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Braun-Braune Fusion oder feindliche Übernahme?

Einleitung

Der Landtagswahlkampf der NPD in Mecklenburg-Vorpommern

Birger Lüssow als Redner am 8. Mai 2004 in Rostock

Nach Sachsen droht nun auch im Nordosten der Einzug einer Neonazi-Fraktion in ein Landesparlament. Die NPD will im September 2006 ins Schweriner Schloss gewählt werden. Massive Unterstützung kommt dabei von Vertretern der regionalen Kameradschaften. Das muss die Partei allerdings mit Listenplätzen für »Freie« bezahlen.

Landesparteitag der NPD Mecklenburg-Vorpommern im Februar 2006 in Greifswald: Mario Kannenberg und Christian Deichen müssen sich mit einer Statistenrolle begnügen. Die beiden Parteifunktionäre übernehmen Ordneraufgaben und plaudern mit Journalisten. Zwar ist Ersterer Abgeordneter im ostvorpommerschen Kreistag und Letzterer Vorsitzender des Kreisverbandes – doch das Geschehen im Inneren der Kleingartengaststätte dominieren andere. Eine buchstäbliche Eintrittswelle in den Landesverband hat die Kräfteverhältnisse in der Partei gravierend verändert. Nahezu alle maßgeblichen Kader der so genannten »Freien Nationalisten« tummeln sich jetzt in der einst ungeliebten »Systempartei«.

Von der Parteiruine zur Landtagskandidatur

Noch vor kurzem dümpelte der Landesverband der NPD mehr schlecht als recht vor sich hin. Von den weniger als hundert Mitgliedern im Jahr 2004 entfalteten nur einige wenige Aktivisten in Ludwigslust, Stralsund, Rostock und Ostvorpommern größere Aktivitäten. Etliche Kreisverbände waren praktisch nicht existent. Die maßgebliche Rolle in Mecklenburg-Vorpommern spielen parteiungebundene Neonazigruppen. Diese können nicht nur mehrere hundert Anhänger mobilisieren – auch strategisch, ideologisch und organisatorisch geben »freie« Kameradschaften, Vereine und Netzwerke den Ton an. Den Wendepunkt markierte die Kommunalwahl im Juni 2004. Für die NPD selbst offenbar überraschend, gewann die Partei zehn Abgeordnetenmandate in Kreistagen und Stadtvertretungen. Teilweise profitierte die NPD vom Wegfall der Fünf-Prozent-Hürde, konnte allerdings lokal auch Ergebnisse von bis zu acht Prozent erreichen. Das Ergebnis hat nur teilweise mit der Partei-Praxis vor Ort zu tun. Die steigende Bereitschaft der WählerInnen, eine offen extrem rechts auftretende Partei zu wählen und die bevölkerungsorientierte Arbeit der örtlichen Neonaziorganisationen dürften die eigentliche Basis für das NPD-Ergebnis sein.

Nach diesem beachtlichen Votum bei den Kommunalwahlen und dem Einzug von Apfel und Co. in den sächsischen Landtag, rückten auch für die norddeutschen Neonazis Parlamentsmandate in greifbare Nähe. Offenbar verständigten sich Kameradschaften und NPD dann recht schnell auf ein gemeinsames Vorgehen. In Flugblättern wurde die NPD beispielsweise von der »Mecklenburgischen Aktionsfront« empfohlen. Auch bei einem Aufmarsch am 1. Mai 2005 in Neubrandenburg  zeigte man demonstrative »Volksfront«-Einigkeit. Zu den vorgezogenen Bundestagswahlen stellte die NPD bereits Vertreter der »Freien Nationalisten« zur Wahl. Zwar arbeiteten in Mecklenburg-Vorpommern parteigebundene und unabhängige Neonazis hin und wieder zusammen. Der opportunistische Schwenk der Kameradschaften ging dennoch erstaunlich geschmeidig vonstatten. Noch im Juni 2004 demonstrierten in Rostock unter anderem Birger Lüssow und Robert Rupprecht für einen Wahlboykott – beide sind jetzt NPD-Mitglied. Auch in der Frühjahrsausgabe 2005 des Usedomer »Fahnenträger« kam die Partei noch schlecht weg. Andreas Kühn vom Kampfbund Deutscher Sozialisten (KDS) zählte die Partei in einem Artikel zum bürgerlichen Lager und bezeichnete die Führungsriege der NPD als »reaktionäre Kräfte«. Diese Einschätzung hinderte die Usedomer Gielnik und Harmisch nicht, für die geschmähte Partei zu kandidieren.

