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Die »Vandalen« – Neonazis mit »Rocker«-Habitus

Einleitung

Wird das Thema Rocker und Nazis bzw. »Nazirocker« angeschnitten, landet man in der Regel innerhalb kürzester Zeit bei den Berliner »Vandalen«. Doch die »Vandalen« sind weder klassische Rocker, noch eine »braune Biker-Truppe«1 . Es handelt sich vielmehr um eine Neonazi-Combo mit Rocker-Habitus. Wo sich in Berlin jedoch Mischszenen zwischen Nazis und Rockern herausbilden, sind die Vandalen nicht weit. Grund genug, diese Vereinigung näher zu beleuchten.

  • 1So z.B. behauptet im Artikel »SEK-Schlag gegen Nazi-Rocker«, BZ, 22.9.2003
Der Berliner "Vandale" Matthias G.(rechts) vor der Berliner NPD-Zentrale auf dem Weg zu einer Feier.

Der Berliner "Vandale" Matthias G.(rechts) vor der Berliner NPD-Zentrale auf dem Weg zu einer Feier.

Die »Vandalen – ariogermanische Kampfgemeinschaft« wurden 1982 im Ostberliner Bezirk Weißensee von Michael Regener und Jens K. gegründet. Michael Regener gilt seit dem als Chef der Gruppierung. Die Mitglieder verorten sich selbst eindeutig innerhalb der Neonaziszene. Oft werden sie wegen ihres Äußeren (Kutten, Lange Haare, Bärte etc.) fälschlicherweise für Rocker1 oder Biker2 eines Motorcycle Clubs (MC)3 gehalten. Doch die Vandalen besitzen nur selten Motorräder und damit auch nicht den Status eines Motorcyle Clubs. Am ehesten sind sie neben der Neonazi-Szene in der Heavy-Metal-Szene anzusiedeln.

Die etwa zehn Personen starke Gruppe verfügt seit der Wiedervereinigung über weitreichende Kontakte zu Neonazigruppen in Berlin, Deutschland und der Welt. Nach dem Mauerfall entwickelte sich der Berliner Judith-Auer-Club zum Treffpunkt der Vandalen. Hier entstand auch die Berliner Neonazi-Band »Landser«, in welcher die (damaligen) Vandalen-Mitglieder Michael Regener (»Lunikoff«), Andre Möhricke (»Möhre«) und Horst Schott mitspielten. Die Vandalen-Mitglieder Jean-Rene B. und Clemens N. (»Fritze«) zählten zum direkten Umfeld dieser Band.4 1996 kam es zu Differenzen und Horst Schott verließ die Band »Landser« und zusammen mit Anderen auch die »Vandalen«. Die Vandalen sind seitdem vor allem in der Berliner neonazistischen Musikszene führend aktiv.

Nach der Verurteilung der Band Landser als kriminelle Vereinigung ist in den letzten Monaten ein deutliches Zusammenrücken mit der Neonazi-Band »Spreegeschwader« in Form gemeinsamer Auftritte und Infrastruktur zu beobachten (Siehe AIB Nr. 63 »Nazi-Konzert in Berlin«). Bei einer »Spreegeschwader«-CD trat Regener mittlerweile sogar als Mit-Sänger auf. Ein weiterer Schwerpunkt der »Vandalen«-Aktivitäten liegt in der Organisation ihrer alljährlichen Gründungs-Jahresfeiern. Diese elitär ausgerichtete Veranstaltung findet regelmäßig an einem der letzten Septemberwochenende in Berlin statt. Circa 150 ausgewählte Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet kommen bei diesem Ritual zusammen, das in den letzen Jahren regelmäßig in einer großangelegten Polizeirazzia mündete.

