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Berlin: Neonazi-Anschläge unter Aufsicht?

Einleitung

Berliner Ermittlungsbehörden betrachten Sebastian Thom (NPD) und Tilo Paulenz (AfD) als dringend tatverdächtig, Brandstiftungen an Autos von politischen Gegnern in Berlin-Neukölln begangen zu haben. Womöglich hatte der Verfassungsschutz bereits zuvor Hinweise auf die Taten.

Foto: Paul Hanewacker

Tilo Paulenz (mittig) bei einer Demonstration gegen den UN-Migrationspakt im November 2018 in Berlin.

Die extrem rechten Nachbarn Thom und Paulenz sollen am Morgen des 1. Februar 2018 unter anderem das Auto eines Politikers der Partei DIE LINKE angezündet haben. Der Carport stand neben einem zur Tatzeit bewohnten Einfamilienhaus. Der Gasanschluss der Familie befand sich unmittelbar neben der Brand­stelle. Kurz zuvor brannte in unmittelbarer Umgebung das Auto eines Buchhändlers, welcher bereits mehrmals Attacken der lokalen Neonaziszene ausgesetzt war. Die lebensbedrohliche Tat hätte möglicherweise in mehrerer Hinsicht verhindert werden können.

Schon früh haben Antifaschist_innen konkrete Verdächtige aus der lokalen Neonaziszene präsentieren können. Zuletzt hatten wir im AIB Nr. 119 über Paulenz und Thom berichtet. Offenbar hatten sich auch Sicherheitsbehörden jenseits der Berliner Polizei zu einer Überwachung der Tatverdächtigen entschlossen. Die zeitliche Abfolge der Maßnahmen wirft Fragen auf. Ein „Behördenzeugnis“ schilderte den Ermittlern unmittelbar vor der Tat, dass die beiden Neonazis im Januar 2018 das spätere Opfer und dessen Auto ausforschten1 . Offenbar trafen sich die Tatverdächtigen nach der Verfolgung des Geschädigten in der Nähe des späteren Tatorts. Dass die Neonazis sich um die Enttarnung der Wohnanschrift des verhassten Linken-Politikers bemühten war den Sicherheitsbehörden schon Anfang 2017 zur Kenntnis gekommen.

Thom dürfte nicht entgangen sein, dass er im Fokus der Behörden steht. Der Eindruck „unantastbar“ zu sein wird unterstützt durch den Unwillen der zuständigen Gerichte, zielführende Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden auch gegen ihn umzusetzen. Eine bei ihm aufgefundene handschriftliche „Feindesliste“ und die festgestellten Ausforschungsaktivitäten führten bis jetzt nicht dazu, dass spätere Angriffe verhindert oder begangene Taten angeklagt wurden. Dem AfD-­Funktionär Paulenz hat der Tatvorwurf poli­tisch nicht geschadet. Er trat in Chemnitz beim AfD-­Aufmarsch und Mitte November bei einem Anti-Migrationspaktmarsch als AfD-Partei-Aktivist auf und ist trotz der Tatvorwürfe vor ein paar Monaten in den Bezirksvorstand der AfD Berlin-Neukölln gewählt worden.

  • 1Bernd Palenda, der damalige Leiter des Verfassungsschutz Berlin verwies das LKA Berlin am 1. Februar 2018 auf ein Behördenzeugnis vom 30. Januar 2018 – also zwei Tage vor der Tat.