Der Club 88 - the very last Resort in Neumünster
Im Gegensatz zu den vor allem durch antifaschistischen Widerstand überregional bekannt gewordenen und mittlerweile geschlossenen neofaschistischen Kneipen Comico in Horb (Baden-Württemberg) oder dem Cafe Germania in Berlin hat sich im schleswig-holsteinischen Neumünster mit dem CLUB 88 seit drei Jahren relativ unbeachtet ein regional und zunehmend auch überregional bedeutender Treffpunkt für Neonazi-Skins etabliert. Entstanden ist der Club 88 vor ca. drei Jahren in der Segeberger Straße, in dem Neumünsteraner Stadtteil Gadeland, der schon seit den 80er Jahren eine örtliche Neonazi-Hochburg darstellt. Stellte bis 1992 noch die Itzehoer Kneipe Zum Kelten den überregionalen Treffpunkt der Schleswig-Holsteiner Neonazi-Szene dar, so hat seit 1996 der Club 88 diese Funktion übernommen. Allabendlich treffen sich dort die Neonazis der Region. Bei besonderen Anlässen sind es bis zu 200.
Christiane Dolscheid - nicht nur die Konzessionsinhaberin
Die Konzessionsinhaberin, Christiane Dolscheid kann auf eine einschlägige Geschichte in der Neonaziszene verweisen. Sie ist seit Jahren im Skingirl Freundeskreis Deutschland, Bezirk I, Ortsgruppe Neumünster aktiv. Seit einiger Zeit schreibt sie im Skingirl-Fanzine des SFD, Walküre aus Lüneburg sowie in einschlägigen Neonazipublikationen wie dem Hamburger Sturm über völkisch-nationalistische Themen wie »Das Heldenmädchen Eleonore«, über neofaschistische Aktivitäten wie die Gedenkfeier an den verstorbenen Auschwitzleugner Thies Christophersen in Flensburg oder antisemitische Texte über Persönlichkeiten wie Albert Einstein, Ignatz Bubis oder jüngst über Ilja Ehrenburg. Am 30. August 1997 fand unter der maßgeblichen Beteiligung von Christiane Dolscheid eine »große Grillparty mit Tombola« des SFD im Club 88 statt, an der ca. 130 Neonazis teilnahmen. Nebenbei betätigt sich Dolscheid auch als Anti-Antifa-Fotografin, so ist sie bei der NPD-Demonstration am 19. September 1998 in Rostock mit Fotoapparat auf dem Lautsprecherwagen zu sehen. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Tim Bartling nimmt sie regelmäßig an zahlreichen Neonazi-Aufmärschen (z.B. in Cloppenburg, Lübeck, Rostock) und -Treffen teil. Während des Bundestagswahlkampfes im Herbst 1998 wurde aus dem Dolscheid'schen Kleinbus NPD-Wahlkampfschilder aufgehängt, das Zwischenlager befand sich seinerzeit in einem Militariageschäft in Neumünster-Ehndorf.
