Der Bund der Antifaschisten
Hans Coppi (Gastbeitrag)Der Bund der Antifaschisten (BdA) hatte sich im Mai 1990, in der Endphase der DDR, gegründet. Seit zehn Jahren arbeiten in allen ostdeutschen Bundesländern Basisgruppen, in Sachsen, Mecklenburg- Vorpommern, Thüringen und Sachsen- Anhalt Landesverbände und in Berlin der Landeskoordinierungsrat. Der Dachverband in Berlin versucht die Tätigkeit zu koordinieren, organisiert aber auch im Bündnis mit anderen eigene antifaschistische Veranstaltungen, so z.B. jährlich den Tag der Erinnerung, Mahnung und Begegnung am zweiten Sonntag im September.
Die Gründung des BdA war auch eine Reaktion auf einen sich ausbreitenden deutschtümelnden Nationalismus und auf eine anwachsende Naziszene in der Wendezeit. Die Mitglieder des BdA wollten gemeinsam mit anderen antifaschistischen und antirassistischen Organisationen einen politischen und kulturellen Gegenpol zu Rassismus und Neonazismus in deutschen Landen setzen. Mitglieder des BdA initiierten und beteiligten sich an zahlreichen Aktionen gegen einen Mainstream, der von wachsender Akzeptanz gegenüber völkischem und neonazistischem Gedankengut geprägt war und ist. Die Gründung stellte auch einen Neuanfang dar, der zugleich einen Bruch einer mit dem Antifaschismus in der DDR verbundenen Instrumentalisierung, Verengung, Anmaßung, Ausgrenzung, Erstarrung und Sinnentleerung bedeutete. Der BdA knüpfte an einen antifaschistischen Konsens an, der die Regimegegnerschaft gegen den NS-Staat wie auch die ersten Jahre nach der Befreiung prägte. Den ehrlichen Einsatz vieler DDR-Bürger für antifaschistische Ideale will der Bund der Antifaschisten weiterführen und versteht sich als Teil eines vielfältigen antifaschistischen und antirassistischen Spektrums in der Bundesrepublik. Der Antifaschismus schien lange Zeit ein von vielen DDR-Bürgern akzeptiertes Leitbild. Viele lernten in Schulen, arbeiteten in Brigaden, dienten in Kasernen, wohnten in Straßen, die den Namen von Antifaschistinnen trugen. Als die Reichskriegsflagge in Leipzig gehißt, in Hoyerswerda, Rostock und anderswo Ausländer gejagt wurden und viele Bürger zusahen, ihre Augen, Herzen, Fenster und Türen für die Opfer zumachten und sogar Verständnis für die Täter zeigten, da war von den Hunderttausenden, die früher zu antifaschistischen Kundgebungen gekommen waren, nicht mehr viel zu sehen. Mit der Abwicklung DDR wurde auch versucht, den Antifaschismus zu delegitimieren. Der Dachverband und die Basisgruppen des BdA setzten sich mit anderen für die Beibehaltung der Namen von Antifaschistinnen im öffentlichen Raum ein, traten für den Erhalt der antifaschistischen Gedenksteine und Gedenkorte ein und wandten sich gegen deren Umwidmung in »antitotalitäre« Gedenkorte, an denen ein neuer Erinnerungskonsens an die »Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft im 20. Jahrhundert« gepflegt werden sollte. Dem BdA ging und geht es um den Erhalt und die Neugestaltung von Gedenkstätten, die an Verfolgung und Widerstand erinnern und fordert die moralische und politische Anerkennung aller Opfer des Nationalsozialismus und ihre finanzielle Entschädigung. An der Arbeit des BdA beteiligen sich auch junge Leute, selbst wenn es noch zu wenige sind. Der BdA organisiert bzw. unterstützt Workcamps mit Jugendlichen in den Gedenkstätten in Buchenwald und Sachsenhausen, in Gardelegen, Malchow und anderen Orten. Auf den gut besuchten Jugendtreffen am Sonnabend vor der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration im Januar wurde rege diskutiert. Der BdA hat sich an vielen Demos nach Angriffen auf Andersdenkende und Andersaussehende, auf jüdische Friedhöfe und auf antifaschistische Gedenkstätten beteiligt. Bisher konnten wir jedoch weder neue Übergriffe verhindern, noch gelang es, eine wirksame Gegenöffentlichkeit zu mobilisieren. Eine bedrohlich anwachsende rechtsextreme Szene, deren Parolen und Inhalte unter der Bevölkerung und vor allem unter Jugendlichen eine zunehmende Akzeptanz finden und eine um sich greifende rassistische Stimmungslage, die auch von Politikern etablierter Parteien bedient wird, machen die aktuelle Dimension antifaschistischer Arbeit sichtbar. Der Rechtsextremismus ist im Osten Deutschlands zur dominanten Jugendkultur geworden. Das Deutschsein als Lebensgefühl erlebt einen nicht gekannten Aufschwung. Der gemeinsame Haß auf Ausländerinnen und Ausländer, auf alles »Undeutsche« ist Konsens. Der Rechtsextremismus sickert meist unwidersprochen in das Alltagsleben ein. Eine Schwelle, eine Abwehr, eine Immunisierung scheint es nicht zu geben. Es formiert sich eine rechte Protestfront, eine Hassfront gegen »Fremde« und Minderheiten, gegen die Bundesrepublik und ihre demokratische Verfaßtheit. Wir erleben ein wahrlich starkes Stück Deutschland. Eigentlich müssten überall die Alarmglocken schrillen und demokratische Gegenstrategien entwickelt werden. Die Erinnerung an Millionen Opfer nazistischer Verbrechen ist Mahnung und Auftrag, heute gegen Rechtsextremismus, Nationalismus und Rassismus einzutreten und für ein friedliches Miteinander von Menschen unterschiedlicher Hautfarben, Sprachen, Kulturen, Religionen, Lebensentwürfen und Überzeugungen zu streiten. Der Dachverband des BdA will sich im Frühjahr diesen Jahres mit dem Interessenverband ehemaliger Teilnehmer am Widerstand und Verfolgter des Naziregimes (IVVdN) vereinigen. Der Interessenverband hat im Osten Deutschlands Landesverbände und Basisgruppen. Die Erinnerung an den Widerstand gegen den Faschismus und an die Opfer des Faschismus wollen wir wirkungsvoller mit dem Kampf gegen Rassismus und Neonazismus im breiten Bündnis mit allen antifaschistischen Gruppierungen verbinden. Der Einsatz für antifaschistische Ziele in der Bundesrepublik und in Europa bleibt eine aktuelle Aufgabe. Die politische Dimension eines neuen Antifaschismus geht über ein bloßes »Anti« hinaus. Zur Verteidigung universalistischer Menschenrechte und demokratischer Bürgerrechte bedarf es eines neuen sozialen und demokratischen Konsenses, der Solidarität mit den Unterdrückten und denen, die Unrecht erleiden, einschließt.
Ein Beitrag von Hans Coppi, stellvertretender Vorsitzender des Bundes der Antifaschisten.