Westberliner Parteitag der „Republikaner“ Teil 1
Einige AntifaschistInnen aus der "Antifa Westberlin"Zu den Auseinandersetzungen um die Vorgehensweise gegen den REP-Parteitag
Der Verlauf der Gegenkundgebung vor dem Schultheiss-Gebäude an der Hasenheide im westberliner Bezirk Kreuzberg hat zu einer heftigen Debatte im autonomen Spektrum geführt. (...) Von der berechtigten Kritik bis zum „Verrat“ wurde gerade den autonomen AntifaschistInnen so ziemlich alles unter die Nase gerieben, was an diesem Tag schief gelaufen beziehungsweise in die Hose gegangen war. Besonders die Bündnisspolitik der Antifas stand im Mittelpunkt der Kritik, sie wurde und wird teilweise sogar völlig in Frage gestellt. Hierzu folgen zwei Beiträge, von denen der eine die Aktion selbst, ihr Zustandekommen und der Ablauf nocheinmal schildert und der zweite auf die Bündnispolitik an sich eingehen will.
REP Parteitag als Festung
Der REP-Parteitag konnte quasi störungsfrei über die Bühne gehen. Mit Absperrgittern und NATO-Draht hatten 1.500 eingesetzte Bereitschaftspolizisten, darunter ein Sonder-Einsatz-Kommando, die Schultheissfestsääle in eine regelrechte Festung verwandelt. Schon geraume Zeit vor dem 8. Juli 1989 stand das Gebäude unter polizeilicher Bewachung. Je näher der Parteitag rückte, desto massiver präsentierte sich der staatliche Schutz für den umstrittenen Tagungsort. Aktionen im Vorfeld waren dadurch so gut wie unmöglich. Das Bündniss gegen Faschismus, Rassismus und Sexismus hatte alle AntifaschistInnen dazu aufgerufen sich um 8 Uhr morgens – eine Stunde vor Beginn des REP-Treffens – vor dem Gebäude zu versammeln. Trotz der frühen Stunde waren etwa 5.000 Menschen zu der genehmigten Kundgebung erschienen. Die REP Delegierten waren jedoch schon um 6 Uhr in das Gebäude eingelassen worden. Damit fiel eine Blockade durch die AntifaschistInnen ins Wasser. Angesichts des massiven Aufgebots an Polizisten blieb es vorerst beim hilflosen Ausharren vor Ort.
Distanzieren sie sich ...
Als sich die von den Veranstaltern beschlossene Demonstration zum Gestapo-Gelände, dem ehemaligen Terrorzentrum des Nationalsozialismus, in Bewegung setzte, blieben mehrere hundert KundgebungsteilnehmerInnen vor den Polizeiabsperrungen stehen. Ein Teil von ihnen wollte nicht unverrichteter Dinge abziehen andere hatten nicht mitbekommen, daß sich die Demonstration bereits in Bewegung gesetzt hatte. Eine kleine Gruppe begann an den Absperrgittern zu rütteln, vermehrt flogen Flaschen in Richtung Polizeischutz. Hier kam es dann zum offenen Konflikt, als einige Ordner des DGB, die überwiegend aus sozialdemokratischen Jugendorganisationen gestellt wurden, aktiv gegen die von ihnen als „Provokateure“ bezeichneten Leute vorgingen. Zusammen mit einigen „friedfertigen“ DemonstrantInnen versuchten sie die Leute zu entwaffnen. Die Polizei sah diesem Konflikt hoch erfreut zu, um wenig später brutal in die sich beruhigende Situation einzugreifen. Unter ständigen Lautsprecherdurchsagen wie „distanzieren sie sich von den Gewalttätern“ etc., prügelte das SEK, unterstützt von zwei Wasserwerfern die Strasse frei. Durch das Aufbrechen der Demonstration war bereits eine Lücke zu den Vorortgebliebenen entstanden. Der Lautsprecherwagen der Antifa-Westberlin ließ jedoch Demo Demo sein und kehrte an den Ort des Geschehens zurück. Der Versuch den Schlägereinsatz des SEK zu stoppen scheiterte kläglich. (...) Nachdekm die Strasse vor dem Schultheiß-Gebäude von ihnen leergefegt worden war, beruhigten sich die Prügelpolizisten des Senats. Die Demonstration bewegte sich dann weiter in Richtung Kundgebungsort und es kam auch noch Stimmung rüber, die sich nicht nur darin wiederspiegelte, dass viele Anwohner die DemonstrantInnen mit kühlem Wasser von den Balkonen erfrischte.
