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Antifeministische Verschwörungsideologien

Feministisch-antifaschistischer Arbeitskreis Berlin (Gastbeitrag)
Einleitung

Ob „Staatsfeminismus“, „Frühsexualisierung von Kindern“ oder die Subventionierung der „Homo Lobby“, all dies führt AntifeministInnen dazu, an die geplante Vernichtung des Männlichen zu glauben und sich in ihrer Existenz bedroht zu fühlen. Antifeminismus und Hetero­sexismus kann neben Rassismus als thematisch wichtigste Klammer definiert werden, die extrem Rechte bis Konservative miteinander verbindet. Mit diesem Thema können die meisten AkteurInnen gebunden. Im Folgenden möchten wir einige Beispiele aus der Masse der antifeministischen und heterosexistischen Verschwörungsideologien herausgreifen.

Foto: St. Heide

Der „Nationale Widerstand” aus Duisburg beim Kampf für die Hetero-Familie beim „Tag der deutschen Zukunft“ in Dresden 2014.

Der Wahn vom "Gender-Wahn"

Mit „Gender-Wahn“ und „Genderismus“  bezeichnen Rechtskonservative und christliche FundamentalistInnen, AfD-WählerInnen, PEGIDA-AnhängerInnen und auch Neonazis eine vermeintliche Verschwörung. Innerhalb dieser Verschwörung arbeiten staatliche Institutionen gemeinsam mit Feminist_innen und anderen „links-grün Versiften“ unter dem Deckmantel der Gleichberechtigung daran, „Männer“1 anzugreifen, zu unterdrücken oder sogar zu vernichten. Mit der Unterdrückung des „Mannes“ würde auch die „Keimzelle der Nation“, die Kleinfamilie mit einem Vater und einer Mutter, zum Ziel des „Gender-Wahns“ und die Grundlage der „Volksgemeinschaft“ zerstört. Dabei können sowohl Konservative als auch extrem Rechte auf eine Vielzahl von fluktuierenden Verschwörungsideologien zurückgreifen, um ihrem Wahn vom „Gender-Wahn“ zu frönen.2

„Gender“ als Feinbild

Die Subventionierung des Feminismus bzw. der Gender-Studies durch den Staat ist eine der Kernthesen, die der Verschwörungsideologie zugrunde liegt, die sich den Kampf gegen „Gender“ verschrieben hat. Auf diversen Internetseiten können diejenigen Informationen sammeln und sich austauschen, die die geplante Vernichtung der Nation im Begriff des „Gender_Mainstreamings“ verwirklicht sehen. Die Maskulinisten von „Wieviel Gleichberechtigung verträgt das Land“ (wgvdl.com) geben gerne Auskunft über aktuelle Machenschaften von Staat und Feminismus. Schon auf der Startseite wird erläutert, dass „Frauen“ staatlich subventioniert werden. Demnach würden „Frauen“, die nach den Maskulinisten „natürliche Stellung der Frau“, als dem Mann nachgeordnete Hausfrau und Mutter, in der Gesellschaft hinterfragen. Gleichzeitig nähmen sie jedoch eine Opferrolle ein, wenn sie sich daraus Vorteile wie öffentliche Gelder versprechen. So sehen sie in Frauenhäusern ein lukratives Geschäftsmodell, anstatt dringend benötigter Infrastruktur für Betroffene häuslicher Gewalt.

Auch die Seite „WikiMANNia“, die aus der wgvdl-Seite entstand, will die Unterdrückung von Jungen und Männern bekämpfen: „Durch die Institutionalisierung des Feminismus (vulgo Staatsfeminismus) sind feministische Standpunkte in der Gesellschaft überrepräsentiert.“ Als „online-Wiki“ will sie der feministischen Deutungshoheit eine maskulinistische Sicht entgegenstellen: „WikiMANNia ist die Antithese zur feministischen Opfer- und Hass-Ideologie.“

Ein besonders einprägsames Individuum in der Maskulinistenszene ist Akif Pirinçci. Mit „Deutschland von Sinnen“ und „Die große Verschwulung“ veröffentlichte er erfolgreich Bücher, in denen er behauptet, dass Frauen, Homosexuellen, Trans und Migrant_innen die aktuelle Tagespolitik bestimmen. Dabei kombiniert er sexistische, rassistische, homo- und transfeindliche Verschwörungsideologien mit einem Medienhass, der besonders bei PEGIDA, für die er auch als Redner auftritt, auf Applaus stößt. Seine These: „Deutschland, wie wir es kennen, und das deutsche Volk werden untergehen!", so Pirinçci in „Die große Verschwulung“ aus dem neurechten Antaios Verlag. 3 .

Von Männerrechten zum „Familienschutz“

Es gibt noch einen Restbestand von Vernunft, Würde und Ehre in einem Teil des deutschen Volkes. Es ist zu hoffen, dass diese deutsche Glut unter der Asche erhalten bleibt, bis das herrschende System an seiner eigenen Abartigkeit [...] zusammenfällt.“ — das Lob seitens eines Online-Kommentators der extrem rechten Zeitung „Zuerst!“ gilt nicht irgendwelchen strammen Kameraden, sondern den christlich-fundamentalistischen AbtreibungsgegnerInnen vom „Marsch für das Leben“. Obwohl die bürgerlich-christliche Organisation der „besorgten Eltern“ und selbsternannten LebensschützerInnen meist offen völkische Argumentationen vermeidet, ist die Nähe zu rechten Ideologien und Gruppen nicht ungewollt. Das zeigt sich in der fehlenden Ablehnung der Teilnahme von organisierten Neonazis an ihren Demonstrationen, aber auch daran, dass sie Veranstaltungen immer wieder in rechten Publikationen bewerben und dort Interviews geben.

