Verblasenes Geraune
»Neurechte« in der Union. Ein exemplarisches Beispiel aus Weimar
Er habe »diese Zeitschrift« nicht gekannt, zitiert die Frankfurter Rundschau den bekannten Schriftsteller Rolf Hochhuth am 26. Februar 2005. Nicht nur, dass Hochhuth der als ultra rechts eingestuften Wochenzeitung »Jungen Freiheit« ein Interview gab, er hat darin auch noch eine ziemlich überraschende Ehrenerklärung für den verurteilten Holocaust-Leugner David Irving abgegeben. Später verteidigte sich Hochhuth, er habe weder die JF gekannt noch habe er um die antisemitischen Äußerungen Irvings gewusst.
Diese Geschichte hat etwas Exemplarisches, woin das Geheimnis dafür steckt, dass es die 1986 gegründete Nationalisten-Postille »Junge Freiheit« immer noch gibt und sie es mit Regelmäßigkeit in die Schlagzeilen schafft. Es ist die Interview-Rubrik, in der regelmäßig auch Vertreter des bürgerlichen Lagers Deutschlands als »Gesprächspartner« auftauchen. Der JF gereichen diese zur Ehre und zum Ausweis ihrer Seriosität, die Befragten unterstreichen mit den JF-Interviews gerne ihre Offenheit und Unbefangenheit, mancher stilisiert es geradezu zum pluralistischen Geniestreich, den Rechten »bestimmte Diskurse nicht zu überlassen«. Kommt es dann zum Skandal oder zu Kritik, weil es sich bei der JF um das Flaggschiff einer neurechten Formierung am bräunlichen Rand des bürgerlichen Parteienspektrums und deutlich jenseits davon handelt, sind die Reaktionen ähnlich haarsträubend wie die Hochhuths.
Dass solche Leute, die sich für die intellektuelle Speerspitze Deutschlands halten, nicht mal eben im Internet googeln, um was für ein Organ es sich da handelt, ist unglaubwürdig. Viel wahrscheinlicher ist es, dass die Gefragten sehr wohl merken, mit wem sie es bei der JF zu tun haben und mit all dem herausprusten, was sie schon immer mal sagen wollten, aber sich bisher nicht getraut haben. Vor etwa fünf Jahren stellte das oberste Gericht in London fest, David Irving sei ein »aktiver Holocaust-Leugner, Antisemit und Rassist«. Wenn Hochhuth nun behauptet, das nicht gewußt zu haben, lügt er entweder oder macht sich damit vollends unglaubwürdig.
Freudlose Ex-DDR-Bürgerrechtler
Nun mag man, wenn’s auch schwer fällt, einem Interview-Partner diese Ahnungslosigkeit noch abnehmen. Es ist vielleicht tatsächlich möglich, von der JF noch nicht gehört zu haben oder sie mit der »Jungen Welt« zu verwechseln. Einem ehemaligen Redakteur der JF stehen solche Argumente freilich nicht gut zu Gesicht. Unbeeindruckt davon gibt sich seit einiger Zeit ein gewisser Peter Krause, der im Jahre 1998 ein halbes Jahr als Redakteur der JF für eben jenen Interview-Teil der neurechten Gazette mitverantwortlich war. Peter Krause ist Mitglied der CDU, sitzt seit Mitte 2004 für die Union im Thüringer Landtag und im Stadtparlament der Klassikerstadt Weimar. Für die Thüringer Regierungspartei im Erfurter Landtag ist der »Verfolgte des DDR-Regimes« auch »Beauftragter für die Opfer des Stalinismus und des SED-Regimes«. Der 1997 in die CDU eingetretene Konrad-Adenauer-Stipendiat promovierte 1999 über »Friedrich Schlegel und die Redekunst um 1800« und war von 1998 bis 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der ehemals bündnisgrün-bürgerbewegten CDU-Rechtsaußen Vera Lengsfeld. Der junge 41-jährige Germanist schien wie geschaffen für die Mitarbeit bei der JF.
Seine Dissidenten-Leidensgeschichte nutzt er nahezu wie einen Freibrief, um auch extrem rechtes Gedankengut zum Besten geben zu dürfen. »Ich komme aus der DDR-Opposition, ich habe fünf oder sechs Stasi-Akten und ich weiß genau, was Meinungsfreiheit bedeutet«, teilte er denn auch der Thüringischen Landeszeitung (TLZ) im Juli 2004 auf deren Nachfragen zu seiner Mitarbeit in der JF mit.
»Unwichtig und nicht skandalträchtig«
In diesem TLZ-Interview mag sich Krause dann jedoch nicht so recht entscheiden, ob er nun den Arglosen mimt oder auf der Folgerichtigkeit seiner JF-Mitarbeit besteht. So sagt er schlicht die Unwahrheit, wenn er behauptet: »Ich arbeitete zweieinhalb Monate im Jahre 1998 für die Zeitung.« Tatsächlich arbeitete er als Redakteur mindestens ein halbes Jahr und wird im Editorial von Nr. 49/98 von Chefredakteur Dieter Stein mit dem 30. September 1998 verabschiedet. Dann unterschlägt Krause auch, dass er im Jahre 2000 nicht nur für die JF, sondern auch bis 2001 noch für ein weiteres Blatt schrieb. Nämlich für die vielleicht noch eindeutiger dem extrem rechten Rand des Blätterwaldes zuzuordnende »Preußische Allgemeine Zeitung – Ostpreußenblatt«. Bei der JF wird er außerdem noch am 24. Oktober 2003 in der offiziellen Liste der Autoren geführt.
