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„Europäische Aktion“

Hans Stutz (Schweiz) und Arthur Sajdowski (Thüringen)
Einleitung

Eine internationalistische Neonazi-Avantgarde?

Foto: Screenshot EA Homepage

V.l.n.r.: Mitglied der EA Liechtenstein, Pierre Dornbrach (JN), Adrian Segessenmann (PNOS), Richard Melisch, Oliver Hasler (EA). Aufgenommen anlässlich eines Vortragsabends der EA Liechtenstein im St. Galler Oberland, April 2014.

„Die „Europäische Aktion“ (EA) strebt einen gesamteuropäischen Zusammenschluss von extrem rechten Aktivisten an. Ihr Gründer und Vordenker, der Schweizer Holocaust-Leugner Bernhard Schaub, ist in der Versenkung verschwunden, nun spielt Rigolf Hennig den starken Mann.

Es war ein sonniger Samstag im September 2012. „Europafest“ der „Europäischen Aktion“ auf dem  Odilienberg bei Strassburg. Rund 60 Personen lauschten dem „Festvortrag“ von Bernhard Schaub, angekündigt als EA-„Gründer“. Er war ab 2003 Vorsitzender des „Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“ (VRBHV) gewesen und — kurz vor dem VRBHV-Verbot durch das deutschen Bun­desinnenministerium im Winter 2008 — von seinem Amt zurückgetreten. Bereits Anfang Februar 2010 berichtete die langjährige Schaub-Weggefährtin und VRBHV-Exponentin Ursula Haverbeck-Wetzel in einem Vortrag von Vorarbeiten für eine Neugründung, die zuerst „Bund Freies Europa“ heissen solle. Unter anderem will die EA ihre Ziele durch „Heranbildung einer Schicht von zukünftigen Verantwortungsträgern“ erreichen, die GründerInnen sehen sich also als politische Avantgarde-Organisation.

Es habe „gut begonnen“, freute sich Schaub Anfang 2010 in einem internen Schreiben. Aber dann kam es zu „Störungen“, wie Rigolf Hennig in einem internen Schreiben sechs Monate später meldete. Es folgte ein Eklat: Schaub trat bereits vor der offiziellen Gründung zurück. Die Gründe sind unklar. Doch „einige Mitstreiter“ (Hennig) schritten Mitte Juli 2010 dennoch zur Tat: Tagungsleiter ist „Dieter Fricke“, Exponent einer „Unabhängigen Bürgergemeinschaft“ in Verden. Rund 40 „Mitstreiter“ sind anwesend, „darunter Bettina Schaub, Bernhards Tochter“. Die Versammlung beschliesst, so Hennig, „einstimmig, die Arbeit des Bundes unter dem Aussenbegriff ‚Euro­päische Aktion’ fortzusetzen“. Gemäss Schaubs Wunsch soll „der Begriff ‚Bund Freies Europa’“ für den „inneren Bereich“ gelten. Als Sprecher bestimmen die Anwesenden ein „Dreiergremium“, bestehend aus Ursula Haverbeck, Rigolf Hennig und dem Schweizer Patrick Wagner.

Erste grössere mediale Beachtung erhält die EA ein Jahr später, als sie Mitte September 2011 im „Raum St. Gallen“ ihr erstes „Europa-Fest“ durchführt. Schaub spricht hier über den „Feind“: „Die kleine messianische Chabad-Sekte in Newyork (sic!) und ihren Chef, den sogenannten Rabbi von Luba­witsch“. Der „Aufbau der Europäischen Aktion“ sei, so Schaub, auch eine „Vorbereitung der Machtübernahme“. Ein Jahr später feiert die EA auf dem Odilienberg ihr zweites „Europafest“. Angekündigt sind — neben Festredner Schaub — VertreterInnen von EA-Landesgruppen, meist bekannte HolocaustleugnerInnen, so Michèle Renouf oder Richard Edmonds. Weiter „Dr. Hans Berger“, Landesleiter EA Österreich, jedoch seit Jahrzehnten in der Schweiz wohnhaft. Und auch: Rigolf Hennig, damals Vorsitzender der norddeutschen EA. Weitere Gäste: Bojan Rasate, Gründer des „Bulgarischen Nationalbundes“ (BNS) und der einschlägig bekannte spanische Buchhändler Pedro Vare­la. Der damals 23jährige Oliver Hasler, Landesleiter der EA Liechtenstein, verkündete nach einem Medienbericht über seinen Auftritt dort seinen Rücktritt und Austritt, zumindest für die Öffentlichkeit.

Ende Januar 2013 verkündet Bernhard Schaub zusammen mit Pierre Vial, Gründer der französischen Gruppe „Terre et Peuple“ („Land und Volk“), dass die beiden Organisationen zusammenarbeiten würden, ebenso die spanischen und portugiesischen Schwes­terorganisationen „Tierra y Pueblo“ und „Terra e Povo“. Anwesend war auch Pierre Krebs, Verantwortlicher der deutschen Gruppe „Thule-Seminar“. Seit diesem Anlass ist Schaub nicht mehr öffentlich aufgetreten. Ob aus politischen oder persönlichen Gründen ist nicht bekannt. Fakt ist: Der Schweizer Holocaust-Leugner Ernst Indlekofer klagt im Oktober 2014, dass Schaub die Schweiz habe verlassen müssen. Schaub erfuhr die rigide Migrationspolitik der Schweiz am eigenen Leib. Seiner langjährige Lebensgefährtin war 2012/2013 wegen ihrer Sozialhilfeabhängigkeit die Schweizer Aufenthaltsbewilligung entzogen worden.

