Skip to main content

Rechts, rechter, CSU...

Einleitung

"Rassismus hat viele Gesichter" lautet ein Polit-Slogan. Dies trifft in gewisser Weise auch auf die CSU zu. Forderungen nach »asylantenfreien Zonen« oder Stimmen gegen eine »durchrasste Gesellschaft« sind hinlänglich bekannt und stellen im Zusammenhang mit der bayerischen Regierungspartei nichts Neues dar. Schließlich gilt immer noch das Credo von Franz-Josef Strauß, daß es entscheidend darauf ankäme, den rechten Rand der Union nicht ausfransen zu lassen. Neu ist jedoch, wie systematisch und perfekt getimt die CSU für die bayerischen Landtagswahlen und die darauffolgenden Bundestagswahlen eine rassistische Kampagne entfachte. Das Ganze unter dem Motto: »CSU - Mit Herz und Verstand«.

Bild: wikimedia.org; Michael Lucan, CC-BY-SA 3.0

Der CSU-Politiker Peter Gauweiler mobilisierte gegen Deutschland als "Einwanderungsland".

Schon im Sommer 1997 ließ die Ankündigung von CSU-Chef Theo Waigel, man müsse sich »auf härteste Wahlkämpfe« einstellen, Schlimmes erahnen. »Die Auseinandersetzlingen der Vergangenheit waren nur matte Trainingseinheiten verglichen mit dem, was uns 1998 erwartet«, tönte der Bayer. Bevor die CSU ihr Trainingslager verließ, durfte ihr stellvertretender Generalsekretär, Joachim Herrmann, noch schnell die Marschroute konkretisieren. Der Themenkomplex »Ausländer und Innere Sicherheit« müßte eine wichtige Rolle im Wahlkampf spielen, denn die Integration wäre nun einmal »am Ende ihrer Möglichkeiten« angelangt. Er forderte die Senkung des Nachzugsalters für Kinder ausländischer Familien von derzeit 16 auf zehn Jahre. Es könne nicht so weitergehen, daß »wir ständig Jugendarbeitslosigkeit aus der Türkei importieren« würden.

Anfang Januar 1998 verabschiedete die CSU auf ihrer Klausurtagung in Wildbad Kreuth ein Konzept zur schärferen Verbrechensbekämpfung, im Mittelpunkt davon die »schnelle Abschiebung krimineller Ausländer«. Einen Monat später tauchte dann der CSU-Rechtsaußen und Münchner Unterbezirksvorsitzender Peter Gauweiler aus der Versenkung auf. Er kündigte ein Volksbegehren mit dem Ziel an, den Satz »Bayern ist kein Einwanderungsland« in der Verfassung zu verankern. Ein Vorstoß, der in seiner eigenen Partei zunächst auf Ablehnung stieß. Mitte März 1998 machte dann der CSU-Fraktionschef im bayerischen Landtag, Alois Glück, unmißverständlich klar, daß seine Partei »die Ausländerpolitik zum Wahlkampfthema« machen würde.

Je näher nun die Wahltermine heranrückten, desto mehr nahm die CSU-Kampagne an Intensität zu. Anhand eines jugendlichen türkischen Mehrfachstraftäters, »Mehmet« genannt, entfachte man zunächst in München, dann bayern- und bundesweit, eine Kampagne zur Abschiebung »krimineller Ausländer« und darüber hinaus zur Sippenhaft für Eltern straffällig gewordener Kinder. Die CSU forderte, die Eltern straffällig gewordener Ausländerkinder zur Strafe gleich mitabzuschieben. Bis zum Wahltag wurde diese Debatte am Kochen gehalten, obwohl das OVG Bayern schon längst entschieden hatte, daß der Ausweisungsbescheid sowohl für »Mehmet« als auch für seine Eltern nicht rechtmäßig ist.

Nachdem die DVU mit rassistischen Parolen 12,9 Prozent der Stimmen bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt im April 1998 eingefahren hatte, war die CSU kaum mehr zu bremsen. Die Angst packte die Partei schon am Abend nach Bekanntgabe der ersten Hochrechungen derart, daß man sich von Mahnungen der Kirchen, Wohlfahrtsverbände oder auch des Hotel- und Gaststättenverbandes nicht irritieren ließ. »Härtere Themen sind nun gefragt«, gab CSU-Generalsekretär Bernd Protzner die künftige Linie aus. CSU-Chef Waigel forderte von der gesamten Union einen Themenwechsel hin zur Ausländerpolitik, um zu versuchen, die DVU-Wähler für die demokratischen Parteien zurückzugewinnen. Bayerns Finanzminister Erwin Huber verlangte die stärkere Berücksichtigung »nationaler Interessen«.

Beim kleinen Parteitag der CSU in Ingolstadt, genau einen Monat nach dem DVU-Triumph in Sachsen-Anhalt, hatte dann Peter Gauweiler seinen großen Auftritt. Keiner schien der CSU-Spitze besser geeignet, den Leitantrag »Deutschland und Bayern sind kein Einwanderungsland« den 200 Delegierten vorzustellen. »Unsere Aufnahmekapazität ist erreicht«, betonte Gauweiler. Er wolle »nicht nur reden, sondern handeln«, und eine Debatte führen, die die »vielen Denkpolizisten im linken Lager nicht gerne sehen«. Ein Vorkämpfer gegen die »political correctness«, ein Fighter gegen Denkverbote, der unbeirrt die Wahrheit trotz heftigem Gegenwind verkündet, so sieht sich Gauweiler gerne. Das kam an bei den Delegierten, draußen in den Bierzelten und auch bei der CSU-Führung. »Wir bleiben eine deutsche Nation«, rief Parteichef Waigel begeistert aus und verwies darauf, daß man Volkes Stimme hinter sich hätte: »Wir als CSU rücken nicht nach rechts. Wir bleiben wo wir sind: in der Mitte.« Man müßte eben die »diffusen Ängste in der Bevölkerung« ernst nehmen. Derer nimmt sich auch Bayerns Innenminister Günther Beckstein jederzeit an, »emotionslos verantwortungsbewußt«, wie der christliche Hardliner stets betont.

