Parlamentarisches Schaulaufen
Betont locker bewegen sie sich durch die Gänge des sächsischen Landtags. Die Abgeordneten der NPD-Fraktion sind die ersten seit vielen Jahrzehnten, die den Sprung schafften und mit einer offen neonazistischen Partei in ein Landesparlament einzogen.
Die Erfolge anderer rechter Parteien in den letzten Jahren waren gekennzeichnet von unfähigem Personal, Machtspielen und internen Zerwürfnissen. Doch die NPD ist anders. Anders als die DVU in Sachsen-Anhalt, die 1998 mit 12,9% ihren größten Wahlerfolg einfahren konnte, nur um sich kurze Zeit später zu zerstreiten und zu spalten. Anders als die DVU in Brandenburg, die zwar bereits die zweite Legislaturperiode im Landtag sitzt, aber eher dadurch auffällt, dass sie kaum auffällt.
Den Abgeordneten sieht man das Selbstbewusstsein an, dass sie in den ersten Monaten ihrer parlamentarischen Arbeit erworben haben. Ihre z.T. langjährigen Politkarrieren in der extremen Rechten, ihr Hochdienen durch Vorfeld- oder Jugendorganisationen der NPD, hat dafür gesorgt, dass sie nicht mehr so leicht das Futter für jedes Satiremagazin der Republik geben wie ihre Kollegen von der DVU. Und mehr noch. Sie haben gelernt, die Grenzen ihrer Mandate möglichst weit auszureizen. Sie haben gelernt wie leicht es ist, durch gezielte Provokation all jene vorzuführen, die glaubten, die NPD entzaubern zu können. So wie bei einer Gedenkminute für die Opfer des Holocaust.
Als sie sich dem verweigerten und demonstrativ den Saal verließen, wurde das von den Abgeordneten der anderen Parteien empört, aber irgendwie auch erleichtert zur Kenntnis genommen. Erleichtert, denn seit ihrem Einzug in den sächsischen Landtag herrschte Rat- und Hilflosigkeit in Bezug auf den Umgang mit der NPD. Der Eklat, so die Hoffnung, zeige das wahre Gesicht der Partei, entzaubere sie und vereinfache so den weiteren Umgang. Doch weit gefehlt. Mit ihren revisionistischen Statements, ihren wohlkalkulierten Provokationen immer scharf entlang der Grenze zur Strafbarkeit, und ihren realpolitischen und nicht einfach zu ignorierenden Anträgen treibt sie die Parteien weiter vor sich her. Dieser Erfolg ist weniger einer cleveren Taktik der NPD-Führung geschuldet, als einem anschlussfähigen Diskurs der »politischen Mitte« und der Unfähigkeit bzw. Unwilligkeit der etablierten Akteure, die NPD zu bekämpfen. Hinzu kommt eine fehlerhafte Einschätzung dessen, was die NPD ist und was ihren Erfolg ausmacht.
Nach wie vor wird ihr Erfolg mit einer reinen Protestwahl erklärt. Davon ausgehend wurde ihrer Fraktion ein baldiges Ende prophezeit. Aus dieser falschen Perspektive resultiert, dass alleine die aktuellen oder drohenden Wahlerfolge rechter Parteien als Problem gesehen werden, nicht aber die dahinterstehenden Einstellungen und Gesinnungen der WählerInnen. Zumindest was die Prophezeiung eines baldigen Niedergangs der NPD-Fraktion betrifft, stellt sich langsam die Erkenntnis ein, dass das so wohl nicht ganz stimmen kann. Die NPDler wissen wie der Parlamentarismus funktioniert, bestehende Wissenslücken wurden schnell gefüllt. Sie agieren durch konsequente Ausnutzung ihrer Möglichkeiten. Nicht mehr und nicht weniger. Auch wenn ihre Programmatik in Teilen der extremen Rechten sehr umstritten ist und ihnen mal mangelnde Konsequenz, mal starrer Hitlerismus, mal zu große Radikalität vorgeworfen wird, ihr Programm war erkennbar und ihr Agieren im Landtag wurde bereits bei der Wahl zum Ministerpräsidenten klar umrissen. Uwe Leichsenring, 37jähriger Fahrschullehrer aus Königstein, bewarb sich für die NPD um das Amt des Ministerpräsidenten. In seiner dazugehörigen Grundsatzerklärung definierte er die inhaltlichen Schwerpunkte der NPD-Parlamentsarbeit.
