" Geschäftsleben oder ins angebliche Privatleben zurückgezogen.

Der lokale Neonaziführer Carsten Szczepanski sitzt momentan noch eine Haftstrafe in der JVA Brandenburg wegen eines rassistischen Mordanschlags im Jahr 1991 ab. Aus dem Knast erstellte und vertrieb Sczepanski ein Neonaziskin-Fanszine. Er gilt als gut vernetzt in die internationalen Kreise von "Ku Klux Klan", "Blood & Honour" und "Combat 18" und ist nach wie vor einer der Herausgeber des »United Skins«-Fanzine.

"United Skins"

Als verbindlichere und quasi organisierte Struktur in KW ist vor allem die Kameradschaft "United Skins" (US) anzuführen. Sie organisiert Feste, Treffen und gibt eine Art Rundbrief raus. Unter diesem Namen waren vor Ort bereits die ersten sog. "Schlägerfaschos" Anfang der neunziger Jahre bekannt gewesen. "United Skins" heisst nicht umsonst auch ein von u.a. Szczepanski und Christine St. gemachtes Neonazi-Skin-Fanzine.

Auch bekannte "ältere" Neonazi-Aktivisten aus dem Kreis KW wie Ralf L., Marco H., Markolf B. und das Ehepaar Andre M. und Britta M. werden dem Kreis um die neueren "United Skins" zugerechnet. Auch Daniel G. (Bestensee) und Maik P. sollen der Kameradschaft "United Skins" angehören. Maik P. gehörte bereits im Sommer 1991 mit Eric O. (Zeesen) und Enrico P. zu einer Gruppe Neonazis, die mit einem Gewehr auf linke Hausbesetzer in Zeesen schoss und eine Person verletzte. Zusammen mit Eric O. wurde Maik P. deswegen im Dezember 1997 wegen versuchten Totschlags zu einer Bewährungsstrafen verurteilt.

KW als Basis der bundesweiten NS-Szene

Auch wenn einige der "alten" Neonazis in KW nach Außen hin ruhiger auftreten als die gewalttätigen Nachwuchs-Neoazis, sind sie doch als Teil einer gut vernetzten militanten Neonazi-Szene in Brandenburg und Berlin zu bewerten.

Einige KWer Neonazis haben sich mittlerweile überregional orientiert. Die älteren "Kameraden und Kameradinnen" um Carsten Szczepanski, Ralf L., Marco H., Marco L., Thomas K., Britta M. und Nadja H. sollen mittlerweile in Richtung "Blood & Honour"-Netzwerk tendieren und bundesweit an entsprechnden Treffen und Konzerten teilnehmen.

Das Ehepaar Maik Fischer und Sylvia Fischer (ehem. Sylvia Endres) aus dem benachbarten Mittenwalde ist bundesweit im Bereich Neonazi-Vernetzung tätig und zählt zum Beispiel zum Herausgeberkreis des Neonazi-Fanzine "Der Weisse Wolf". Mit Holger Stenzel ("Deutscher Jugend Bund) ist mittlerweile ein westdeutscher Neonazi von der Neonazi-Zeitung "Westdeutschen Volkszeitung" erst nach KW und dann in ihr Umfeld nach Mittenwalde gezogen.

Wichtige Neonazi-Führer aus ganz Deutschland und z.T. auch aus Teilen von Europa (z.B. Schweden und England) besuchen die alten KWer Neonazis immer wieder vor Ort. Mehrere große Konzerte, kleinere Feiern und bundesweit besuchte Neonazi-Fußball-Turniere in der Region KW dienten der bundesweiten Vernetzung und sollen u.a. von Maik F.,  Marcus R. und Ralf L. organisiert worden seien.

Junge Gewalt

Die jüngere rechte Jugendszene ist trotz geringem Organisierungsgrad in Sachen Brutalität nicht zu unterschätzen: Im Frühjahr 1997 wurde ein 16jähriger in der S-Bahn von zwei Neonazi-Schlägern so mißhandelt, daß er danach tagelang künstlich ernährt werden mußte. Im Juni des gleichen Jahres wurde ein junger Punk auf dem Bahnhof von drei Neonaziskins zusammengeschlagen. Am 8. Mai 1997 wurde der 52 Jahre alte Sozialhilfeempfänger August B. von fünf (rechten) Jugendlichen erschlagen. Die 15 bis 21 Jahre alten Täter verfolgten ihr Opfer bis in dessen Wohnung und schlugen dann mit Baseballschlägern so lange auf ihn ein, bis der Mann mit vollkommen zertrümmertem Schädel starb. Nur zwei Wochen zuvor hatten die einschlägig vorbestraften Täter zu sechst ein Mädchen und einen Jungen überfallen, weil das Mädchen ein als "linkes Zeichen" gewertetes "Palästinensertuch" trug. Im Frühjahr 1998 wurden zwei angeblich "Behinderte" auf offener Straße von mehreren stadtbekannten Neonaziskins, darunter Jens L., angegriffen und schwer mißhandelt.

Wenig Antifa Strukturen

Organisierten antifaschistischen Widerstand gegen die neofaschistischen Aktivitäten gibt es kaum noch. 1998 wird auch der letzte alternative Jugendtreffpunkt verschwinden, da die Besetzer des nahegelegenen Schloß Zeesen ausziehen müssen. Jugendliche, die sich nicht den unpolitischem "Konsumkids" oder der Neonazijugend-Dominanz unterwerfen, sind damit noch schwerer zu finden. Antifaschistische Strukturen sind kaum noch vorhanden oder mittlerweile fast inaktiv. Auch deswegen konnte sich in Königs Wusterhausen durch ein politisches Vakuum und einen langen Zeitraum, in dem es kaum Widerstand gegen die Neofaschisten gab, eine neue Generation einer zahlenmäßig starken rechten Jugendkultur entwickeln.