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Im alten »Käse« rumrühren

Einleitung

Die jährlichen Treffen ehemaliger Waffen- SS'ler in Bad Windsheim

Seit dem Jahr 1975 versammelt sich die »Kameradschaft der ehemaligen Tscherkassy-Einheiten« mit bis zu 600 Teilnehmern u.a. aus Deutschland, Belgien, Frankreich, Finnland und Estland zum sog. Tscherkassy-Gedenktreffen in der mittelfränkischen Kleinstadt Bad Windsheim.

Bild: Bundesarchiv, Bild 101III-Altstadt-065-05 / Altstadt /CC BY-SA 3.0

Ein SS-Sturmbannführer bei der Verleihung des Eisernen Kreuzes an Soldaten der Division „Wiking“.

Zentrale Momente der jährlichen Treffen sind eine Kundgebung samt Kranzniederlegung sowie eine Abendveranstaltung mit diversen Rednern und »gemütlichem Beisammensein«. Dieser eingespielte Ablauf wurde dieses Jahr partiell gestört. Während der erste Teil mit vergleichsweise kleiner Teilnehmerzahl von etwa Einhundert am 19. Februar 2005 durchgeführt wurde, fand sich für den zweiten Teil keine Gaststätte mit entsprechenden Räumlichkeiten, welche die gedenkende Gesellschaft bewirten wollte.

Diese Tatsache dürfte ursächlich für die geringe Teilnehmerzahl sein, da die auswärtigen und ausländischen »Besucher« größtenteils auf die Anreise verzichteten. Die Truppenkameradschaft (TK) der »5. SS-Panzerdivision Wiking« führte eine eigene Kranzniederlegung Anfang April durch.

Der ausschlaggebende feine Unterschied für die Absage der seit Jahren als Veranstaltungsraum dienenden Gaststätte aber war, dass sich das Treffen ehemaliger Waffen-SS’ler und Landser zu einer Versammlung »gemausert« hat, die von »Kameraden« der Nachkriegsgeneration dominiert wird. Schließlich wolle die Stadt nicht »als Bühne für junge Rechte« dienen, wie es der derzeitige Bürgermeister Wolfgang Eckardt formulierte.

Flashback

»Februar 1944 – Russlandfeldzug: 50.000 deutsche Soldaten und europäische Freiwillige sind im Kessel von Tscherkassy von einer überwältigenden Übermacht der Roten Armee eingekesselt. (...) Durchbruch oder Tod – eine andere Lösung gibt es nicht.« Was der neonazistische Liedermacher Michael Müller aus Amberg mit sehr pathetischem Text besingt, ist Anlass für die jährliche Veranstaltung.

Es handelt sich um den Jahrestag des Ausbruch diverser Wehrmachts- und Waffen-SS-Verbände, darunter die »5. SS-Panzerdivision Wiking« und die »28. SS-Freiwilligen Sturmbrigade Wallonie« unter Léon Degrelle, aus einem Kessel westlich der ukrainischen Stadt Tscherkassy am 17. Februar 1944. Dieser Ausbruch, bei dem von den 50.000 Soldaten 30.000 starben, wird von Protagonisten des Gedenktreffens als Beweis für »die Überlegenheit des Wollens der europäischen Soldaten gegenüber den anstürmenden Sowjets« interpretiert und gefeiert.

»Staffelübergabe hat stattgefunden«

Neben dem Gedenken an die »gefallenen Kämpfer« war es stets betontes Ziel, das ideologische Gedankengebäude der Waffen-SS an die folgenden Generationen weiterzugeben: »Kameradschaftliche Treue« in einer »klassenlosen Garde«, militanter Anti-Kommunismus und völkischer »Pangermanismus«, der die Waffen-SS und im Speziellen die sog. »pangermanische« Parade-Einheit »Wiking«, als Ursprung des Europa-Gedankens projiziert.

Und dieses Ziel der »Weitervermittlung« scheinen die Akteure erreicht zu haben, wie die Erfolgsmeldung – die »Staffelübergabe« habe stattgefunden – eines Redners im Rahmen der Gedenkfeier im Februar 2003 widerspiegelt. Als zentrale Figur ist der 1950 geborene Nürnberger Arthur Meyer zu benennen. Er ist Vorsitzender der »Kameradschaft der ehemaligen Tscherkassy-Einheiten« und organisierte seit 1995 maßgeblich die jährlichen Treffen.