Er erklärte, die NPD-Fraktion werde, statt sich Sachzwängen zu beugen, »eigene Wege und Visionen des Politischen (...) entwickeln und umsetzen.« Mit diesen Visionen hielt er nicht hinterm Berg. Eine »raumorientierte Volkswirtschaft« gelte es gegen die »globalen Entwicklungswünsche des Kapitals« in Stellung zu bringen. Dazu gehöre das Lossagen von Brüssel und selbstverständlich auch eine »aktive Bevölkerungspolitik«. Diese richte sich natürlich gegen eine weitere »Überfremdung«. Schulen sollen, so Leichsenring, wieder zu »Pflanzstätten von Bildung, Kultur und Identität« werden, Existenzgründungen sollten im Sinne einer »aufsuchenden Wirtschaftsförderung nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten« unterstützt werden und die »nationale Identität der Deutschen« müsse wiederhergestellt werden. Neben diesen Eckpunkten war ihm eines besonders wichtig – der »Hexenwahn, in den sich der ´Kampf gegen Rechts´ hineingesteigert« habe.
Und um in diesem Zusammenhang ein antisemitisches Motiv zu zitieren, erklärte er: »Die Medien, die zu diesem Beruf das finstere Handwerk der Brunnenvergiftung betreiben, haben längst alle Unterscheidungen fahren gelassen.« Spätestens hier hätte allen klar werden müssen, mit wem sie den Plenarsaal teilen. Der Aufschrei blieb aus. Erst als die NPD den Eklat um die Gedenkminute und die Bombardierung Dresdens provozierte, wurde reagiert. Auf den Eklat folgte die Empörung und diese lieferte neuen Zündstoff. Damit war für die extreme Rechte eines erreicht. Von dem kurzen medialen Aufschrei und einer noch kürzeren peinlichen Debatte um ein neuerliches NPD-Verbotsverfahren abgesehen, war es möglich geworden, nationalistische, rassistische und antisemitische Politik auf höchster staatlicher Ebene zu betreiben.
Insbesondere der Diskurs um Dresden liefert den idealen Hintergrund. Seit es öffentlich diskursfähig geworden ist, Deutsche als Opfer zu stilisieren, kann die NPD jubilieren. Der Schwung wird mitgenommen und gleich nachgelegt. Hitler sei ein großer Staatsmann, Dresden war ein »Bombenholocaust« und die Waffen-SS die beste Armee der Welt. Offensichtlich trifft die populistisch vorgetragene Mischung aus SA-Sozialismus und Geschichtsrevisionismus den Nerv vieler WählerInnen. Neben den eher klassisch rechten Themen und den Provokationen wie dem »eliminatorischen Antigermanismus« oder dem »industriellen Massenmord« in Dresden, kümmert man sich auch um die Realpolitik. Bereits im Wahlkampf wurde mit regionalen Themen Werbung gemacht. Jetzt folgt das parlamentarische Schaulaufen. Mit Anträgen, z.B. zur Lage des Oberlausitzer Textilunternehmens NEU ERBA LAUTEX oder zum Naturschutzgroßprojekt Lausitzer Seenland, werden die anderen Partei gepiesackt. Diese werden gezwungen, sich zu den oft inhaltsgleichen Anträgen zu enthalten oder dagegen zu stimmen.
Nicht nur das. Als die NPD im Landtag unangenehm detaillierte Fragen zu Unregelmäßigkeiten bei der Sächsischen Landesbank stellte, waren alle anderen perplex. Deren Umgang mit der NPD im Parlament offenbart, wie wenig sie bisher davon verstanden haben. Während die PDS froh darüber ist, zumindest bei diesem Thema endlich am Katzentisch der anderen Platz nehmen zu dürfen und damit ansatzweise akzeptiert zu sein, hat die CDU ihre eigenen Probleme. Bereits bei der Wahl zum Ministerpräsidenten erhielt die NPD mehr Stimmen, als sie Mandate hat. Dass diese Mehrstimmen aus den Reihen der CDU kamen, gilt als sehr wahrscheinlich. Das Gleiche passierte bei der Wahl des Ausländerbeauftragten. Ob hier Revanchegedanken gegen den CDU-Ministerpräsidenten Milbradt oder doch größere inhaltliche Überschneidungen das Motiv sind, sei dahingestellt. Angesichts der Situation in den eigenen Reihen beschränkt man sich bei der CDU auf Verfahrenstricks und allgemeine Erklärungen.
Der NPD-Riege im Landtag macht das hingegen wenig aus. Verfahrenstricks lassen sie relativ kalt, viel zu sehr ist man beschäftigt, die neuen Möglichkeiten zu erkunden. Und davon gibt es einige. Neben der Wahlkampfkostenrückerstattung gibt es noch mehr staatliche Töpfe, die angezapft werden können. Im Haushalt des Freistaates sind 770.000 Euro im Jahr für politische Stiftungen eingeplant. 100.000 Euro will die NPD davon jährlich für eine parteinahe Stiftung beantragen. Diese soll nach dem NPD-Ehrenvorsitzenden und ehemaligen Waffen-SS-Freiwilligen, »Walter-Bachmann-Stiftung« heißen. Selbst für den Fall, dass die NPD bei der nächsten Landtagswahl nicht wieder über die 5%-Hürde käme, die Stiftung müsste auch noch eine weitere Legislatur, bis 2009, aus Landesmitteln finanziert werden.