Antifaschismus diskreditiert
Nach dem Einzug der NPD in den sächsischen Landtag forciert die CDU/CSU nicht nur über Patriotismus und Leitkultur, sie forciert den Kampf gegen den Extremismus – den Linksextremismus. Mittel zum Zweck ist eine große Anfrage von 21 Mitgliedern der Unionsfraktion an die Bundesregierung. Mit juristischer Akribie formulieren sie 64 Fragen zur Praxis des so genannten »Bündnis für Demokratie und Toleranz« (BfDT). Ihr Verdacht: die Bundesregierung fördert durch das BfDT »linksextremistische« und verfassungsfeindliche Gruppierungen.
In langwieriger Fleißarbeit durchforstete man in der Union die Internetseite des BfDT und suchte nach einschlägigen Hinweisen. Auch die jährlich im Wettbewerb »Aktiv für Demokratie und Toleranz« ausgezeichneten Projekte wurden unter die Lupe genommen. Einer großen Geschichte glaubt man auf die Spur gekommen zu sein. Insgesamt werden neun von 316 ausgezeichneten und weitere auf der Internetseite des BfDT vorgestellte Gruppen in der Anfrage erwähnt. Was von Seiten der CDU/CSU gegen sie vorgebracht wird, ermöglicht einen tiefen Einblick in das Extremismus-Verständnis der Union.
Eines der Projekte ist die Bielefelder Antifa-West, deren Broschüre »Stop Lifestyle of Hate« vom Bündnis für Demokratie und Toleranz mit einem Geldpreis von 5000 EUR bedacht wurde. Die Broschüre beschäftigt sich mit der Rechtsrock-Szene in Ostwestfalen. Der Beweis für die Verfassungsfeindlichkeit – die E-Mail Adresse der Antifa West sei bei dem Internetportal nadir eingerichtet worden und dieses werde im VS-Bericht 2003 als etabliertes linksextremes Informationsportal bezeichnet. Ein weiteres Beispiel liefert die Zeitschrift »Der Rechte Rand«. Der Preisträger von 2001 wird für die Zusammenarbeit mit der »verfassungsfeindlichen Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten« (VVN-BdA) kritisiert. Ein Umstand, den die Zeitschrift Antifa treffend kommentiert: »Wenn das nicht grundgesetzkonform ist, müsste man über den antifaschistischen Grundkonsens der Verfassung reden«.1 Weitere Projekte sind die Initativen »Kölner Appell gegen Rassismus«, der Verein »Pfeffer und Salz Angermünde« und der »Internationale Jugendverein Guben«. Auch das Antifaschistische Infoblatt (AIB) wird benannt, da sich eine Projektdarstellung auf der Internetseite des Bündnisses findet.
All diese Vorwürfe wirken einerseits sehr konstruiert oder pauschalisierend. Die AutorInnen der Anfrage kritisieren bspw., »Geldpreise bis zu 5000 bzw. 10000 Mark haben u.a. Initiativen bzw. Gruppen erhalten, obwohl sie sich bereits namentlich zur Antifa-Szene zugehörig zu erkennen geben«. Interessant in diesem Zusammenhang ist insbesondere eines. Die »Junge Freiheit« veröffentlichte bereits in der Ausgabe vom 23. April 2004 einen Artikel von Manuel Ochsenreiter unter dem Titel »Steuergelder für linkes Netzwerk«.
Ochsenreiter, der sich durch Anti-Antifa-Artikel in der JF einen Namen machte und es dabei mit der Wahrheit nicht immer so genau nahm2 , erhebt in seinem Artikel exakt die gleichen Vorwürfe, kommt aber zu einem weiterreichenden Schluss: »...das Bündnis für Demokratie und Toleranz [ist] nur ein kleiner Teil eines riesigen Netzwerks aus linksextremistischen Initiativen, rot-grünem Regierungspersonal und ›nützlichen Idioten‹ aus der CDU/CSU zur Legitimierung des ´Kampfes gegen Rechts´«. Die Junge Freiheit als Stichwortgeber der Unions-Fraktion im Bundestag? Wohl nicht nur das. Auch wenn sich die Union nicht in die gleiche Verschwörungstheorie versteigt, zeigen Anfrage und Artikel, dass beide gleichen Geistes sind. Punktuell drängt sich sogar der Verdacht auf, die Union habe bei der JF einfach abgeschrieben. Das wird zwar vehement bestritten, doch es ist nicht die einzige Frage, der sich die Union stellen muss.
