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»Auf gute Zusammenarbeit«

Einleitung

Mit dem »Aktionsbüro Westdeutschland« (AB-West) existiert erstmalig eine neonazistische Struktur, die über einen längeren Zeitraum hinweg die Aktivitäten diverser nordrhein-westfälischer »Freier Kameradschaften« koordiniert. Wenngleich nur wenige Gruppen im AB-West organisiert sind, so zeichnet dieses doch zurzeit für den Großteil der Aufmärsche und Aktionen in NRW verantwortlich.

»AB-West«-Demonstration am 16. April 2005 in Essen.

In Anlehnung an das »Aktionsbüro Norddeutschland« hat es auch in anderen Bundesländern immer wieder Versuche »Freier Kameradschaften« gegeben, ihre Aktivitäten zu koordinieren. In NRW blieben derartige Versuche lange Zeit ohne Erfolg, bekannteste Beispiele für gescheiterte Projekte sind das »Nationale Bündnis Westdeutschland im bundesweiten Bündnis Freier Nationalisten und Aktionsgruppen« und der »Widerstand West«.

Erklärtes Ziel des 2004 gegründeten »Aktionsbüros Westdeutschland« ist es, »den Freien Widerstand in Rheinland-Westfalen zu festigen und die regionalen Strukturen zu verbessern«, so der Pulheimer Axel Reitz und der Dortmunder Pascal Zinn in einem Gründungspapier. Erstmals im Juni 2004 öffentlich in Erscheinung getreten und von »Führungsaktivisten aus Dortmund, Köln, Hamm und Wuppertal« gegründet, soll dieses zu einem »festen Knotenpunkt des Freien Widerstandes im Westen« werden. Neben der Vernetzung der einzelnen „Kameradschaften« soll das AB-West »mithelfen das wichtigste Mittel unseres politischen Ausdrucks, die Demonstrationen und Kundgebungen, gründlich vor- und nachzubereiten, um so blindem Aktionismus entgegen zu wirken und diesen in vernünftige Bahnen zu lenken«. Man wolle die Gruppen zu einer »aktiven Kampfgemeinschaft formen, in welcher nicht gegen, sondern miteinander gearbeitet wird«. Dem »Aktionsbüro« solle vor allem die Aufgabe zukommen, »zu koordinieren, zu vernetzen, in Marsch zu setzen und zu informieren.«

Von Beginn an beteiligte sich jedoch nur ein kleiner Teil der nordrhein-westfälischen »Freien«. Als Gruppen wurden zunächst die »Kameradschaft Dortmund«, die »Kameradschaft Hamm«, die »Kameradschaft Köln« und der weitgehend mit ihr personenidentische Kölner »Stützpunkt« des »Kampfbundes Deutscher Sozialisten« (KDS), der in der Wuppertaler Region beheimatete »Freundeskreis Nationaler Politik« (FNP), der »Leverkusener Aufbruch« sowie die »autonomen nationalisten westliches ruhrgebiet« (a.n.w.r.) als AB-West-Mitgliedsgruppen geführt.

An die Stelle des FNP traten später die »Autonomen Nationalisten Wuppertal | Mettmann« (anwme) um Jens B. Der »Leverkusener Aufbruch« um Matthias N. schied aus unbekannten Gründen aus dem »AB-West« aus, der KDS wird seit einiger Zeit nicht mehr explizit aufgeführt. Neu hinzugekommen sind die »Kameradschaft Josef Terboven« aus Essen um Julian Engels, die aus dem zwischenzeitlich aufgelösten Essener KDS-Stützpunkt hervorging, sowie Dustin »Zappel« G.'s Projekt »Infoportal Hamm«. Zwischenzeitlich wurde auch das »Kameradschaftliche Bündnis Hamm« (KBH) als Mitglied geführt.

Die Hauptaktivisten des KBH und des »Infoportals Hamm« sind allerdings auch in der »Kameradschaft Hamm« um Sascha Krolzig zu finden, die als die aktivste neonazistische Gruppe in der Hammer Region zu bezeichnen ist. Ergänzt wird die Liste der AB-West-Gruppen seit kurzem durch die neugegründete Gruppe »Autonome Nationalisten Neuss«. Aus der Auflistung der AB-West-Gruppen gestrichen wurden kürzlich die a.n.w.r., wobei davon auszugehen ist, dass deren Protagonisten um den Duisburger Steffen Pohl weiterhin eng mit den AB-West-Strukturen kooperieren und in die Entscheidungsfindungen eingebunden sind. Ebenso verhält es sich bei der zeitweise unter dem Namen »autonome nationalisten östliches ruhrgebiet« (a.n.ö.r.) agierenden Gruppe um die Dortmunder Dennis Giemsch, Dietrich S. und Alexander Deptolla. Aktueller Stand ist, dass laut Homepage des AB-West sieben Gruppierungen als Mitglieder geführt werden: Die »Kameradschaften« Köln, Dortmund, Hamm und »Josef Terboven«, die anwme, das »Infoportal Hamm« und die »Autonomen Nationalisten Neuss« (Stand: 1. Juni 2006).