Meyer trat u.a. als Autor in den Zeitschriften »Der Freiwillige«, dem Organ der »Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS« (HIAG) bzw. in der »Nordischen Zeitung«, die von der »Artgemeinschaft« herausgegeben wird, auf. Mit Patrick Agte, Editor der Zeitschrift »Der Freiwillige«, dem Schweizer Stefan Kernern, Mitarbeiter der HIAG-Unterorganisation »Militärhistorische Arbeitsgemeinschaft« und der »jungen wallonischen Kameradin« (Der Freiwillige) Vincianne Creuven-Lambert, die für die konservative belgische Partei »Chrétiens Démocrates Francophones« bei den Regionalratswahlen 2004 kandidierte, traten bei den Veranstaltungen weitere Redner der »Nachkriegs-Generation« auf.

Unter den Teilnehmern sammelten sich zudem Aktivisten »Freier Kameradschaften«, z.B. aus Sachsen-Anhalt und Bayern, Mitglieder der NPD, bspw. aus Nordrhein-Westfalen, und Personen aus dem Spektrum der »Artgemeinschaft«. Diese hier skizzierte Entwicklung wirkte sich nicht nur als Verjüngungskur für die Treffen aus, auch die Teilnehmerzahlen stiegen wieder an, nachdem sie zunächst aus biologischen Gründen zurückgingen. Im Jahr 2004 nahmen so wieder etwa 300 Personen teil.

Urlaub »im fränkischen Westgau«

Auf maßgebliche Initiative von Dr. Andreas Schwarz aus Bayreuth, dem Vorsitzenden der TK der »88./ 323. Infanterie-Divisionen«, wurde mit Vertretern der relevanten Waffen-SS-Traditionsverbände im Dezember 1974 die »Kameradschaft der ehemaligen Tscherkassy-Einheiten« gegründet. In Bad Windsheim hatte das Treffen erstmals im Jahr 1975 stattgefunden. Im Februar 1977 folgte die Einweihung eines Tscherkassy-Gedenksteins in der zentral gelegenen Parkanlage am Friedhof in Bad Windsheim.

Vorgenommen wurde die Zeremonie u.a. von General a.D. Otto Wöhler, der im Oktober 1948 im sog. OKW-Prozess u.a. wegen Zusammenarbeit mit der »Einsatzgruppe D« zu acht Jahren Haft verurteilt wurde. Als Vertreter der Stadt gab der dritte Bürgermeister Peter Strauß die Zusage, dass »das Ehrenmal in die pflegliche Obhut« genommen werde. Das jährliche Tscherkassy-Treffen, aber auch Gedenkveranstaltungen anderer TKs, wie bspw. der »6. SS-Gebirgsdivision Nord«, stießen in Bad Windsheim auf wohlwollende Resonanz.

Bürgermeister standen als Redner zur Verfügung und die Stadtratsfraktionen waren zumindest durch Abordnungen vertreten. Exemplarisch für den Umgang mit den Treffen soll hier die Stellungnahme des SPD-Bürgermeisters Otmar Schaller aus dem Jahr 1982 angeführt werden, der die Teilnehmer einer Waffen-SS-Gedenkveranstaltung lobte, da sie sich »seit Jahren ordentlich und sauber benommen« hätten. Er forderte, dass man nicht »den Käse von gestern aufrühren« und »kein Theater daraus« machen solle.

In »Der Freiwillige« inserierte eine örtliche Brauerei, die für die Stadt »im fränkischen Westgau« als Urlaubsziel warb. Erst ab den 90er Jahren begann vor Ort bezüglich der Waffen-SS-Treffen ein Umdenken. Als ursächlich hierfür ist aber nicht eine Sensibilisierung hinsichtlich der nationalsozialistischen Vergangenheit zu erkennen, sondern vielmehr die Angst vor Negativ-Schlagzeilen über die Kurstadt. Dabei spekulierte die Stadt fälschlicherweise auf die biologische Lösung der Veranstaltung.

Inwieweit es sich bei dem »Wirbel« um das diesjährige Waffen-SS-Treffen, wie es eine Regionalzeitung formulierte, um mehr als ein provinzielles Strohfeuer handelt, wird sich zeigen. Definitiv aber wird im Zentrum Bad Windsheims - so kündigt es der CSU-Ortsvorsitzende Dieter Hummel, selbst ehemals Autor in der Jungen Freiheit, an - ein Mahnmal für die »Gefallenen und Vermissten« der Stadt während des Zweiten Weltkrieges erstellt werden. Angesichts der Behauptung des bereits erwähnten Peter Strauß, wonach es in Bad Windsheim über 200 Familien gebe, deren Angehörige Mitglieder der Waffen-SS waren, dürften dann – zumindest zum Gedenken an die einheimischen Waffen-SS'ler – zwei Lokalitäten zur Verfügung stehen.