Die CDU/CSU hatte von Anfang an mit Vertretern im Beirat des BfDT gesessen, jenem Gremium, das über die Vergabe der Auszeichnungen entscheidet. Anfangs der ehemalige Postminister Christian Schwarz-Schilling, seit 2002 die CSU-Abgeordnete Dorothee Mantel. Mantel, die zu den Unterzeichnern der Anfrage gehört, und ihr Kollege Schwarz-Schilling sind an diesen Entscheidungen demnach beteiligt gewesen oder hätten sie beeinflussen können. Doch offenbar zog man es vor, nicht zu erscheinen oder einfach zu schweigen. Dass als Ziel einer solchen politischen Attacke gerade das Bündnis für Demokratie und Toleranz herhalten muss, erklärt sich mehr aus dessen Funktion als aus der Stichhaltigkeit der Vorwürfe. Das BfDT, welches sicher nicht als Speerspitze des »Kampfes gegen Rechts« bezeichnet werden kann, wurde als Konsequenz aus dem Sommer 2000 und als staatlicher Beitrag zum Aufstand der Anständigen gegründet. Unter Federführung des Innen- und des Justizministeriums wurde das BfDT mit einer handvoll Stellen eingerichtet und im Bundeshaus angesiedelt.
Der Beirat wurde aus verschiedenen Bereichen rekrutiert. Während er einerseits von den Parteien paritätisch besetzt wurde, fanden sich auch einige durchaus kompetente Persönlichkeiten aus Politik und Wissenschaft zusammen, um sowohl als Aushängeschild als auch als Berater des BfDT tätig zu sein. Trotz der politischen Beliebigkeit in der Zusammensetzung der so genannten Initiativen, also der Gruppen, Organisationen etc., die sich laut offizieller Darstellung im Bündnis zusammengefunden haben, wurden durch den Beirat immer wieder auch Gruppen ausgezeichnet, die die Unterstützung wirklich wert waren. Da die Zahl von 900 das BfDT unterstützenden Initiativen eher wahllos und beliebig zusammen kam, findet sich darunter neben dutzenden Volkshochschulen, die z.B. bezahlte Sprachkurse für Aussiedler anbieten, AWO-Stationen mit Jugendbetreuung oder kirchlichen Einrichtungen, auch die Bonner Burschenschaft Germania.
Wenn es nach den Wünschen des Innenministeriums geht, so sollte sich das BfDT ohnehin vor allem auf repräsentative Aufgaben beschränken. Wichtig ist der Eindruck des staatlichen Handelns gegen Rechts. Aus diesem Grund wird vom BfDT alljährlich mit großem finanziellen und organisatorischen Aufwand ein Festakt zum Verfassungstag am 23. Mai veranstaltet. Im Zuge dieses Festaktes werden einige der Auszeichnungen des Bündnisses von den Ministern eigenhändig verliehen. Das kann schonmal Irritationen hervorrufen. So wurde 2002 eine Auszeichnung in Höhe von 5.000 Euro an eine Jugendgruppe verliehen. Die zwei Punks, die den Scheck auf der großen Bühne des Berliner Hauses der Kulturen der Welt von Schily persönlich in Empfang nahmen, erklärten, sie wollten das Geld in den Kauf eines Kleinbusses investieren. Dieser solle den Flüchtlingen in ihrer Heimatstadt die Mobilität ermöglichen, die ihnen Schilys rassistische Flüchtlingspolitik verwehre.
Doch worum geht es der Union? Beim Studium der großen Anfrage wird klar, dass es einerseits um die Diskreditierung des politischen Gegners geht. Immer wieder wird mit Freude darauf verwiesen, dass einige Initiativen Kontakte zu PolitikerInnen der Grünen hätten, bzw. lobend von diesen erwähnt werden würden. Gleiches gilt für die »jetzt PDS heißende SED« wie es im Unionsjargon heißt. Andererseits geht es um die Diskreditierung des Antifaschismus und eine Gleichsetzung von Links und Rechts als »politischer Extremismus«. Somit stellt diese Anfrage der Union auch keinen Einzelfall dar.
Bereits 2003 hatte man im Bundestag die Programme gegen Rechtsextremismus scharf kritisiert und einen »antitotalitären Konsens« gefordert. »Keiner hier im Hause wird wohl sagen, dass das, was auf der linksextremen Seite geschieht, alles ´Pippi Langstrumpf´ ist«, hieß es vom damaligen Wortführer.3 Und der hieß Martin Hohmann.4
- 1Heinrich Fink, www.antifa-online.de/artikel.php3?id=2005020501
- 2siehe AIB Nr. 61 1.2004, »Keine ›privilegierte Quelle‹«
- 3Matthias Meisner, »Null Toleranz für rote Zellen«, Tagesspiegel 18.12.2004
- 4Hohmann wurde inzwischen wegen einer antisemitischen Rede und Kontakten zur extremen Rechten seiner Ämter enthoben und aus der CDU ausgeschlossen.