Tim Bartling - Kneipenwirt und Neonazi
Der Mann im Hintergrund des Club 88 ist Tim Bartling. Er ist zweifellos einer der führenden Neonazis in Neumünster, der über die Jahre der Organisierung vielfältige Kontakte in die bundesdeutsche Skin-Szene, aber auch in die Neonazi-Szene der »freien Nationalisten« um Thomas Wulff und Christian Worch aufgebaut hat. Bartling, wie auch sein Freund Henry M., der ebenfalls im Umfeld des Club 88 kommt, sind altbekannt. Bereits 1990 tauchte Bartling als Kunde des Klartext Verlages und als NF-Sympathisant auf einschlägigen Vertriebslisten auf. Henry M. saß 1995 eine mehrmonatige Haftstrafe wegen diverser Körperverletzungen ab. Seit Jahren sind Bartling und Henry M. in Neumünster aktiv, die ersten Jahre fielen sie überwiegend durch Gewalttaten auf. So zu letzt am 7. Oktober 1997 als Bartling und Henry M., zusammen mit anderen Neumünsteraner Neonazis, einen Kurden zusammenschlugen. Dafür sind beide vor kurzem zu hohen Bewährungsstrafen verurteilt worden. In den letzten Jahren sind Bartling und Markwirt kaum noch durch Gewalttaten sondern überwiegend bei Aufmärschen und Kundgebungen, so z.B. am 1.Mai 97 in Hann. Münden oder als Teilnehmer beim Bundeswahlkongreß der NPD in Passau auffällig geworden. Am 21. April 1998 haben Bartling und Henry M. zusammen mit 15 weiteren Neonazis den ehemaligen FAP-Landesvorsitzenden Thorsten Heise im sog. Mackenrode-Prozeß zu seiner Zeugenvorladung vor dem Göttinger Landgericht begleitet. In der letzten Zeit taucht Bartling häufiger in führenden Funktionen bei den Ordnerdiensten auf, so hat er zuletzt am 19. Sept. 1998 den Ordnerdienst in Rostock geleitet und war bei dem Neonaziaufmarsch gegen die Wehrmachtsausstellung am 30. Januar 1999 in Kiel an der Leitung der Neonazidemonstration beteiligt. Trotz der Unterstützung des NPD-Bundestagswahlkampfes 1998 stehen die Neonazi-Skins um Bartling ideologisch den »freien Nationalisten« um Worch und Wulff nahe. Bartling ist gebürtiger Däne war und auch beim letztjährigen Heß-Gedenkmarsch am 15. August 1998 im dänischen Köge beim organisatorischen Gespräch mit der dänischen Polizei anwesend.
Strukturbildung durch Fußballtuniere
Bartling hat gute Kontakte zu der Tostedter Neonazi-Clique um Sascha Bothe, die jetzt als Blood & Honour Sektion Nordmark auftreten. An den regelmäßig stattfindenden Fußballtunieren der Skinheads Tostedt nehmen auch bis zu zwei Mannschaften aus Neumünster teil. Der Neumünsteraner FC, die Mannschaft um Bartling, ist zweimaliger Pokalsieger dieser Tuniere. Die Skinhead-Fußballtuniere dienen als strukturbildende Veranstaltungen. Hamburger, Schleswig-Holsteiner und niedersächische Neonazis kommen hier zusammen und bilden über den Fußball hinaus eine Vernetzung, die sich auch auf anderen Ebenen auswirkt. Am 21. August 1999 hat nun das erste Fußballtunier in Neumünster stattgefunden. Wie die Male zuvor im Raum Tostedt nahmen ca. einhundert Neonazis daran teil. Da es die Vermutung gab, daß das Tunier als Veranstaltung anläßlich des 12. Todestages des Kriegsverbrechers Rudolf Heß genutzt werden könnte waren Polizeikräfte vor Ort, und sorgten dafür, daß auf dem Fußballplatz des örtlichen Vereins Gut-Heil Neumünster »nur« Fußball gespielt wurde.
Der Club 88 - ein Knotenpunkt
Auch wenn am 20. Juni 1998 im Club 88 ein größeres Ausweichtreffen der Hammerskins aus Norddeutschland und den Niederlanden stattfand, kann jedoch nicht von einem Treffpunkt der Hammerskins gesprochen werden. Dieses Treffen zeigt eher, daß sich der Club 88 »fraktionsübergreifend« in der Neonazi-Szene etabliert hat. Hammerskins, Mitglieder von Blood & Honour, »unpolitische Skinheads« und »freie Nationalisten« nutzen den Club 88 als strukturellen Knoten- und als Treffpunkt. So läßt sich feststellen, daß der Club 88 auch einen fester Bestandteil in der norddeutschen Blood & Honour-Struktur darstellt. Himmelfahrt 1998 wurden etliche Kartons, Aktenordner und Zeitschriften aus einem Kieler PKW in den Club 88 gebracht. Dasselbe Auto, ein weißer Porsche, wurde ebenfalls bei einem der Fußballtuniere, Pfingsten 1998 in Tostedt, gesehen. Es ist davon auszugehen, daß hier Fanzines, Propagandamaterial bzw. Platten aus der Neonazi-Szene verteilt und weiter vertrieben wurden. In der neuesten Ausgabe des Hamburger Sturms treten die Neumünsteraner Neonazi-Skins erstmalig als Sturm Neumünster auf und binden sich damit ganz offen in die Norddeutsche Struktur der »Freien Nationalisten« ein. Im Hamburger Sturm berichten sie weiter von ihrem »Sturmlokal« Club 88. Diese SA-Diktion kommt nicht von ungefähr, bereits in den frühen 80er Jahren firmierte die Neumünsteraner Neonazi-Clique unter dem Namen Hitlerjugend Gadeland. Die Wortwahl paßt konsequent in das NS-apologetische Gehabe der »Freien Nationalisten«.