„Reis- und Sandalenmiliz“ der Alternativen
Die bürgerliche Presse, allen voran die Senats-Hauspostille „taz“, jubelte allerdings angesichts der „rot-grünen Entwaffnungsaktion“ gegen die „Hirnis, Suffkis und Randalos“ (O-Ton taz), denen seit dem 1. Mai endgültig das Handwerk gelegt werden soll. Endlich hatte sich die seitdem geforderte Reis- und Sandalenmiliz der Alternativen formiert. Jusos und DGB distanzierten sich öffentlich von den „Gewalttätern“. Nicht der SPD/AL-Senat 1 , der die REPs ihren Parteitag durch das massive Polizeiaufgebot ermöglichte wird kritisiert, sondern die „Provokateure“ auf Seiten der DemonstrantInnen. Diese gelte es durch organisierten „Selbstschutz“ von künftigen Aktionen auszuschließen. Während sich die Regierungsjugend an der Organisation des Selbstschutzes gegen Neonazis und Rassisten nur mäßig oder garnicht beteiligt, propagiert sie nun den „Selbstschutz gegen Autonome“, die seit dem 1. Mai als Hauptfeind ausgemacht worden sind. DGB und Jusos haben sich gegen die Bündnis-Absprache verhalten, die da lautete, daß ihre Ordner nur in ihrem Block zu ordnen haben. Sie sind die politischen VertreterInnen der Linie, die die Bekämpfung der Neonazis und Rassisten in die Hände das Senats legen will. Der Senat wiederum hat zu diesem Thema bisher entweder nur durch Untätigkeit geglänzt oder die Neonazis vor AntifaschistInnen in Schutz genommen. Ihre Angst vor Eigenintiative und selbstorganisierten Widerstand und die von ihnen vertretene Ansicht, dass nur der Staat Gewalt ausüben darf, führt zu der irrigen Auffassung, daß Gewalt von links und Gewalt von rechts sich gegenseitig hochschaukeln würden. Folgerichtig werden sie so zu Erfüllungsgehilfen des Senats. Sie versuchen die antifaschistische Bewegung zu spalten. Diese Spaltungsversuche haben die DGB- und Juso-VertreterInnen im Bündnis isoliert, das Bündniss war aber nicht in der Lage den Distanzierungen prompt und öffentlich eine Absage zu erteilen. Für den größten Teil der im Bündnis arbeitenden Gruppen und Organisationen war die Frage, ob militante Verhindertung des Parteitages oder friedlicher Protest, keine prinzipielle Frage. Der Kundgebungsort konnte gegen den Widerstand von Jusos, DGB und AL-Spitze – die überall in der Stadt Infostände machen wollten, nur nicht vor dem REP-Parteitag – durchgesetzt werden. Wäre eine Verhinderung als möglich und erfolgsversprechend eingeschätzt worden, wäre sie auch mitgetragen worden. Wenn auch von einem großen Teil nicht aktiv, so doch solidarisch unterstützend.
Das Konzept
Angestrebt war, den Parteitag durch öffentlichen Druck schon im Vorfeld zu verhindern oder den REPs den Zugang zu den Festsäälen unmöglich zu machen. Beides ist nicht aufgegangen. Es bleibt einerseits der relative Erfolg, vor Ort demonstriert und trotz der Uhrzeit so viele Menschen zusammen gebracht zu haben. Und auf der anderen Seite der bittere Geschmack dieser ersten Erfahrung mit der offen spalterischen Praxis der – seit ein paar Monaten – regierungstreuen Organisationen. Bis dahin hatten diese Organisationen kein eigenes Profil in der Antifa-Arbeit entwickelt und sich vornehmlich den Aktivitäten der Basisgruppen anschließen müssen. Wir haben – als Teil der autonomen Antifa-Westberlin – das von der Mehrheit im Bündnis entwickelte Konzept mitgetragen. Die Aktion war für uns kein Erfolg. Auch wir hatten uns auf eine Blockade eingestellt, wollten jedoch vor Ort flexibel sein. Obwohl wir eine direkte Verhinderung des Treffens für unrealistisch hielten, haben wir die Möglichkeit nie ausgeschlossen. Angesichts der verunsicherten Stimmung bei den meisten AktivistInnen (sowohl in der Vorbereitung, als auch Vorort) sind wir zu dem Schluß gekommen, dass ein direkte Verhinderung in dieser Situation aussichtslos