Aktivitäten und Auftreten

Bislang machte das AB-West vor allem durch zahlreiche Aufmärsche von sich reden, wobei die Teilnehmerzahl zwischen 50 und 300 Personen schwankt. Wenngleich man sich als NRW-weite Struktur begreift, zeigte sich an den bisherigen Aktionen eine regionale Beschränktheit. So führte das »AB-West« vor allem Aufmärsche in den Städten seiner Mitgliedsgruppen durch, in Duisburg, Hamm, Dortmund, Essen, Leverkusen, Köln und Wuppertal. In jüngster Zeit versucht man jedoch auch, mit Aktionen wie Aufmärschen am 18. Februar 2006 in Münster und am 26. März 2006 in Gütersloh, auch im Münsterland und in Ostwestfalen-Lippe Präsenz zu zeigen und lokale neonazistische Strukturen wie z.B. die »Kameradschaft Gütersloh« zu unterstützen.

Kennzeichnend für einen Großteil der AB-West-Gruppen ist eine Abkehr von dem in weiten Teilen der nordrhein-westfälischen Neonazi-Szene nach wie vor dominanten Skinhead-Style. Es gehe darum, »alle relevanten Teile der Jugend und der Gesellschaft zu unterwandern und für unsere Zwecke zu instrumentalisieren. Es spielt keine Rolle welche Musik man hört, wie lang man seine Haare trägt oder welche Klamotten man anzieht«, so die anwme. Ideologisch bleibt selbstverständlich alles beim Alten. Bei den a.n.w.r. liest sich das wie folgt: »Fundamentaler Antrieb für unser Handeln ist die gottgegebene Verbundenheit zu unserer Art. Rasse und damit untrennbar verbunden Kultur stellen die tragenden Pfeiler eines Volkes dar. Diese Pfeiler unserer rassisch-kulturellen Geschichte und archetypisch nordischen Lebensweise drohen seit der Christianisierung Europas einzustürzen. Eine Regeneration Europas Mitte des letztens Jahrhunderts, als sich Mitternacht gegen Sinai erhob, scheiterte am 8. Mai 1945. Seither ist gerade in den westlichen Industrienationen eine gravierende Degeneration an Mensch und Kultur zu verzeichnen.«

Die »Autonomen« aus dem AB-West findet man seit einiger Zeit bei ihren Aktionen zumeist schwarz gekleidet in den vorderen Reihen, wo sie noch recht unbeholfen die Konfrontation mit den polizeilichen Einsatzkräften suchen. Einige ihrer »Lautsprecher« wie Giemsch, Deptolla und Pohl betätigen sich zudem als »Anti-Antifa«-Fotografen und versuchen, linke GegendemonstrantInnen abzulichten. Auch an diversen militanten Angriffen der jüngsten Zeit waren »Autonome Nationalisten« beteiligt.

Alle zwei bis drei Monate hält das »Aktionsbüro« interne Treffen ab, bei denen vergangene und zukünftige Aktionen besprochen und Absprachen getroffen werden. Zudem betreiben Aktivisten des »AB-West« eines der zentralen Internetprojekte der bundesweiten neonazistischen Szene. Wie die Hacker der Internetseite »freier-widerstand« erklärten, taten sich als Administratoren drei besonders hervor: »Steffen Pohl aka [xxx] aus Duisburg, Dennis Giemsch aka Freiheit aus Dortmund sowie Manuel Bayrl aka riot aus Ettlingen«. Letzterer fehlt ebenfalls bei nahezu keiner Aktion des »AB-West«, zumeist in Ordner-Funktion, hin und wieder auch als Redner. Es darf als sicher gelten, dass er zwischenzeitlich seinen Wohnsitz von Baden-Württemberg nach Dortmund verlegt hat.

