Es geht weiter... Dresden 2010
Ein Großaufmarsch wie alljährlich im Februar in Dresden stellt die AntifaschistInnen vor besondere Anforderungen. Nachdem es noch vor wenigen Jahren fünf Großaufmärsche waren, die pro Jahr von Neonazis veranstaltet wurden, hat sich dies auf zwei Termine reduziert. Dresden ist einer davon.
Die Vergangenheit hat bereits gezeigt, dass nur durch eine kontinuierliche antifaschistische Praxis die Öffentlichkeit, der Protest und eine Stimmung erzeugt werden kann, die solche Aufmärsche nachhaltig unterbindet. Die Erfahrungen aus dem Jahr 2009 in Dresden haben Probleme vor Augen geführt, die für die Arbeit bis 2010 in der antifaschistischen Arbeit besondere Aufmerksamkeit verdienen.
Der Aufmarsch – keine Eintagsfliege
Die Zahlen der Teilnehmer des Trauermarsches im Jahr 2009, sprechen für sich: mit 7000 Alt- und Neonazis auf der Straße, hat Dresden eine herausragende Relevanz in der extremen Rechten. Seit Beginn der Aufmärsche stiegen die Zahlen und die Umfeldaktivitäten stetig.
Ein Faktor, der die Brisanz des 13. Februar-Marsches ausmacht, ist bereits thematisch in diesem Termin angelegt. Es ist der einzige Anlass im Terminkalender der extremen Rechten, an dem in solchen Ausmaß an Kontinuitätslinien zum Nationalsozialismus angeknüpft werden kann.
Aus strategischen Gründen trennten die »Junge Landsmannschaft Ostdeutschland« (JLO) und NPD zu Gunsten des Großaufmarsches die Trauerinszenierung vom Datum des 13. Februar ab. Wegen dieser Loslösung vom eigentlichen Tag der Bombardierung Dresdens, fielen beim Großaufmarsch, entgegen dem inszenierten Trauerspektakel des »Aktionsbündnis gegen das Vergessen« am 13. Februar, wo sich die Aufmarschteilnehmer schweigend und mit Fackeln ernsthaft betroffen gaben, nun auch die strengen Bekleidungsanordnungen in den Reihen der Rechten weg.
Dadurch konnte der Großaufmarsch am 14. Februar nun jungen Neonazis, die sich gerne einen militanten Habitus zur Selbstinszenierung geben, als Schauplatz ihrer Straßenkampfidentität dienen. Es war ihnen möglich sich zu vermummen, Journalisten zu bedrohen und vermeintliche oder tatsächliche AntifaschistInnen anzugreifen. Im Jahr 2010 jährt sich die Bombardierung Dresdens zum 65. Mal. Zudem fällt der Tag des 13. Februar auf ein Wochenende. Es ist also zu erwarten, dass die Zahl der Teilnehmenden des Jahres 2009 noch übertroffen werden.
Um Neonaziaufmärschen dieser Größenordnung wirksam entgegentreten zu können ist es notwendig, den antifaschistischen Protest nicht nur auf breite Füße zu stellen, sondern ihn auch nachhaltig zu verankern –das zumindest haben die antifaschistischen Proteste der letzten Jahre in Dresden gezeigt. Ein Protest, der sich allein auf militante Aktionsformen reduziert, verkennt den Umstand, dass dem Großaufgebot an Polizei und der hohen Anzahl an Neonazis mit rein taktischen Überlegungen nicht beizukommen ist. Auch ein unreflektierter Blick auf individuelle Trauer erschwert antifaschistische Intervention. Ein kritisch distanzierter Umgang muss gewährleistet sein, eine Gleichstellung aller Trauernden mit den aufmarschierenden Neonazis aber vermieden werden.
Um diese vielfältigen und schwierigen Aufgaben zu bewältigen, sind verschiedene Faktoren zu beachten. Aus den Erfahrungen dieses Jahres lässt sich ein Fazit ziehen, wie die antifaschistische Praxis in Zukunft gestaltet werden muss, um effektiv den Aufmarsch zum Verschwinden zu bringen.
Der Brocken ist noch nicht geschluckt...
Das bundesweite Antifabündnis »No pasarán« hat sich viel vorgenommen. Dasseinflussreicher antifaschistischer Protest von den wenigen lokalen Akteuren, auch aufgrund interner Zerstrittenheit, nicht alleine organisiert werden konnte, haben die letzten Jahre gezeigt. Der Neonaziaufmarsch gewann in der extremen Rechten immer mehr an Bedeutung und professionalisierte sich, wohingegen der antifaschistische Protest weit hinter den Möglichkeiten zurückblieb. 2009 ist es erstmals gelungen, 4000 AntifaschistInnen auf die Straße zu bringen. Das war nicht nur die bisher größte antifaschistische Manifestation in Dresden. Wir wurden auch ein wahrnehmbarer Faktor bei der Organisierung der Gegenproteste.