Es ist der EA auch nie gelungen, in Schaubs Heimat eine Landesgruppe zu betreiben. In der Schweiz finden zwar manchmal EA-Veranstaltungen statt, organisiert werden sie jedoch von der sehr aktiven EA Liechtenstein. Die meisten anderen internationalen EA Stützpunkte wirken eher inaktiv. Nur die deutschsprachige Sektion tritt noch regelmäßig an die Öffentlichkeit. Es wird deutlich, dass Rigolf Hennig zur Zeit die prägende Figur ist. Er ist „Landesleiter Deutschland“ und besorgt die szene-wirksamen EA-Auftritte. Hennig pflegt auch die internationalen Kontakte. Bald fünf Jahre nach ihrer Gründung ist die „Europäische Aktion“ eine Organisation geblieben, die große Projekte ankündigt, jedoch wenig umsetzen kann.

„Europäische Aktion“ Thüringen

In Deutschland ist die EA vor allem in Thüringen aktiv. Sie tritt hier seit 2013 in Erscheinung und bestand zunächst aus wenigen Einzelpersonen, welche aus den Regionen Nordhausen und Sonneberg stammten. Als Thüringer Gebietsleiter tritt seither Axel Schlimper auf. Zum Aktionsradius gehörten lange Zeit nur interne Schulungen und Gebietsleitertreffen in Thüringen, bei denen Schlimper regelmäßig vor allem antisemitische Ideologie vermittelte. Ende November 2013 soll auch das Haus des Neonazis und NPD-Funktionärs Thorsten Heise in Eichsfelddorf Fretterode für Treffen der EA genutzt worden sein. Öffentlich wahrnehmbar trat die EA zeitweise nur vereinzelt mit Fahnen auf Thüringer Neonazi-Demonstrationen und durch Redebeiträge Schlimpers auf. Mit der Gründung des lokalen Ablegers „Stützpunkt Nordthüringen“ gab es einen leichten Anstieg an öffentlichen Aktivitäten. Die Gruppe, die sich aus selbsternannten „Autonomen Nationalisten“ aus der Region Nordhausen rekrutierte trat auch mit eigenem Banner beim neonazistischen "Trauermarsch" in Magdeburg auf. Zu einem Treffpunkt der EA entwickelte sich die so genannte „Gedächtnisstätte“ in Guthmannshausen, die durch den geschichtsrevisionistischen und extrem rechten Verein „Gedächtnisstätte e.V.“ betrieben wird. Wichtiges Bindeglied spielt hier auch Martin Gärtlein, der seinen Wohnsitz inzwischen auf die Adresse der Immobilie in Guthmannshausen verlegte. Seit 2011 holte er Vertreter der EA zu von ihm initiierten Treffen in den Landgasthof „Frische Quelle“ in Mosbach bei Eisenach. Die vierte wichtige Immobilie in Thüringen mit Bezug zur EA ist die „Erlebnisscheune“ in Kirchheim, die seit 2008 als populärer Veranstaltungort für Neonazi-Konzerte und Parteitage gilt. Bevor die NPD 2014 ihren Bundesparteitag dort ausrichtete präsentierte der Betreiber seine neue Außenwerbung: ein großes blaues Banner mit zwei gelben „Kruckenkreuzen“ der EA. Zuvor hatte die "Europäische Aktion" dort auch ihr Sommerfest ausgerichtet.

Die EA unterstützt mittlerweile regionale neonazistische Veranstaltungen durch Beschallungstechnik, Videoaufzeichnungen und durch Bereitstellung eines Lautsprecherfahrzeuges. Auf der „Thügida“-Demonstration am 23. März 2015 in Erfurt berichtete Schlimper über „geheime Pläne“ gegen das Deutsche Volk: „Eine eurasisch-jüd... negroide Mischrasse soll aus uns gezüchtet werden“ und weil die „Mischrasse“ sich nicht organisieren könne, würden europäische Juden die Leitung übernehmen, so Schlimper. In Thüringen erprobte die Organisation in diesem Jahr auch mehrfach ein Geländetraining „durch Aufklärungsaufgaben, Abseilübungen, Berg­werksbegehungen sowie Waldbiwaks“. Am 27. Juni fand eine eigenständige Demons­tration in Jena statt, um der toten Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig zu gedenken. Nachdem es am 1. Mai in Saalfeld schon einen „EA-Block“ auf der Demo des „Der III. Weg“ gab, formierte sich in Jena ein „Weißer Block“ mit fünfzehn EA-Anhängern an der Spitze, der  den Blockaden trotzen und sich den Weg durch die Stadt erkämpfen sollte. Die EA erreichte nur 100 Teilnehmer, wurde blockiert und konnte die eigenen Anhänger nur wenig überzeugen. Davon ungetrübt wird sie in den kommenden Monaten weiterhin eine zentrale Rolle bei der Infrastruktur von Thüringer Neonaziaufmärschen spielen.