Zurüstungen für den Ausnahmezustand
Seit dem Ende der alten Criticon als Theorieorgan für die sogenannte Neue Rechte, war diese zumindest im Zeitschriftensegment heimatlos. Ihnen steht zwar mit der Wochenzeitung Junge Freiheit ein Publikumsorgan zur Verfügung, doch ein publizistischer Ort der Theoriebildung und intellektuellen Selbstverständigung fehlte. Im Spektrum extrem rechter Periodika stießen Blätter wie »Gegengift« und »Neue Ordnung« auf wenig Resonanz außerhalb eines engen Rezipientenkreises. Die Zeitschrift »Sezession« sucht diese Lücke zu füllen.
Bereits kurz nach dem Erscheinen der ersten Ausgaben, trat »Sezession« aus der Halböffentlichkeit des rechten publizistischen Nachtschattengewächses als zitierfähiges Organ ins Licht der FAZ-Rubrik »Aus deutschsprachigen Zeitschriften«. Offenbar mit Erfolg. Denn Mitte 2007 stellte das Blatt auf eine zweimonatliche Erscheinungsweise um und erweiterte den Heftumfang.
Wie der Name »Sezession« schon sagt, geht es den Herausgebern darum, das Trennende einer neuen intellektuellen Rechten zum etablierten Konservatismus zu bestimmen. Im Selbstverständnis der Redaktion liest sich das kurz und knapp so: »SEZESSION ist eine politische Zeitschrift, in der realpolitisch, nicht gesinnungspolitisch gedacht wird. Sie unterstützt den Vorsatz ihrer Leser, Entscheidungen zu treffen. Kontroverse ist erwünscht, jedoch nicht als intellektuelles Spiel.«
Wer unter realpolitisch allerdings das Einerlei der Tagespolitik versteht, liegt falsch. Der Redaktion um den Göttinger Historiker und Gymnasiallehrer Karlheinz Weißmann (Vgl. AIB Nr. 74) geht es um eine grundsätzliche Bestimmung der Positionen des Instituts für Staatspolitik und seines Umfeldes. Der Wissens- und Ideologietransfer aus neurechter Sicht für den akademisch gebildeten, sich selbst als Elite beschreibenden Nachwuchs steht ganz oben auf der konzeptionellen Agenda der Zeitschrift. Die Redaktion begnügt sich nicht damit, die klassischen extrem rechten Zeitgeistthemen wie Demographie, Ethnopluralismus und Staatsbegriff zu beackern. Ebenso fehlt die in der JF beständig und variantenreich geführte Klage über den angeblichen Gesinnungsterror der Political Correctness. Die dort notwendigen inhaltlichen Konzessionen an den Hauspuschenkonservatismus des rechten Unionsflügels fallen hier weg. Die »Sezession« ist der Ort für Grundsätzliches.
Die bisher erschienenen Themenhefte wie »Christentum«, »Krieg« und »Jugend« sollen vielmehr die Grundlagen neurechter Theorie vergegenwärtigen und aktualisieren. Wohl nicht ohne Grund wählte die Redaktion für die ersten Themenhefte jene Schlüsselbegriffe, um welche die Ideengeschichte der deutschen Rechten seit jeher kreist. So nahmen die Hefte »Krieg« und »Jugend« den Interpretationsfaden ihrer Begriffe nicht von ungefähr an ihrer Quelle, also bei Blüher und Jünger wieder auf. Aufschlussreich ist die positive Bezugnahme auf das Christentum. Hier wird der studierte Theologe Weißmann seinen Anteil daran haben, dass in der »Sezession« die neoheidnische Karte eines Alain de Benoist bisher nicht gespielt wurde. Wie nicht anders zu erwarten, sieht Weißmann die Rettung des Christentums vor der Vollendung der Säkularisierung in der Abkehr von der liberalen Theologie zu Gunsten einer Rückkehr zu den Wurzeln klarer theologischer Dogmen und Hierarchien.