Andere werden noch deutlicher: „Alle sexuellen Praktiken, außer der ehelichen, vermeiden die Fortpflanzung und sind deshalb schädlich. Man hat den Eindruck, dass sexuelle Vielfalt ein Großangriff auf das deutsche Volk ist, um es in den Untergang zu führen.“ (Christliche Mitte). Das rechte Magazin „Compact“ widmete dieser Bedrohung gleich eine Schwerpunktausgabe: "Feindbild Familie — Politische Kriegsführung gegen Eltern und Kinder". Dabei sehen sie die kleinste Zelle des Volkskörpers von mehreren Seiten unter Beschuss. Gender Mainstreaming ist innerhalb dieser Ideologie mal eine „ernsthafte Krankheit“ (Petra  Federau, AfD), mal der staatliche Versuch, einen neuen Menschen zu „schaffen, befreit von Traditionen und Rollen, befreit auch von der Biologie, allzeit ökologisch wachsam, am besten noch vegan und natürlich tolerant gegenüber allem und jedem“ (Birgit Kelle im Interview mit der „Freien Welt“).

Die „besorgten Eltern“ fürchten eine Weltverschwörung: Gender sei ein „trojanische(s) Pferd für eine weltweite Geburtenkontrolle.“ Schlimmer noch: Der Staat greife, Hand in Hand mit der „Homo-Lobby“, direkt nach den Kindern. Die Verankerung von sexueller Vielfalt in Lehrplänen ist für die besorgten Eltern Teil einer „Erziehungsdiktatur“, die Kinder einer Gehirnwäsche unterzieht und gebeutelte Mütter vom Herd ins Büro zwingt. Die wirren Thesen kann Kelle regelmäßig bei CSU-Auftritten oder im sächsischen Landtag verbreiten, wohin die CDU sie als Sachverständige lud. Und auch Hedwig von Beverfoerde, Hauptorganisatorin der „Demos für alle“ in Baden-Württemberg, war zumindest bis zur letzten „Demo für Alle“ noch Mitglied der CDU.

Vom Angriff auf die Familie zum Volkstod

Familie ist hier nicht gleich Familie. So stellt es für die „Zivile Koalition“ keinen Widerspruch dar, einerseits den Schutz der Familie zu propagieren und andererseits mit der extrem rechten „Freien Welt“ für die Petition „Familiennachzug stoppen!“ zu werben. Überhaupt schaffen die VertreterInnen der Neuen Rechten es auf interessante Weise, Antifeminismus mit altbekannten Feindbildern zu verknüpfen4 . Die Queertheoretikerin Judith Butler ist  für Gabriele Kuby, u.a. Autorin des Buches „Verstaatlichung der Erziehung — Auf dem Weg zum neuen Gender-Menschen“, nicht nur Ideenlieferantin für „die Zerstörung der ethischen und sozialen Grundlagen der Familie“, sondern auch Vertreterin einer Art jüdischen Weltverschwörung. Das zeigt sich in der Verwendung antisemitischer Codes wie der Erwähnung Butlers im Zusammenhang mit den Rockefellers oder der Aussage: „Die Macht- und Geldeliten wollen die Subversion der Identität“.

Die „Homo-Ehe“ würde laut von Beverfoerde als „Speerspitze für den fundamentalistischen Islam, in dem ein Mann bis zu vier Ehefrauen haben darf“ die Ehe für alles und jeden öffnen. Wobei die Zerstörung der christlichen Werteordnung durch den Feminismus zu islamistischem Terror führe: „Viele Moslems, wenn sie diese Zustände beobachten, in die auch sie hineingezogen werden sollen, fühlen sich von Allah berufen, uns auszurotten.“ Gleichberechtigung und körperliche Selbstbestimmung sind für besorgniserregende BürgerInnen Teil eines „teuflischen Plans“: „Zuerst sorgten Linke für die Auflösung familiärer Strukturen und die völlige Legalisierung der Abtreibung, um später den dadurch entstandenen Bevölkerungsschwund als das Argument für eine Masseneinwanderung zu instrumentalisieren. Millionen Abtreibungen stehen Millionen Immigranten gegenüber. Das kann kaum Zufall sein...“ (babykaust.de).

Das Phantasma der gefährdeten weiß-deutschen Heterofamilie taugt zu einer spektrenübergreifenden Mobilisierung. Mehr noch stellt es die gemeinsame inhaltliche Klammer da, auf die sich zur Zeit alle — von CDU bis zur Neonazi-Kameradschaft — einigen können. Egal, wie wirr die Ideen der AntifeministInnen erscheinen, sie sollten nicht unterschätzt werden.

  • 1Mit den „“ möchten wir aufzeigen, dass es sich bei den, von den AntifeministInnen verwendeten Bezeichnungen um Konstruktionen von Geschlecht handelt, denen bestimmte Eigenschaften zu bzw. abgesprochen werden
  • 2Während die Frankfurter Allgemeine Zeitung schon 2006 über Gender-Mainstreaming schrieb, dass dies nicht weniger als die Zerstörung der 'traditionellen Geschlechterrollen' will, gab es 2009 eine Kampagne aus dem Spektrum der Freien Kameradschaften mit dem Namen ›Raus aus den Köpfen — Genderterror abschaffen‹ (Vgl. AIB Nr. 88).
  • 3Vgl. AIB Nr. 84, AIB Nr. 111
  • 4Vgl. AIB Nr. 107, AIB Nr. 110