Begrenzt handlungsfähig

In stärkerem Maße als früher beteiligen sich »Kameraden« aus NRW an bundesweiten Aktionen, so bedankte sich der »Freundeskreis Halbe« »für ihre Anwesenheit [...] Aber auch für ihre finanzielle und persönliche Unterstützung im Rechtskampf für und um Halbe.« Man organisiert gemeinsame Busfahrten wie beispielweise am 8. Mai 2005 nach Berlin und zum Heß-Gedenken nach Wunsiedel. Gute Beziehungen außerhalb von NRW pflegen die »Autonomen Nationalisten« des AB-West zu ihren Berliner »Kameraden« um Sebastian Schmidtke sowie zu den ebenfalls auf dem »Autonomen«-Trip befindlichen »Autonomen Nationalisten München« um Hayo Klettenhofer und den aus Essen zugezogenen Phillip Hasselbach. Auch zur »KS Moselland« um den Trierer Peter ‘Knolle’ H. hat man gute Verbindungen.

Ihr Ziel, »die Kräfte des freien Widerstands auch in Rheinland-Westfalen bündeln und zu einer aktiven Kampfgemeinschaft formen, in welcher nicht gegen, sondern miteinander gearbeitet wird«, haben die Verantwortlichen bisher aber nicht erreichen können. Zwar lässt sich eine steigende Tendenz von Aufmärschen beobachten, die zur Verfestigung der Szene und einer Steigerung der Attraktivität für neue »Kameraden« dienen können, doch kann das AB-West nicht für die Gesamtheit der Szene sprechen. Zwar stellt man die meisten Aktionen in NRW auf die Beine, doch ist der Einfluss bisher begrenzt auf den Großraum Ruhrgebiet. Der Grund hierfür dürfte vor allem in der Tatsache liegen, das hier mit Ausnahme der »KS Dortmund« um Siegfried Borchardt ausschließlich Gruppen vertreten sind, die sich mehr oder weniger als Verfechter der Idee der »Autonomen Nationalisten« (AN) verstehen.

Das Politikverständnis und Auftreten der AN unterscheidet sich von jenem etablierter älterer Gruppen der »Freien«, wie der »Freien Kameradschaft Bielefeld« um Bernd Stehmann, der »Kameradschaft Rhein-Sieg« von Ralph Tegethoff und der »Kameradschaft Düsseldorf« um Sven Skoda. Auch Borchardt geriet bereits das eine oder andere Mal in Konflikt mit den ihm zu ungestümen »Autonomen Nationalisten«, zeigt sich aber angesichts deren zahlreicher Aktivitäten in punkto Demo-Outfit und »black-block«-Gehabe tolerant, so lange seine Macht nicht in Frage gestellt wird. Auf der anderen Seite wurde der schon zu FAP-Zeiten aktive Bonner Stephan S. zur Empörung von Reitz und Konsorten durch seinen »Kameradschaftsführer« Ralph Tegethoff aus der Gruppe geworfen, weil er mit Irokesenhaarschnitt und Che-Guevara-T-Shirt zu Aktionen erschien.

Der Zwietracht zwischen jüngeren Möchtegern-Revoluzzern und alteingesessenen Strukturen ist deutlich spürbar. Insbesondere auf Alt-Kader wie Christian Malcoci und auf seinen Zögling Sven Skoda ist man beim »AB-West« nicht immer gut zu sprechen – nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass sich diese beiden als Führungselite der »Freien« in NRW verstehen, eine Rolle, die das »AB-West« jedoch für sich selbst in Anspruch nimmt. Hinzu kommt, dass Malcoci und Skoda zu Recht als Repräsentanten des NPD-nahen Flügels der »Freien Kameradschaften« wahrgenommen werden, zu dem das »AB-West« in einem gespannten Verhältnis steht. Dieses bedeutet aber nicht, dass AB-West-Gruppen Aktionen von Skoda und Malcoci boykottieren. Als am 3. Juni 2006 zirka 270 Neonazis dem Ruf Skodas nach Düsseldorf folgten, um dort wenige Tage vor dem WM-Start unter dem Motto »Das  System ist der Fehler!« zu demonstrieren, waren sämtliche AB-West-Gruppen mit ihrem Führungspersonal vor Ort vertreten. Reden durfte indes keiner von ihnen, lediglich Krolzig bekam die Aufgabe übertragen, sich während des Aufmarsches über Mikrophon als Einheizer zu betätigen.