Eins ist bereits deutlich geworden: Antifaschistischer Protest in Dresden ist möglich. Natürlich ist für die nächsten Jahre noch mehr nötig, um den Neonazis den Aufmarsch zu verunmöglichen. Die ersten Schritte sind gemacht. Das dieser Weg steinig werden würde, war mit Blick auf den städtischen Umgang mit dem Neonaziaufmarsch und der eigenen Inszenierung der Trauer, schnell offensichtlich. Um einen Schritt weiter zu kommen, wollen wir uns 2010 klar kommuniziert in die Offensive begeben, denn nur so können sich viele anschließen und mitmachen. Daher verfolgen wir ein zentrales Konzept: Wir wollen von vornherein offen für eine gemeinsame Blockade mit allen NazigegnerInnen eintreten.
Die Stadt Dresden... ein scharfe und kalte Brise
Dass sich in Dresden eine Stimmung erzeugen lassen würde, die es ermöglicht den Neonaziaufmarsch zu skandalisieren, scheint auf den ersten Blick fern ab jeder Realität. Wurde der Aufmarsch jahrelang nicht nur verschwiegen und verharmlost, schien die Stadt ebenfalls kein Problem damit zu haben, die Neonazis auf der alljährlichen offiziellen Gedenkfeier zu dulden. Darüber hinaus selbst keinen kritischen Umgang mit dem Trauerspektakel zu entwickeln und sich darauf zu beschränken einzig und allein die Vereinnahmung der Trauer durch die Neonazis zu kritisieren, scheint die einzige Maßnahme der CDU-Bürgermeisterin zu sein. Hiermit steht sie exemplarisch für eine weit verbreitete Stimmung in der Stadt. Durch die Unfähigkeit des Großteils der DresdnerInnen, sich aus ihrer vermeintlichen Opferrolle zu befreien, machen sie es den Neonazis nicht nur leicht, ihre Trauerinszenierung als Normalität an diesem Datum zu verankern.
Antifaschistischer Protest wird somit immer auch als Störfaktor betrachtet. Die Offiziellen des bürgerlichen Protestbündnisses gegen den Neonaziaufmarsch üben sich deshalb immer auch in Abgrenzung zu anderen Protestformen. Das führt dazu, dass die Stadt Dresden scheinbar mehr damit beschäftigt ist, den antifaschistischen Protest zu torpedieren. Ein massives Polizeiaufgebot, repressive Schikanen gegenüber vielen anreisenden AntifaschistInnen, die Demonstration durch einen polizeilichen Wanderkessel jeglicher Außenwirkung beraubt und dazu eine fast komplett abgesperrte Altstadt, die vielen den Zugang zu den antifaschistischen Protesten erschwerte bis verunmöglichte. Dem Neonaziaufmarsch hingegen wurde ein rechtsfreier Raum geschaffen, in dem sie ungestört von jeglichem Protest ihre nationalsozialistische Kontinuität zelebrieren konnten.
Mag das Ausmaß dieser Verblendung auch überrascht haben, ist die Auseinandersetzung um die Bombardierung Dresdens und die daran anschließenden Trauerfeiern schon seit Jahren von genau dieser geprägt. Deswegen ist diese Situation nicht unbedingt neu, erfordert aber einen entsprechenden Umgang. Es zeigt auch, dass Protest, trotz aller Schwierig- und manchmal Widersprüchlichkeiten, ein breites Spektrum abdecken muss. Nur so gelingt es einer antifaschistischen Linken als politischer Akteur wahrgenommen zu werden und sich dauerhaft in der Auseinandersetzung zu halten. Dazu müssen wir im nächsten Jahr unser Profil abermals schärfen und die politische und gesellschaftliche Relevanz dieses neonazistischen Spektakels nicht nur in der Antifa-Szene, sondern gerade auch bei den zivilgesellschaftlichen AkteurInnen vor Ort verankern.
Der antifaschistische Kampf beschränkt sich in Dresden somit nicht nur auf die Vorbereitung eines einmaligen Events. Es ist die vorrangige Aufgabe der Antifa, ein spektrenübergreifendes Engagement aufzubauen. Dieses Ziel gilt es bis 2010 voranzutreiben und wenn nötig darüber hinaus.