Antifaschistischer Widerstand - derzeit nicht notwendig?
Bei der NPD-Demonstration am 30. Januar 1999 in Kiel, diente der Club 88 als Treffpunkt der Schleswig-Holsteiner Neonazis. Von hier aus fuhr der regionale Konvoi, bestehend aus 15 PKW nach Kiel. Während der Abfahrt und während des abendlichen Treffens beobachtete die örtliche Polizei »aus Vorsicht vor Ausschreitungen im Zusammenhang mit den Demonstrationen in Kiel" den Club. Wie bereits in den Jahren zuvor blieb es aber ruhig. Antifaschistischer Widerstand gegen den Club 88 ist kaum sichtbar. Im Gegenteil, obwohl mittlerweile selbst der Direktor der dem Club 88 gegenüberliegenden Grundschule aktiv geworden ist und einen Brief an das Ordnungsamt und die Neumünsteraner Fraktionen geschrieben hat, in dem er den Club 88 thematisiert, findet dieses Engagement kaum Niederschlag in den antifaschistischen Aktivitäten. Provokant läßt sich dazu anmerken, daß die Neonazis auch keinen Anlaß dazu bieten, sie verhalten sich in Neumünster und besonders im Umfeld des Club 88 auffällig ruhig. In dem schon erwähnten Hamburger Sturm Nr. 20 beschreiben die Neumünsteraner Neonazis dieses Vorgehen am Beispiel eines Antifaschistischen Büchertisches der nicht gestört wurde, da neben »den strafrechtlichen Folgen« auch vermieden werden sollte, die Antifa »in eine Opferrolle zu drängen oder ihnen Argumentationshilfe für rechte Gewalt in Neumünster zu geben«. Der Club 88 hat als überregionaler Treffpunkt der Skinhead- und Neonaziszene eine gewisse Bedeutung erlangt. Für Norddeutschland stellt er einen der wenigen öffentlichen Treffpunkte dar. Ob der Club 88 bereits als ein Bestandteil eines Infrastrukturnetzes »nationaler Gastronomie- und Freizeitobjekte« gewertet werden kann ist fraglich. Bei einer Realisierung wird der Club 88 aber mit Sicherheit eine feste Größe sein, zumal es um den Club 88 bis dato sehr ruhig geblieben ist. Trotz aller Notwendigkeit, daß sich der gerade neu entstehende zaghafte antifaschistsiche Widerstand gegen den Club 88 und die Neumünsteraner Neonaziszene entwickelt, darf der Club 88 aber auch nicht überbewertet werden: zwar sind Bartling und Henry M., wie sicherlich auch andere Neonazis aus Neumünster, aktiver und innerhalb der Neonazi-Szene wichtiger geworden, vorrangig bleibt die Szene in Neumünster aber eine Neonazi-Skin- und Hooliganszene. Deutlich ist jedoch, daß es den Kadern immer wieder gelingt über den Fußballhooliganismus und durch Einflußnahme auf die subkulturelle rechte Skinheads-Szene neue Jugendliche zu agitieren.