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Bandidos in Schleswig-Holstein: ein 88%-Club

Einleitung

Bereits im Antifaschistischen Info­blatt Nr. 851 berichteten wir, wie im Laufe des Jahres 2009 in Neumünster eine Ortsgruppe der Rockergruppe Bandidos von Neonazis aus dem Umfeld des ehemaligen NPD-Landesvorsitzenden Borchert gegründet, bzw. mehr oder weniger übernommen wurde. Neben Peter Borchert waren zunächst Neonazis aus dem Umfeld des Neumünsteraner Neonazi-Treffs »Club 88«2 aber auch aus seiner »Aktionsgruppe Kiel«3 und deren Umfeld dabei. Besonders hervorgetan hat sich hierbei von Anfang an der aus Ostholstein stammende und inzwischen in Neumünster leben­de Neonazi Alexander Hardt.4

Foto: Andreas Markus

Ein großer Teil der Kieler und Neu­münsteraner Neonazis gingen aber den letzten Schritt zur Bandido-Mitgliedschaft (noch) nicht und traten der Bandido-Untergruppe »Contras« bei.

In der Folge der Neugründung kam es zu zahlreichen Auseinandersetzungen und Überfällen an denen sich Bor­chert und seine »Kameraden« an vorderster Front beteiligten.1 Wegen eines solchen Überfalles wurde Bor­chert inzwischen auch erneut ver­urteilt und sitzt – soweit er nicht vorzeitig entlassen wird – bis zum Frühjahr 2014 ein. Übergriffe gab es aber nicht nur gegen verfeindete Rockergruppen. Im Januar 2010 wurden Schüsse aus einer 9mm-Waffe auf ein linkes Wohn- und Kulturprojekt abgegeben. Mindestens zwei Kugeln durchschlugen die Fensterscheibe eines Zimmers, in dem sich eine Person aufhielt. Das Straf­verfahren wurde eingestellt, obwohl inzwischen klar ist, dass die Waffe von einer Person aus dem Neona­zi- und Bandidoumfeld bereits in einem ande­ren Zusammenhang verwen­det wurde, und ein Zeuge bestimmte Neonazis als Täter bezeichnet hat.

Im April 2010 wurden die »Bandidos MC Probationary Chapter Neumünster« zusammen mit den »Hells Angels MC Charter Flensburg« verboten. Dem Verbot des Neumünsteraner Ablegers versuchte man zu begegnen, indem ein dänischer Club direkt hinter der Grenze gegründet wurde. Im wesent­lichen gewannen zunächst aber die »Contras« Neumünster an Bedeutung, die nunmehr massive Präsenz in der Stadt zeigten. Innerhalb der »Contras« hatte sich Niels Holm etabliert, der noch 2008 in Kiel für die NPD bei der Kommunalwahl kandidiert hatte.

Das Verbot des Neumünsteraner Chapter führte somit jedenfalls in Neumünster zu einer weiteren Stär­kung des Einflusses von Neonazis innerhalb der schleswig-holsteinischen Bandidos. Um das gerade eroberte Territorium in und um Neumünster zu halten, wurden daher im Rahmen der »Contras« immer mehr Neonazis eingesammelt. Die »Präsenz« auf der Straße, vor allem auch in Kiel, wo den inzwischen auch verbotenen Hells Angels Druck gemacht werden soll, übernehmen Bandidos aus Dänemark bzw. Ex-Neumünsteraner mit dänischen Kutten. Für einen neuen Club, den Bandidos »Northgate« mit Sitz in Wahlstedt bei Bad Segeberg – be­nötigte man Leute, die gewillt und in der Lage sind sich mit massiver Gewalt durchzusetzen. Und wiederum waren es altbekannte Neonazis, die die Lücken füllten. Mit dabei: der seit vielen Jah­ren bekannte aus Bad Segeberg stammende Neonazi Björn Schmidtke, bis zum Verbot im Jahr 2000 Mitglied der Blood & Honour Sektion Nordmark. Schmidtke ist nun einer derjenigen, der das neue Chapter mit aufbaut und nach außen vertritt. Er dürfte auch aus anderen Gründen erheblichen Einfluss auf seine Bandidos-Kumpels ha­ben. Ge­mein­sam mit einem Kamera­den betreibt er unter dem Namen Triple X Entertainment ein Abmahn-Abzocke-Geschäft. Die Firma behaup­tet Rechte an Pornos zu haben und mahnt Menschen ab, die aufgrund der Besonderheiten beim Download in Bittorrent-Netzwerken in Downloads die­ser Filme einbezogen werden, ohne sich selbst je einen solchen heruntergeladen zu haben. In Internetseiten, die solche Abmahnmaschen diskutieren, wird behauptet, Triple X würde ihre Filme extra zu diesem Zwecke selbst für Bittorrent-Downloads zur Verfügung stellen. Mit der Durchsetzung der behaupteten Forderungen wurde unter anderem der Kieler Rechtsanwalt Phillip Marquort beauftragt. Phillip Marquort ist unter anderem regel­mäßig als Strafverteidiger für norddeutsche Bandidos und Neonazis aktiv.

Und während sich die Bandidos in Richtung Bad Segeberg/Wahlstedt ausweiten, verlässt auch Alexander Hardt – jedenfalls beruflich – Neu­müns­ter. Im Herbst 2012 erfolgte die Verlegung seines PLS-Vertriebes2  von Neumünster nach Kiel. Es fragt sich allerdings, warum Hardt seinen Laden gerade in einem stark von migrantischer Bevölkerung ge­prägten Stadtteil in Kiel-Gaarden betreiben will; seinen maßgeblichen Umsatz mit »Polenschlüsseln« dürfte er immer noch über das Internet machen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass es Hardt im wesentlichen nicht um seinen PLS-Vertrieb geht, sondern darum, für die Neonaziszene endlich einen »Stütz­punkt« in der Landeshauptstadt zu errichten. Hardt versuchte erst gar nicht zu verbergen, wo er politisch steht: sowohl am Klingelschild des neueröffneten Ladens als auch auf der Internetpräsenz seines PLS-Versandes prangten auch die Namen bekannter Neonazis. Das Klingelschild führte neben Alexander Hardts Namen u.a. die Namen Peter Borchert und Lars Bergeest3  auf. Lars Bergeest aus Cismar wurde in Zusammenhang mit dem europäischen Neonazimusiknetzwerk Blood & Honour bekannt. Er verfügt über Kontakte zu den skandinavischen Neonazis im Umfeld der dortigen Blood & Honour Sektion. Im Jahr 2007 marschierte er mit deutschen, dänischen und schwedischen Neonazis auf einem Rudolf-Heß-Gedenkmarsch im dänischen Kolding.

Insgesamt wird deutlich, dass die Aktivitäten schleswig-holsteinischer Neonazis bei den Bandidos nicht zu einer »Entpolitisierung« oder wie dies ansonsten oft beobachtet, wenigstens zu einem »Stillhalten« führte. Die Bandidos scheinen hier jegliche Neonaziaktivitäten ihrer Mitglieder zu akzeptieren, solange diese in bisher von Hells Angels beanspruchten Gebieten neue Ortsgruppen aufbauen und halten. Dabei ist klar: die Neonazis könnten auch ohne die Bandidos einfach fortführen, was sie jetzt betreiben, die Bandidos wären im Gegensatz dazu ohne die massive Neonaziunterstützung in Schleswig Holstein gar nicht existent.

 

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