AB-West und NPD

»Das mittelfristige Ziel ist es dem Widerstand im Westen ein stärkeres Profil zu verleihen in klarer Abgrenzung zur NPD, wobei eine punktuelle Zusammenarbeit selbstverständlich nicht ausgeschlossen, sondern erwünscht ist«, hieß es in einer Selbstdarstellung des »Aktionsbüros«. Einerseits gehören die im »Aktionsbüro« organisierten Gruppen zum NPD-skeptischen Worch-Flügel der »Freien Kameradschaften«, andererseits pflegt man eine gute Zusammenarbeit, für die insbesondere der stellvertretende NPD-Landesvorsitzende und Landesgeschäftsführer Claus Cremer aus Bochum-Wattenscheid steht. Cremer, Beauftragter des Landesverbandes für die Kooperation mit den »Freien Nationalisten«, sucht ganz bewusst die Nähe zum AB-West, schließlich ist die Partei in NRW aufgrund ihrer Mobilisierungs- und Personalschwäche auf Unterstützung angewiesen.

In einer Neujahrsbotschaft an die Adresse des AB-West erklärte Cremer dann auch im Namen der NPD-NRW, es habe sich 2005 gezeigt, »daß es trotz aller vermeintlichen Unterschiede oftmals möglich ist, gemeinsam an einem Strang zu ziehen«, man müsse versuchen, »diesen Weg auch in Zukunft weiter auszubauen und trotz manch harscher Kritik auf beiden Seiten (manchmal zurecht, manchmal zu unrecht) versuchen, daß Trennende zu überwinden und das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen«. Das »AB-West« konnte sich der Schmeichelei nicht entziehen und bedankte sich artig mit den Worten: »Auf weiterhin gute Zusammenarbeit«. Beim Aufmarsch des »Aktionsbüros« am 27. November 2004 in Duisburg hatte das noch anders geklungen, durfte Schmidtke doch lautstark gegen jede Zusammenarbeit mit der NPD wettern und »Wer hat uns verraten? Nationaldemokraten! Wer verrät uns nie? Die Autonomie!« skandieren.

Indirekt waren zeitweise sogar einige NPD-Verbände Mitglieder des »AB-West«. Sowohl der NPD-Kreisverband Unna/Hamm als auch der NPD-Ortsverband Warendorf gehören dem vorübergehend als AB-West-Mitgliedsgruppierung geführten »Kameradschaftlichen Bündnis Hamm« an.

Ausblick

Interessant dürfte es werden, wie sich das AB-West ohne ihren bisherigen Vorturner Axel Reitz entwickeln wird, tritt dieser doch in Kürze eine 33-monatige Haftstrafe an (vgl. AIB #  70), nachdem seine Berufung vom Bundesgerichtshof endgültig abgelehnt wurde, das Urteil des Landgerichtes Bochum also nunmehr rechtskräftig ist. Es dürfte kein Zufall sein, dass Worch und Reitz seit einiger Zeit einen »neuen« Mann ins Spiel bringen: den Celler KDS’ler Daniel Gräf, der sich in NRW erstmalig im Frühjahr 2005 mit einer Rede auf einem Aufmarsch in Essen profilieren durfte und seitdem bei keiner AB-West-Demo fehlt, zumeist als Redner, in letzter Zeit auch als Versammlungsleiter. Erst kürzlich verlegte er seinen Wohnsitz nach Wuppertal. Doch ebenso wie in der Celler Region ist Gräf auch in NRW nicht unumstritten – insbesondere bei einem Teil der »Autonomen Nationalisten«. Der Möchtegern-Intellektuelle gilt nicht zu Unrecht als arrogant und Wichtigtuer. Zudem steht er im Verdacht, in jungen Jahren zeitweise »ausgestiegen« zu sein und Szene-Informationen an die Linke weitergegeben zu haben (ausführlicher Artikel über Gräf in: LOTTA #23, Sommer 2006, S. 29).

Vor dem Hintergrund vorhandener Meinungsverschiedenheiten und der zahlreichen persönlichen Eitelkeiten innerhalb des AB-West ist es also fraglich, ob es gelingen wird, »alte Streiterein, persönliche Befindlichkeiten dem großen und Ganzen unterzuordnen, um in das Blickfeld des Widerstandes nicht mehr die einzelnen Streitereien und Kleinkriege einzelner Führer und Gruppen zu rücken«, wie in einer Erklärung des AB-West heißt.

Dieser Artikel ist eine überarbeitete und aktualisierte Fassung eines Artikels aus LOTTA antifaschistische Zeitung aus NRW, Nr. 22. S. 27 ff. www.free.de/lotta