sei. Dass viele Menschen nicht mitgezogen und der politische Preis im Verhältnis zu hoch getrieben worden wäre. Um die vielen Menschen, die uns nahestehen und den REPs ernsthaft etwas entgegensetzen wollen, sich aber noch unsicher sind wann es richtig ist zuzuschlagen, zu überzeugen, wollten wir keinen aussichtslosen beziehungsweise symbolischen Angriff riskieren. Er wäre von zu wenigen getragen worden, wäre damit erfolglos geblieben und hätte weiter Festnahmen, Verletzte und Prozesse bedeutet. Seit Anfang des Jahres gab es weit über hundert Festnahmen von Antifas. (...) Uns war klar, dass es so oder so Auseinandersetzungen mit der Polizei geben würde, weshalb wir innerhalb der Demonstrationsvorbereitung darauf hingearbeitet haben, dass keine Leute zurück gelassen werden und somit der Polizei ausgeliefert werden. Dazu hatten wir einen eigenen Lautsprecherwagen und wir hätten es zum Bruch der Demonstrationsleitung (Jusos/SEW/Antifa) kommen lassen, hätten die Auseinandersetzungen wirklich die Form eines aussichtsreichen Angriffes angenommen. Die Demonstration fanden wir für den Fall wichtig, wenn nichts mehr gegen den REP-Parteitag auszurichten gewesen wäre. Das war objektiv der Fall. Und besser eine Demonstration mit politischen Inhalt, die zum ehemaligen Hauptquartier der Gestapo führt, um die Verbindung von der Polizei damals zu den Nazis und der Polizei heute zu den REPs aufzuzeigen, als ohnmächtig – wie schon viel zu oft in letzter Zeit – vor REP-Veranstaltungen rumzustehen.
Wie wirksam bleiben?
Nicht wir AntifaschistInnen konnten an diesem Tag einen Erfolg im Kampf gegen Faschismus und Rassismus vermelden. Dieser lag vielmehr bei den REPs, die ihren Parteitag vollzählig abhalten konnten, und beim orange-grünen Senat, auf dessen Kosten nicht nur der erfolgreiche Schutz des REP-Parteitags zu verbuchen ist. Der Senat hat noch dazu seine Spaltungsabsichten innerhalb der linken Opposition weiter vorantreiben können. (...) Dieser Widerstand gegen rechte Versammlungen, seine Form – ob nun militant oder nicht – ist berechenbar geworden und gerade diejenigen die jetzt die Staatsgewalt befehligen wissen um die Mittel wie wie sie ihn brechen müssen. Konnten wir vor der Wahl und noch kurz danach Republikaner-Treffen durch Blockaden verhindern ohne uns richtig mit der Polizei zu prügeln, so ist diese an seine Grenzen gestoßen. Zum Schluß sind nur noch Leute von uns (gezielt) rausgegriffen worden, ohne dass es zu mehr als ein bißchen Protest gekommen war. Warum sollte dies vor einer ausgebauten Festung plötzlich anders sein – auch wenn uns genügend Zeit zur Vorbereitung bleibt? Kurzum, eine alte Waffe im antifaschistischen Kampf ist vorläufig stumpf geworden und eine neue Aktionsform noch nicht entwickelt. Wir haben dies nicht rechtzeitig erkannt, obwohl unsere Erfahrung uns dies längst hätte bewußt machen müssen. Eine erfolgreiche Verhinderung von REP-Veranstaltungen ist zur Machtfrage gegen den Senat geworden, der seinerseits bereit ist diese mit allen Mitteln zu schützen. Wenn der Widerstand nicht stark genug ist eine solche Aktion mit der „Militanz der Massen“ durchzuführen, also auf die Sympathie vieler Menschen bauen kann, so bleiben doch Mittel und Wege ihnen dort Nadelstiche zu verpassen, wo sie ungeschützt sind, um zu demonstrieren, dass Widerstand gegen Faschisten möglich ist und erfogreich sein kann. Nicht die „Gewaltfrage“ ist die eigentliche Frage in der antifaschistischen Bewegung, sondern die Frage, wie die REPs und andere Neonazis wirksam bekämpft werden können.
- 1Die Alternative Liste für Demokratie und Umweltschutz (AL) wurde im Oktober 1978 in West-Berlin gegründet. Gründungsmitglieder waren unter anderem Wolfgang Wieland, Michael Wendt, Renate Künast und Hans-Christian Ströbele.