Der Tonfall der Beiträge entspricht ganz dem Stil der geistigen Vorbereitung auf jenen herbeigesehnten Ausnahmezustand nach dem Zusammenbruch der als dekadent beschriebenen liberalen Ordnung. Hierfür bietet »Sezession« denen geistige Zurüstung, die im Ernstfall ein Teil jenes Souveräns sein sollen, welcher über den Ausnahmezustand verfügt.
Die keinem Themenschwerpunkt zugeordneten Hefte gliedern sich in die Rubriken »Grundlagen« und »Kurzbeiträge«. Während in der letztgenannten Rubrik eher Glossen und Bemerkungen zum Zeitgeschehen ihren Platz haben, will die Rubrik »Grundlagen« ein breit gestreutes Einführungswissen in rechter Geistesgeschichte geben. Der Habitus dieser Texte zu Autoren wie Gottfried Benn, Stefan George oder Mircea Eliade ist elitär. Der Grad intellektueller Durchdringung der porträtierten Autoren ist hingegen durchaus different. Nicht alle »Sezession«-Autoren vermögen jenen elitären Gestus und das anvisierte Anspruchsniveau einzulösen, dem sich das Blatt verschrieben hat. Einige Texte bleiben hinter dem intellektuellen Potential ihrer Referenzpersonen und Ideen zurück.
Skurril mutet die Rubrik »Begriffe« an, in welcher der Versuch unternommen wird, stichwortartig zu einer Definition philosophischer Begriffe aus neurechter Sicht zu gelangen. Diese sind so kurz gefasst, dass sie dem Leser als Torso erscheinen und ihn somit ratlos zurücklassen. Ein Blick in das »Lexikon des Konservatismus« des Caspar Schrenck-Notzing bleibt da ergiebiger.
Ein in jedem Falle interessanter Kurzrezensionsteil schließt das redaktionelle Konzept ab. Kontroverse Debatten sind selten im Blatt. Es wirkt, als seien die Herausgeber um Weißmann noch im inhaltlichen Rohbau dessen begriffen, was ihr Zugriff auf den halluzinierten Aggregatzustand gesellschaftlicher Konflikte sein soll. Dieser schwankt zwischen dramatischen, ja radikalen Zustandsbeschreibungen und zurückhaltend skizzierten Handlungsoptionen einer parteipolitisch nicht fest gebundenen extremen Rechten.
Über die Reichweite der Zeitschrift kann man nur spekulieren. Nie ist die Wirkung einer Zeitschrift nur an ihre Auflage gebunden. Entscheidend ist vielmehr die Fähigkeit, Netzwerke außerhalb des unmittelbaren Milieus zu knüpfen und die eigenen Ideen zirkulieren zu lassen. »Sezession« ist eingebunden in das Netzwerk der rechten Blogosphäre jener Projekte wie »Blaue Narzisse« und »opponent.de«, die im Web 2.0 den Begriff der Gegenöffentlichkeit von rechts zu besetzen suchen. Hierin sieht man das Potential, die Kathedralen des Liberalismus wenn schon nicht zu stürmen, so doch wenigstens zu untergraben, um sie eines Tages in einem von rechts zu besetzenden Schlüsselthema matt zu setzen. So bemühen sich die Herausgeber intensiv um Autorennachwuchs, wie ein angekündigter Schreibwettbewerb zeigt.
Fazit
Die Zeitschrift gibt authentischen Aufschluss über Hybris und Phobien der intellektuellen Rechten in Deutschland. Ebenso wird klar, dass sich diese vom bloßen Stöbern in den ideologischen Waffenkammern der Konservativen Revolution zu Gunsten der Suche nach Konzepten für gesellschaftspolitische Intervention verabschiedet hat. Für jene, die sich intensiv mit der sogenannten Neuen Rechten befassen, ist die »Sezession« die komplementäre Lektüre zur »Jungen Freiheit«, da hier Themen vertieft und zuweilen vorbereitet werden. Der Preis für knapp sechzig Seiten Heftumfang ist indes hoch bemessen: Zehn Euro sind je Ausgabe zu zahlen.