Konsequenter Machtausbau

Ausschlaggebend für die Kameradschaften dürften die gestiegenen Erfolgsaussichten bei der Landtagswahl sein. Bei den Bundestagswahlen im September 2005 erreichte die NPD in Mecklenburg-Vorpommern, dem ostdeutschen Trend folgend, landesweit schon 3,5 Prozent der Stimmen. Zudem haben sich die »Freien Nationalisten« mittlerweile eine relativ einflussreiche Position innerhalb der Landes-NPD erarbeitet. Sie sind keineswegs nur Steigbügelhalter der Parteioberen, sondern begegnen jenen mindestens auf Augenhöhe. Konsequenterweise vertrauten sie dabei nicht auf Absprachen. Von Oktober bis Dezember 2005 traten an die 50 Personen in die NPD ein und sicherten ihren Führern so Delegiertenstimmen für den Parteitag im Februar. Und so liest sich die Kandidatenliste für die Landtagswahl wie das »who is who« der Kameradschaftsszene.

Schon auf dem zweiten Listenplatz kandidiert Tino Müller (»Bürgerinitiative« Ueckermünde) und auf weiteren Plätzen David Petereit (Mecklenburgische Aktionsfront, Kulturkreis Strelitz) und Ricardo Kaster (Heimatbund Pommern), sowie die schon erwähnten Birger Lüssow (Aktionsgruppe Rostock), Michael Gielnik (Soziales und Nationales Bündnis Pommern) und Enrico Harmisch (Initiative für Volksaufklärung).  Unter den Neuzugängen in der Mitgliederkartei finden sich überraschenderweise auch der umstrittene Neu-Greifswalder Lutz Giesen und Robert Rupprecht, der Weggefährte des umstrittenen Autors der extrem rechten Internetseite »Stoertebeker-Netz«, Axel Möller.

Der Kreisvorsitzende der NPD Stralsund bekam die neuen Machtverhältnisse gleich beim Parteitag zu spüren. Der langjährige NPD-Aktivist Dirk Arendt musste zerknirscht die meisten Gegenstimmen einstecken und landete nur auf Listenplatz 9. Ein Journalist der Berliner Zeitung will gar erfahren haben, dass sich die Bundespartei angesichts des Mitglieder-Updates in Mecklenburg-Vorpommern eher »vier als fünf Prozent« bei den Landtagswahlen wünscht.

Doch die Zweckehe wird auf absehbare Zeit halten. Der Parteivorsitzende Voigt hat »unbedingte Unterstützung« angekündigt, die in finanziellem Support und der Entsendung etlicher Wahlkampfhelfer bestehen wird. Den Auftakt wird ein bundesweiter Aufmarsch am 1. Mai 2006 in Rostock bilden. Im Landesverband der NPD gibt es zudem mit den Kandidaten Udo Pastörs, Michael Andrejewski, Klaus Bärthel und dem leer ausgegangenen Thomas Wulff genug Pragmatiker, die Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit den »Freien Nationalisten« haben. Beide Seiten profitieren von dem Bündnis.

Die NPD hat ihren dünnen Personalbestand aufgefüllt und kann nun flächendeckend auftreten. Die Neonazis aus den Kameradschaften ergänzen ihre strategische Weiterentwicklung um einen parlamentarischen Weg und versprechen sich Posten und Pöstchen in der Partei. Alle  gemeinsam erhoffen sich die erfolgreiche Platzierung ultra rechter Positionen und eine höhere Akzeptanz dafür in der öffentlichen Wahrnehmung.

Schlechte Aussichten

Auf AntifaschistInnen in Mecklenburg-Vorpommern kommen schwierige Zeiten zu. Die NPD muss die 34.000 Stimmen, die sie bei der Bundestagswahl erhielt, wahrscheinlich nur um etwa zehntausend Wahlkreuze ausbauen, um die 5% zu erreichen. Bis September stehen der Partei dafür die Mittel und hochmotivierte Mitglieder zur Verfügung. Der Wahlkampf und ein möglicher Wahlerfolg werden deutliche Folgen für das politische Klima im Bundesland und den Alltag bspw. von MigrantInnen und alternativen Strukturen haben. Die expandierende rechte Szene kann sich konsolidieren und den Ausbau von Infrastrukturen vorantreiben. Auch bundesweit könnte ein erneuter Einzug in einen Landtag die krisengeschüttelte NPD stärken.

Die Aussichten für Gegenaktivitäten sind denkbar schlecht. Die letzten Wahlen haben gezeigt, dass in vielen Regionen Mecklenburgs und vor allem Vorpommerns bereits ein festes Stimmen-Potenzial für extrm rechte Positionen besteht. Dennoch nehmen die wenigen Antifa-Gruppen den Wahlerfolg noch nicht als gegeben hin. In den nächsten Monaten werden diese im Bundesland und überregional gegen die NPD mobilisieren.