»Rocker«-Habitus

Die Vandalen orientieren sich unübersehbar am Habitus und an der Organisierungsweise von Motorcyle Clubs. Sie verfügen über Club-Räumlichkeiten, sie kassieren einen monatlichen Mitgliedsbeitrag (75 Euro) und lassen Anwärter eine einjährige Probezeit (Prospect-Status) durchlaufen. Vollmitglieder dürfen »Backpatches«5 der Vandalen auf ihren Leder-Westen oder Kutten tragen. T-Shirts und Schlüsselbänder runden das Bedürfnis nach Selbstdarstellung ab. Nach außen spielen die Vandalen echte Motorrad-Rocker. So gab, nach Informationen der Mitarbeiter eines Berliner Sportcasinos, der Berliner Vandale Matthias G. ("Wiki") bei einer Raumanmietung für eine Vandalen-Jahresfeier den Namen »Motorradsportclub Vandalen« an.6

Auch in Punkto Gruppenehre und Machtdemonstrationen orientieren sich die Vandalen an Rocker-Klischees.7 In der Nacht zum 10. Dezember 2000 rief Jean-Rene B. die Vandalen-Kneipen-Runde um Michael Regener, Jens K. und Andreas C. (»Doktor«) an und erkundigte sich, ob er das ehemalige »Landser«-Mitglied Sören Brauner »umboxen« solle, das in der Berliner Heavy-Metal-Disko »Halford« ausfindig gemacht worden war. Da dieser wegen seines Ausstieges in Ungnade gefallen war, bekam Jean-Rene B. für die Abstrafaktion grünes Licht. Er traf den unter Feme gefallenen Brauner jedoch nicht mehr an.

Weniger Glück hatte der Dresdener Thomas Starke. Am 9. Juni 2001 wurde er von Jean-Rene B. in seinem Hausflur angegriffen und dazu gedrängt, Aussagen, die er gegen die Band »Landser« bei der Polizei gemacht hatte, zurückzunehmen. Dieses tat er auch kurze Zeit später, so dass er bei einem zweiten Besuch von Jean-Rene B. glimpflich davon kam. Doch auch politische und unpolitische Revierkämpfe spielen sich im Umfeld der Vandalen ab. Im August 2002 lieferte sich der Vandale Clemens N. zusammen mit Helmar Braun (ehemals Cafe Germania Dresden) bei einem antirassistischen Festival in Berlin eine körperliche Auseinandersetzung mit dessen Besuchern. Im März 2004 hielt sich der Vandale Andreas C. zusammen mit Alexander Bahls von der Neonaziband »Spreegeschwader« und Christopher W. (»Puffa«) aus der Berliner Kameradschaftsszene in der Berliner Diskothek »Music Hall« auf. Nach einer Rempelei auf der Tanzfläche kam es zu einer Schlägerei, bei der eine Person schwer verletzt wurde. Christopher W. wurde wegen diesem und anderer Delikte in Untersuchungshaft genommen.

Internationale Kontakte ...

Bereits Anfang der 90er Jahre wurden im Zusammenhang mit Ermittlungen zu einer Serie von Bombenanschlägen in Österreich von den dortigen Ermittlungsbehörden intensive Kontakte zwischen österreichischen Neonazis und Berliner »Vandalen« bzw. deren engstem Umfeld festgestellt. Der Österreicher Peter Binder besuchte demnach die »Vandalen« Bendix Wendt und Andreas C. in Berlin und der »Vandale« Bendix Wendt soll zusammen mit Alexander Ti. die Kameraden in Österreich besucht haben. Bendix Wendt wurde zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er in den 1990er Jahren mit den österreichischen Neonazis Gottfried Küssel und Peter Binder auf alten Brandenburger Kriegsschauplätzen erfolgreich nach Kriegswaffen mit Sprengstoff gesucht hatte. Österreichische Sicherheitsbehörden rechneten neben Wendt und Andreas C. auch Manuela S. und Berndt K. zu den Mitgliedern bzw. Symphatisanten der Berliner »Vandalen«. In diesem Zusammenhang tauchten auch jene Informationen auf, nach denen Arnulf Priem ein »führender Exponent« der »Vandalen« gewesen sein soll und die Vandalen sich als Motorrad-Club konstituiert hätten, um konspirativer Wirken zu können. Antifaschistische JournalistInnen fanden für diese oft wiederholten Behauptungen jedoch bis heute keine weiteren Belege. Arnulf Priem betrieb vielmehr seine eigene »Rocker«-Combo namens »Wotans Volk«, welche ebenso wie die »Vandalen« sehr selten auf Motorrädern gesehen wurde.