»Zuwanderung - weiter begrenzen!« und »Bayern ist kein Einwanderungsland« hieß es fortan im Wahlpapier der CSU. Alle Anstrengungen liefen darauf hinaus, dies auch in der gemeinsamen Wahlplattform der Union zu verankern. Dies mißlang zwar, doch die CSU-Propaganda brachte nun fast täglich neue negative Highlights zustande. So fordert CSU-Vizegeneralsekretär Joachim Herrmann, man müßte künftig in den Ausländerbehörden zwischen »hoch willkommenen und eher unerwünschten Leuten« unterscheiden. Obwohl in den letzten fünf Jahren die Zahl der Asylbewerber von 450.000 auf 105.000 sank, geißelte Beckstein den »weiterhin eklatanten Mißbrauch des deutschen Asylrechts« und forderte zur »forcierten Rückführung« der bosnischen Kriegsflüchtlinge in ihre Heimat auf. »Unsere Gastfreundschaft ist zu Ende.« Becksteins Innenstaatssekretär, Hermann Regensburger, lehnte es öffentlichkeitswirksam ab, die Sondererfassung in der kriminalpolizeilichen Kartei des Freistaats in die Kategorien »negroid« und »Personentyp Roma/Sinti« abzuschaffen.

Auf ihrer Klausur Anfang Juli 1998 im Kloster Banz legte die CSU-Landesgruppe dann noch einmal nach. Schließlich lag die Partei bei Meinungsumfragen am Boden. Um die fünf Prozent für die REPs und nur noch 46 Prozent für die CSU in Bayern. Vorbei also mit dem »50 plus X«, aus dem die CSU ihre bundespolitische Bedeutung und Ausnahmestellung ableitet. Die DVU hatte schon vorher auf eine Kandidatur im Freistaat bei den Landtagswahlen verzichtet, da - so DVU-Chef Frey - die CSU »bereits unsere Politik« vertrete. Nun galt es, die REPs zu schwächen.

Zwar war das CSU-Positionspapier zur Ausländerpolitik in Banz mit »Deutschland und Bayern - weltoffen und gastlich« überschrieben. Was die CSU unter Weltoffenheit versteht, offenbarte sich dann im Text. Wer als Ausländer in Deutschland leben wolle, müßte so sprechen wie ein Deutscher, also regelmäßig Deutschkurse belegen, sonst wecke er »Zweifel an seiner Integrationsbereitschaft«. Er sollte sich in deutschen Vereinen und Verbänden engagieren und nicht mit zu vielen Ausländern in einer Straße wohnen. »Maßnahmen zur Sicherung ausgewogener Bewohnerstrukturen«, nannte man das. »Die Integrationsfähigkeit und Identität unserer Gesellschaft bewahren, heißt Zuwanderung begrenzen«, hieß es in den CSU-Wahlprospekten.

Mit einer rassistischen Stimmungsmache hatte schon die SPD in Baden-Württemberg und in Hamburg die extreme Rechte stark gemacht. Das Gleiche passierte der CSU 1989 bei den Europawahlen, damals holten die REPs 14,6 Prozent in Bayern. Diesmal jedoch ging das Konzept der CSU jedoch auf. Sie holte 52,9 Prozent der Stimmen. Die REPs, die landesweit den Slogan »Wir halten, was die CSU verspricht« plakatiert hatten, scheiterten mit 3,6 Prozent überraschend klar an der Fünfprozenthürde.

Edmund Stoiber jubelte nach den ersten Hochrechnungen in Bayern: »Es ist unser Verdienst, undemokratische Parteien aus dem Landtag herausgehalten zu haben.« Kurz vor den Bundestagswahlen setzte die CSU ihre Kampagne fort. Sie präsentierte Umfrageergebnisse, wonach die Mehrzahl der in Deutschland lebenden Ausländer Rot-Grün bevorzugen würden. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos gab kund, daß die CSU auch künftig nur »jetzigen Deutschen«, aber nicht irgendwelchen »Neo-Deutschen« das Wahlrecht zugestehen werde.

Er warnte in diesem Zusammenhang vor einer »islamischen Republik Deutschland«. Der Zeitpunkt war denkbar geschickt gesetzt. Zwei Tage zuvor war in Freising bei München ein angeblicher Komplize des mutmaßlichen internationalen Topterroristen Ussamar Bin Laden festgenommen worden und im Freistaat ging die Angst vor Vergeltungsmaßnahmen und Anschlägen islamischer Fundamentalisten um. Auch wenn die CSU bei der Bundestagswahl im Vergleich zur Landtagswahl unter die 50-Prozent-Marke rutschte: Mit ihrem Wahlkampf und ihren Positionen hat sie die Eckpunkte der Debatte noch weiter nach Rechts verschoben.