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ZEITSCHRIFTENSCHAU: Sinn und Form

Einleitung

Die Zeitschrift ist eine lebende Legende. Im Jahr 1949 gegründet, war sie das geistige Flaggschiff der DDR. Ein indirektes Pendant zum »Monat«. An ihren Jahrgängen lassen sich die Wechselfälle deutscher Zeit- und Literaturgeschichte nachvollziehen.

Ihr erster Chefredakteur Peter Huchel, der die von Johannes R. Becher mitbegründete Zeitschrift konsequent zu den Fragen und Debatten der literarischen Moderne des 20. Jahrhunderts führte, wurde von den SED-Kulturbürokraten gemobbt, abgesetzt und schließlich in den Westen getrieben.

Doch auch unter dem Zuchtmeister Wilhelm Girnus, einst Antipode Brechts und Eislers in den unsäglichen sogenannten Formalismusdebatten der 1950er Jahre, blieb Sinn und Form ein publizistischer Ort, an dem Phrasengeschrei und Propaganda auch, aber nicht nur, vorkamen.

Autoren wie Volker Braun und Christa Wolf sorgten für Niveau und ästhetische Fragestellungen, die über den Tag hinauswiesen. Der Girnus nachfolgende Chefredakteur Max Walter Schulz, ein literarisch empfindsamer Mann, setzte auf leisere Töne und riskierte begrenzte Konflikte mit der Literaturdoktrin der DDR. Die Zeitschrift hat alle Wendungen der SED– Kulturpolitik erlitten und überstanden.

In den späten Achtziger Jahren waren hier Texte zu lesen, die einen vorsichtigen Blick auf jene geistigen Verwüstungen warfen, die der Stalinismus hinterlassen hatte, denen die Geschichtspolitik der DDR jedoch solange auswich, bis es im Wortsinne zu spät war. Der seit 1991 amtierende Chefredakteur Sebastian Kleinschmidt hat die Zeitschrift umsichtig und behutsam durch die Wendejahre geführt. Nun wurden jene Texte gedruckt, die in der DDR aus politischen oder ästhetischen Gründen unterblieben.

In den Nachwendejahren hat sich »Sinn und Form« an der sozialistischen Utopie und ihrem Erbe so offen und differenziert abgearbeitet wie keine andere deutsche Zeitschrift. Freilich wurde sie damit auch am Ende der 1990er Jahre ad acta gelegt, als habe sie sich erledigt. Kleinschmidt hat die Zeitschrift stilistisch und thematisch geöffnet, auch für Autoren wie Ernst Jünger, was ihm Kritik linker Autoren wie Stephan Hermlin einbrachte. Der Untertitel »Beiträge zur Literatur« führt bezogen auf das heutige Profil der Zeitschrift in die Irre. Die hier zu lesenden Essays sind oftmals weniger literarisch, als vielmehr philosophisch akzentuiert. Das Themenspektrum ist weit, reicht von Lyrik bis zu zeitgeschichtlichen Fragen, die hier metapolitisch behandelt werden.

Die Herausgeberschaft von »Sinn und Form« obliegt nach wie vor der Akademie der Künste zu Berlin. Ihr Hausverlag ist der Aufbau Verlag, der mit diesem prestigeträchtigen Zeitschriftenprojekt ganz gewiss keinen Gewinn erzielt.

Zu »Sinn und Form« sollte greifen, wer den Raum der Literatur und der Geschichtsphilosophie nicht nur betreten, sondern auch durchmessen will.


Sinn und Form
Akademie der Künste Berlin (Hrsg.)
Aufbau Verlag
zweimonatlich