In vielsagende Widersprüche verwickelt sich Krause bei seinen überheblich formulierten Rechtfertigungsversuchen dann aber doch. Der TLZ, der er versichert, die JF-Episode sei »viel zu unwichtig und nicht skandalträchtig«, sagt er auch, die JF habe »als spannendes Projekt« und »völlig offenes Debattenblatt« gegolten. Es kann ja nicht ganz stimmen, wenn er im selben Atemzug behauptet, er habe das Blatt »entideologisieren«, intellektualisieren und öffnen wollen. Auf die Frage, ob er nicht auf den extrem rechten Hintergrund der Zeitung aufmerksam geworden sei, antwortet er: »Ja, ich hätte es wissen können. Aber im Frühjahr 1998 war in der Redaktion davon nichts zu spüren. [...] Die Meinungsvielfalt in der Redaktion war damals groß. Es war politisch nicht so festgelegt, wie es heute erscheint.«
Zahlreiche einschlägige Publikationen weisen allerdings materialreich nach, dass die extrem rechte Grundausrichtung des Blattes nicht erst nach der Jahrtausendwende relevant wird.1 Auch die Behauptung, er habe ein Interview mit Horst Mahler nicht geführt und diesen noch 1998 für einen zwar abtrünnigen, aber immer noch radikalen Linken und ehemaligen RAF-Anwalt gehalten, scheint unglaubwürdig.2 Zum einen wird Krause neben Dieter Stein und Thorsten Thaler als Gesprächsteilnehmer genannt. Außerdem bezog er sich schon früher auf Mahler3 und dieser auf Krause.4 Auch das Interview mit Mahler-Freund Prof. Günther Rohrmoser5 gehört in diese ideologiekritische Debatte, welche ein noch recht moderat, aber schon eindeutig extrem rechter Horst Mahler mit einem JF-Beitrag angestoßen hatte.
Demokratisches Gütesiegel von Helmut Markwort
Krause positioniert sich eben so wenig eindeutig in der JF, wie es das Blatt tut. Zu der Strategie der JF gehört es, über Themensetzung und erprobte Argumentationsmodule bestimmte rechtskonservative Inhalte salonfähig zu machen und in die gesellschaftliche Debatte zu tragen. Und ein bis zur Selbst-Inszenierung gereifter Tabubruch als Programm deutet auf die seit langem im rechtsextremen Lager geführte Anti-PC [Political Correctness]-Kampagne hin. In dieser werden mit dem Argument »Man wird ja wohl noch sagen dürfen...« nationalistisch-völkische, rassistische und antisemitische Unsäglichkeiten aus der Mottenkiste gezerrt. Eine weitere Facette der neurechten Haltung als Opfer von »deutschen Denkverboten« und PC-Tabus – schönen Gruß von JF-Interview-Partner Martin Hohmann (CDU).
Krause weiß das, weshalb die JF natürlich nicht in seiner Vita auf der Landtags- und seiner privaten Homepage auftaucht.6 Einerseits gesteht er ein, naiv gewesen zu sein, andererseits verteidigt er die JF und seine Tätigkeit für sie unter anderem mit »Focus«-Chef Helmut Markwort, welcher der JF das Siegel »demokratisch« verliehen habe. Seine Beiträge erscheinen als schwer lesbar verblasen-philosophisches Geraune mit ziemlich deutlich neurechtem Gehalt.7 Gerade die philologisch-philosophischen Traktate sind wohl häufig Zweitverwertungen aus durchaus seriöseren Fachzeitschriften. Man wird aber demnächst nicht umhin kommen, Krauses Texte noch einmal genau und unter diskursanalytischen Gesichtspunkten zu betrachten, denn er gilt in Weimar als Hoffnungsträger der CDU und Prätendent für den Sessel des Oberbürgermeisters, was in der Stadt Buchenwalds durchaus pikant werden könnte.
- 1So etwa Martin Dietzsch, Siegfried Jäger, Helmut Kellersohn, Alfred Schobert: Nation statt Demokratie. Sein und Design der Jungen Freiheit, Münster 2004.
- 2JF 29/98.
- 3JF 25/98.
- 4JF 26/98.
- 5Rohrmose im JF-Interview 18/98: »Die Bedeutung der Erklärung von Horst Mahler, mit dem ich seit langer Zeit in Freundschaft verbunden bin, ...«.
- 6siehe www.pdkrause.de
- 7siehe Artikel über Hannah Arendt (OPB 2.12.2000), Panajotis Kondylis (JF 38/2000, OPB 15.7.2000), Heidegger (OPB 23.12.2000) und Abrechnungen mit Kommunismus, DDR und Stasi (z.B. »Verlogene Existenz« über Gregor Gysi in JF 32-33/98).