Doch intensive internationale Kontakte der Vandalen sind unbestritten. Der in Kanada lebende David Allan Surette (»Griffin«)8 hat sogar den Status als »Vandalen«-Ehrenmitglied verliehen bekommen. Seine Begeisterung für die deutschen Neonazis scheint kaum Grenzen zu kennen und so ließ er sich gar ein Bild Regeners auf den Rücken tätowieren.

... und Waffeninteresse

Der Ruf der Waffenfixiertheit der Berliner Vandalen scheint nicht ganz unberechtigt. So wurde Bendix Wendt von österreichischen Ermittlungsbehörden die Teilnahme an Sprengkursen und ein massives Interesse an Kriegswaffen und Sprengstoff nachgesagt. Er wurde in Deutschland u.a. wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verurteilt.9 Jean Rene B. wurde im Jahr 2000 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, da er versucht hatte, ein Präzisionsgewehr mit Schalldämpfer und Munition an einen Brandenburger Neonazi zu verkaufen.10

Fazit

Auch wenn es sich bei den »Vandalen« um eine relativ kleine Gruppe ohne gesellschaftliche Relevanz handelt, so verfügt sie doch innerhalb der Berliner Neonazi-Szene über erheblichen Einfluss und Autorität. Ihr Clubhaus ist einer der wichtigsten Treffpunkte und im bundesweiten und internationalen Neonazi-Musiknetzwerk nehmen sie, v.a. durch ihre Mitarbeit bei Landser, eine wichtige Stellung ein.

  • 1Der Begriff »Rocker« kommt aus dem England der 60er Jahre und wurde von bürgerlichen Medien in den frühen 70ern als abwertender Begriff für die Mitglieder einer Motorrad fahrenden Jugendsubkultur und ihre Musik geprägt. In Deutschland haben die meisten Mitglieder entsprechender Motorradgruppen den Begriff mit der Zeit in positiver Bedeutung übernommen und bezeichnen sich heute auch selbst so. Klassische Rocker fahren Motorräder, doch der Begriff wurde z.T. auf nicht motorradfahrende Mitglieder des Rocker-Milieus ausgeweitet.
  • 2Im englischsprachigen Ausland gilt der Begriff »Rocker« bis heute als abwertend, dort zieht man die neutrale Bezeichnung Biker vor. Auch in Deutschland nennen sich viele MC-Member aus diesem Grund noch immer lieber »Biker«.
  • 3Ein geordneter Zusammenschluss von 10 bis 20 Rockern. Berlin MC‘s: www.german-colours.de/berlin.php
  • 4So wollten sie die Bandmitglieder am 13. Mai 2001 zu Aufnahmen nach Kanada begleiten. (siehe AIB Nr. 61 »Profis, Geld und Subkultur«).
  • 5In echten Motorcycle Clubs tragen Vollmitglieder das Colour (das Abzeichen) ihres Clubs auf dem Rücken ihrer Kutten.
  • 6»Neonazis gaben sich als Biker aus«, Taz 24.9.2003.
  • 7Ein gängige Regel in der Rocker-Szene lautet: »Your brother ain’t always right, but he’s always your brother«. Manche Rocker-MCs kann man entweder mit dem Status »out in good standing« oder mit dem Status »out in bad standing« verlassen. Ex-Mitglieder mit dem »bad standing«-Status laufen Gefahr, bei jeder Gelegenheit Opfer von Gewaltakten zu werden.
  • 8Mitglied der Neonazi-Bands »Aryan« und »Stone­hammer«.
  • 9»Der Wolf im Schafs­pelz«, JW 11.12.2003.
  • 10»Briefträger und Knochenbrecher«, Tsp. 20.11.2003.